Meldung an den Fiskus bei Grundeigentum in Dubai
Viele Menschen sind inzwischen Eigentümer einer Immobilie im Ausland, die sie u. a. als Ferienwohnungen vermieten. Was Immobilien in Dubai betrifft, erhalten die FÄ inzwischen aufgrund der sog. Dubai-Leaks Informationen u. a. darüber, wer in Dubai Grundbesitz erworben hat. Steuerpflichtige erhalten mittlerweile Schreiben ihrer Finanzämter (FÄ) über Kontrollmitteilungen ihrerImmobilie in Dubai, deren Eigentümer sie sind. Daran schließen sich Fragen im Hinblick auf die Erzielung von Einkünften durch die Vermietung der Immobilie und die Herkunft der zum Erwerb der Immobilie eingesetzten Mittel an.
Das Anschreiben basiert auf Daten des Dubai Land Department (DLD) mit dem Stand 2018, die das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) erworben hat (sog. Dubai-Leaks). Das DLD entspricht in seiner Funktion einem Grundbuchamt, geht aber mit seinen Aufgaben, zu denen auch die Entwicklung des Immobiliensektors durch Organisation von Investitionen, Förderung und Investmentberatung gehört, deutlich über die rein katastermäßigen Aufgaben hinaus.
In der dem BZSt vorliegenden Datenbank sind über 1 Mio. Eigentümer und ca. 900.000 Eigentumsanteile enthalten. Dort finden sich zu jedem Eigentumsanteil u. a. Einzelangaben zum Namen des Eigentümers, seinem Geburtsdatum, seiner Passnummer und Nationalität, seiner Adresse und seinen Kontaktdaten, der Größe der Immobilie sowie ihrer Nutzungsart (z. B. commercial oder residential).
Seit 2006 sind in Dubai die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass auch Ausländer dort Grundbesitz auf eigenen Namen erwerben können. Es bestehen zahlreiche Hinweise darauf, dass Dubai ein beliebtes Ziel für Geldwäsche ist und um Einkünfte zu verschleiern.
Der Eigentumserwerb von Immobilien erfolgt in Dubai ‒ abweichend von Deutschland ‒ (nur) dadurch, dass ein Standardkaufvertrag verwendet wird. Eine notarielle oder ähnliche Beurkundung ist nicht erforderlich. Wird der Vertrag eingereicht und eine Bearbeitungsgebühr gezahlt, nimmt das DLD die Eintragung in die dortige Datenbank vor. Es wird eine Eigentumsurkunde für den Eigentumsanteil ausgestellt. Eine (kurzfristige) Vermietung von Ferienwohnungen und -häusern setzt voraus, dass eine Lizenz durch das Dubai Department of Tourism and Commerce Marketing erteilt wurde. Darüber hinaus müssen seit 2010 online über das EJARI-System alle Mietverhältnisse gemeldet werden, damit sie geschützt sind. Seit 2013 ist eine entsprechende Meldung auch Voraussetzung dafür, dass Telekommunikationsdienstleistungen wie Internet und TV in Anspruch genommen werden können. Es ist aber festzustellen, dass die Registrierung der Mietverhältnisse in der Praxis häufig nicht erfolgt.
Unter steuerlichen Gesichtspunkten ist zu berücksichtigen, dass nach dem seit dem 1.1.2009 geltenden Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen dem Landzusteht, in dem die Immobilie gelegen ist, vorliegend also den Vereinigten Arabischen Emiraten. Da dort jedoch keine Steuern auf Einkommen erhoben werden, muss faktisch eine Vollversteuerung in Deutschland erfolgen.
Im Gegensatz dazu hat die Auswertung der erworbenen Daten ergeben, dass in den deutschen Steuerakten oft keine oder nur unvollständige Hinweise auf den Grundbesitz in Dubai vorhanden sind. Es finden sich i. d. R. auch keine Hinweise auf Einkünfte aus Dubai, selbst wenn die Nutzungsart der Grundstücke in der Datenbank des DLD als „industrial“ oder „commercial“ angegeben wird. Ferner erscheint in Fällen, in denen Eigentum an mehreren Grundstücken und/oder Wohnungen bestand, eine ausschließliche Eigennutzung unwahrscheinlich. Folglich erscheinen häufig bereits vorliegende Mitteilungen der Bargeldkontrolle des Zolls oder Geldwäscheverdachtsanzeigen durch den Abgleich mit den Daten des DLD nun in einem neuen Licht.
Die Landesfinanzverwaltungen erhielten vom BZSt nach einem entsprechenden Abgleich Datenpakete mit den Personen, die in dem jeweiligen Bundesland ansässig sind und Grundbesitz in Dubai halten, sowie eine Zusammenstellung all der Erkenntnisse, die keinem Bundesland zugeordnet werden können. In den Bundesländern erfolgt ein Abgleich, um festzustellen, ob die jeweiligen Datensätze werthaltig erscheinen. Ist dies der Fall, bestehen unterschiedliche Möglichkeiten: Ergibt sich bei diesem Abgleich unmittelbar ein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht, werden die Strafsachenstellen bzw. die Steufa unmittelbar das weitere Verfahren übernehmen. Ist dies hingegen nicht gegeben, aus dem Abgleich ergibt sich jedoch, dass der Fall werthaltig ist, so werden die Datensätze an die zuständigen Veranlagungs-FÄ übermittelt, um anhand der Aktenlage festzustellen, ob es sinnvoll ist, den Steuerpflichtigen aufzufordern, den Sachverhalt zu klären. Ergibt sich bei dieser Überprüfung, dass ein (steuer-)strafrechtlicher Anfangsverdacht besteht, werden BuStra/Steufa ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem Steuerpflichtigen ein Strafverfahren einleiten.
Im Fall einer Anfrage durch das Veranlagungs-FA liegt noch keine Tatentdeckung i. S. d. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) vor. Folglich hat haben Steuerpflichtige Mandant für den Fall, dass im Hinblick auf die Mittelherkunft oder den Umgang mit eventuellen Mieteinnahmen aus der Immobilie ein steuerliches Fehlverhalten vorliegt, noch die Möglichkeit, eine strafbefreiende Selbstanzeige abzugeben, wenn keine anderen Sperrgründe eingreifen. Darüber hinaus ist zu überlegen, ob diese Gelegenheit nicht genutzt wird, auch weitere nicht rechtskonforme Wege der Steueroptimierung offenzulegen. Denn eine Selbstanzeige ist nur wirksam, wenn Sie i. S. d. § 371 Abs. 1 AO vollständig ist. Sie muss somit alle unverjährten Steuerhinterziehungen derselben Steuerart vollständig enthalten, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten dieser Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre. Anderenfalls ist die Erklärung unvollständig und damit in vollem Umfang unwirksam.
Steuerliche Behandlung eines inkongruenten Vorabgewinnausschüttungsbeschlusses
| Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, unterliegt als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof der Finanzverwaltung widersprochen.
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Beachten Sie | Wird nach einem solchen Beschluss an einen Gesellschafter kein Gewinn verteilt, dann erzielt dieser Gesellschafter auch keine Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).
◼ Sachverhalt
Der Steuerpflichtige A war in den Streitjahren 2012 bis 2015 zu 50 % an einer GmbH 1 beteiligt. Weiterer Gesellschafter zu 50 % war eine GmbH 2, deren alleiniger Gesellschafter der A war.
Die Gesellschafter der GmbH 1 fassten in den Streitjahren einstimmig Vorabausschüttungsbeschlüsse, mit denen die Vorabgewinne nur an die GmbH 2 verteilt wurden. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH 1 enthielt keine Regelungen zur Gewinnverteilung. Die Gewinne waren daher entsprechend der Beteiligungsverhältnisse zu verteilen. Das Finanzamt sah die Ausschüttungsbeschlüsse wegen der inkongruenten Verteilung als zivilrechtlich nichtig an und unterwarf die hälftigen
Ausschüttungsbeträge bei A (als Einkünfte aus verdeckten Gewinnausschüttungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG) der Besteuerung – jedoch zu Unrecht, wie das Finanzgericht Münster und nun auch der Bundesfinanzhof entschieden.
Die Ausschüttungsbeschlüsse unterliegen als zivilrechtlich wirksame Gewinnverwendungs- und -verteilungsbeschlüsse der Besteuerung. Eine Zurechnung der hälftigen Ausschüttungsbeträge bei A wegen eines Gestaltungsmissbrauchs
gemäß § 42 der Abgabenordnung lehnte der Bundesfinanzhof ab.
Quelle | BFH-Urteil vom 28.9.2022, Az. VIII R 20/20; BMF-Schreiben vom 17.12.2013, Az. IV C 2 - S 2750 a/11/10001
Fristen bei der Grundsteuer in Berlin/Brandenburg
Nachdem der Freistaat Bayern am Dienstagabend überraschenderweise eine Fristverlängerung für die Abgabe der Grundsteuerwerterklärungen bis Ende April 2023 gewährte, hat unser Verband die Senatsverwaltung für Finanzen Berlin und auch das Ministerium der Finanzen und für Europa des Landes Brandenburg (MdFE) angefragt, ob eine entsprechende Fristverlängerung für Berlin und Brandenburg vorgesehen sei. Leider gewähren beide Länder keine entsprechende Verlängerung. Jedoch wurden die nachfolgenden Informationen auf unsere Anfrage übermittelt bzw. sind zwischenzeitlich auch als Pressemitteilung veröffentlicht worden:
Berlin: Steuerpflichtige, die noch keine Erklärung abgegeben haben, erhalten im ersten Quartal ein Erinnerungsschreiben. Dieses enthält die Steuernummer und eine Frist von einem weiteren Monat. Bis dahin werden grundsätzlich keine Verspätungszuschläge erhoben. Danach werden die Finanzämter wie in anderen Steuerverfahren im Einzelfall und nach Ermessen Verspätungszuschläge erheben oder den Steuerwert schätzen. Für Großfälle (Grundsteuer > 50.000 €) kann anders verfahren werden (PM vom 01.02.2023).
Brandenburg: Die Finanzämter wurden angewiesen, zunächst keine Verspätungszuschläge zu erheben, sondern allen säumigen Immobilienbesitzern erst ein Erinnerungsschreiben zu übersenden (PM vom 01.02.2023).
Für Fragen zur neuen Grundsteuer stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.
Grundsteuerwert: Bescheide vorläufig erlassen!
In der Praxis mehren sich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der neuen Grundsteuerregeln. Einsprüche und erste Klageverfahren gegen die Grundsteuerwertbescheide sind die Folge. Der DStV fordert nun im Rahmen einer Verbände-Allianz Sicherheit und Entlastung.
Bescheide zur Feststellung des Grundsteuerwertes sollten unbedingt vorläufig erlassen werden! Dies fordert eine Verbände-Allianz aus dem Bund der Steuerzahler (BdSt), der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG), dem Deutschen Steuerberaterverband (DStV) und Haus & Grund Deutschland. Denn schon jetzt sind etliche Einsprüche und Klagen anhängig, die sich – aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken – erneut gegen die Berechnungsmethoden der neuen Grundsteuer richten. Erklärtes Ziel der Verbände-Allianz ist es deshalb, eine Einspruchswelle zu verhindern und somit allen Eigentümern Sicherheit zu verschaffen sowie die Finanzverwaltung und Steuerberater zu entlasten.
Wenn die gerichtliche Klärung nämlich die Verfassungswidrigkeit jetzt geltender Be-wertungsregeln ergibt, könnte diese für alle Bescheide gelten und nicht nur für solche Eigentümer, die ihre Bescheide mittels Einspruchs bereits angefochten haben. Deshalb appellieren BdSt-Präsident Reiner Holznagel, DSTG-Vorsitzender Florian Köbler, DStV-Präsident StB Torsten Lüth und Haus & Grund-Präsident Dr. Kai Warnecke an die Bundesländer, eine vorläufige Festsetzung rasch zu beschließen.
Musterklagen gegen die neue Grundsteuer
Tatsächlich gehen derzeit in fast allen Finanzämtern zahlreiche Einsprüche gegen die Feststellungen des Grundsteuerwerts ein. Grund: Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der neuen Bewertungsregeln von Immobilien und Grundstücken im Rahmen der 2. Grundsteuerreform! Demnach sind viele Eigentümer verunsichert, ob die Bewertung richtig ist oder nicht. Deshalb laufen bereits Musterverfahren zur gerichtlichen Klärung: Neben dem Verfahren des BdSt Baden-Württemberg und Haus & Grund Baden-Württemberg im Bundesland selbst, werden der Bund der Steuerzahler Deutschland und Haus & Grund Deutschland gemeinsame Klagen gegen das Bundesmodell starten, das in elf Ländern gilt. Die Urteile werden erst in den nächsten Jahren zu erwarten sein.
Bis dahin werden Eigentümer, Finanzämter und Steuerberater aber mit Einsprüchen und deren Bearbeitungen belastet. Dabei sind sowohl die Finanzverwaltung als auch die Steuerberaterinnen und Steuerberater wegen der Grundsteuerreform und den Entlastungspaketen der Bundesregierung schon jetzt am Limit. Vor diesem Hintergrund ist zum Beispiel zu befürchten, dass sich die Bearbeitungszeiten von Einkommen-steuererklärungen verlängern und die Steuerpflichtigen demnach länger auf deren Steuererstattung warten müssen.
Zum Hintergrund
Im April 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften für die Berechnung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Anschließend wurden neue Regelungen geschaffen, die nun zügig umgesetzt werden müssen. Der Abgabetermin für die Grundsteuererklärungen ist der 31.1.2023.
Informationszentrale für Auslandsbeziehungen: Weiterhin keine Auskunft
Laut einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) besteht ‒ auch unter Geltung der DSGVO ‒ weiterhin kein Anspruch auf Auskunft über die bei der Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen (IZA) gespeicherten Daten (17.11.21, II R 43/19).
Zunächst ordnet das Gericht das Klagebegehren als finanzprozessuale Stufenklage ein, wonach auf der ersten Stufe Auskunft über den Inhalt des gespeicherten Datenbestandes und anschließend auf der zweiten Stufe eine Änderung des (zuvor erfragten) Datenbestandes begehrt wird. In der Sache lehnt der BFH dann sowohl Auskunft als auch Datenänderung ab. Die Abgabenordnung habe die Rechte aus Art. 13 bis 17 DSGVO in einer mit Art. 23 DSGVO in Einklang stehenden Weise zulässigerweise eingeschränkt.
Steuertipps zum Jahreswechsel 2022/2023
Die Folgen der Corona-Pandemie sowie des Krieges in der Ukraine, die daraus resultierende Energiekrise und steigende Inflation haben das Jahr 2022 geprägt. Die Bundesregierung hat darauf mit zahlreichen Gesetzentwürfen, Entlastungspaketen und weiteren Maßnahmen reagiert, die die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen entlasten sollen. Damit Sie nicht den Überblick verlieren, informieren wir Sie zu ausgewählten steuerlichen Änderungen und Neuerungen, die Sie ab 01.01.2023 erwarten.
Doch Obacht: Das Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2022 ist recht dynamisch. Das Anfang Dezember vom Bundestag beschlossene Potpourri an steuerrechtlichen Gesetzesinhalten bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats. Ob dieser am 16.12.2022 tatsächlich grünes Licht gibt, ist gegenwärtig offen und sollte im Blick behalten werden.
Maßnahmen gegen die steigende Inflation
Um die Folgen der Inflation einzudämmen, soll der Grundfreibetrag für 2023 auf 10.908 € angepasst werden. 2024 können sich die Steuerpflichtigen über eine weitere Erhöhung auf 11.604 € freuen. Zudem wird der Einkommensteuertarif durch eine Rechtsverschiebung der weiteren Tarifeckwerte angepasst, um der sog. „kalten Progression“ entgegenzuwirken. Werden Gehälter aufgrund der steigenden Inflation angepasst, soll dies nicht zu einem höheren Steuersatz führen. Lediglich der Höchststeuersatz (45%) ist von der Tarifanpassung ausgenommen.
Was für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenfalls erfreulich sein kann: Rückwirkend ab 01.10.2022 bis zum 31.12.2024 können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihren Beschäftigten eine sog. „Inflationsausgleichsprämie“ von bis zu 3.000 € steuer- und sozialversicherungsfrei gewähren. Dieser steuerliche Freibetrag kann auch in Teilbeträgen ausgezahlt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass die Zahlungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erfolgen.
Mehr Unterstützung für Familien
Zum 01.01.2023 wird das Kindergeld auf monatlich 250 € je Kind für die ersten drei Kinder erhöht. Familien mit niedrigem Einkommen werden zudem ab 01.01.2023 durch eine nochmalige Erhöhung des Kinderzuschlaghöchstbetrags entlastet – dieser wird auf 250 € monatlich angehoben. Der Kinderfreibetrag steigt auf 6.024 € ab 2023 und auf 6.384 € ab 2024.
Freibeträge und Pauschbeträge steigen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich ab dem Veranlagungszeitraum 2023 über eine kleine Erhöhung ihres Pauschbetrags für Werbungskosten (Arbeitnehmer-Pauschbetrag) freuen. Dieser soll nach den Plänen des Parlaments mit dem Jahressteuergesetz 2022 auf 1.230 € erhöht werden.
Der Sparer-Pauschbetrag für Kapitaleinkünfte soll zum 01.01.2023 von 801 € auf 1.000 € bzw. bei Zusammenveranlagung von 1.602 € auf 2.000 € angehoben werden. Dieser Freibetrag stellt Kapitaleinkünfte, wie z.B. Einnahmen aus Zinsen und Dividenden, steuerfrei. Der Freistellungsauftrag wird automatisch – prozentual – erhöht. Nur wer eine andere Verteilung des Freistellungsvolumens wünscht, muss aktiv werden.
Auch der Ausbildungsfreibetrag soll zum 01.01.2023 auf 1.200 € angehoben werden. Hiermit werden Aufwendungen im Zusammenhang mit der auswärtigen Unterbringung eines volljährigen Kindes abgegolten. Es handelt sich hierbei um die erste Anhebung seit 1980 – wenn das kein Grund zur Freude ist.
Darüber hinaus wird der steuerliche Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende aktualisiert und auf 4.260 € erhöht. Arbeitgeber sollen diesen bereits bei den Abrechnungen für Januar 2023 berücksichtigen – ggf. rückwirkend.
Sicher ist bereits: Die Entfernungspauschale für Fernpendler wurde rückwirkend ab 01.01.2022 auf 38 Cent erhöht, d.h. ab dem 21. Kilometer Entfernung zu Ihrer Arbeitsstätte können Sie hiervon profitieren.
Altersvorsorgeaufwendungen
Gemäß dem Jahressteuergesetz 2022 sollen Altersvorsorgeaufwendungen nun schon ab 2023 steuerlich voll als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Bisher waren für 2023 96 % und 98 % für 2024 vorgesehen. Auf diese Weise soll eine doppelte Besteuerung abgewendet werden.
Steuerliche Erleichterungen bei Spenden für die Ukraine
Wer noch bis zum 31.12.2022 mit einer Spende die vom Krieg in der Ukraine Betroffenen unterstützen möchte, kann einfachere Nachweispflichten nutzen: Als Spendenquittung ist – unabhängig von der Höhe der Spende – der Bareinzahlungsbeleg auf ein dafür eingerichtetes inländisches Sonderkonto ausreichend oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstituts. Die Spende kann dann als Sonderausgabe in der Steuererklärung geltend gemacht werden.
Ebenfalls noch bis Ende des Jahres ist eine Arbeitslohnspende möglich. Hierbei verzichten Sie als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin auf einen Teil Ihres Arbeitslohns und der Arbeitgeber zahlt diesen Betrag auf das Spendenkonto einer Hilfsorganisation. Ein Vorteil für Sie: Auf diesen Teil des Lohns fällt keine Lohnsteuer an. Stattdessen wird der Arbeitgeber in die Pflicht genommen: Er muss die Verwendungsauflage erfüllen, die Spende dokumentieren und den Vorgang im Lohnkonto aufzeichnen.
Auch Unternehmen können bis 31.12.2022 von Erleichterungen profitieren: die unentgeltliche Bereitstellung von Gegenständen oder Personal, z.B. an Hilfsorganisationen, unterliegt ausnahmsweise nicht der Umsatzsteuer. Der Vorsteuerabzug ist aber weiterhin möglich. Voraussetzung ist, dass die unterstützte Einrichtung einen unverzichtbaren Einsatz zur Bewältigung der Auswirkungen bei den vom Krieg Geschädigten leistet. Auch Sponsoring wird gefördert. Die Aufwendungen zur Unterstützung von durch den Krieg Betroffenen können als Betriebsausgaben angesetzt werden. Hierfür muss der Unternehmer wirtschaftliche Vorteile für sein Unternehmen erstreben, z.B. indem er auf seine Sponsoring-Leistung öffentlichkeitswirksam aufmerksam macht.
Photovoltaik-Anlagen
Sonnige Zeiten warten auf Betreiber kleiner Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen): Das Jahressteuergesetz 2022 sieht vor, Einnahmen aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen mit einer installierten Gesamtbruttoleistung von bis zu 30 kW auf Einfamilienhäusern oder nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden (z.B. Gewerbeimmobilie, Garagenhof) rückwirkend zum 1.1.2022 steuerfrei zu stellen. Die Anlage darf dann auch auf Nebengebäuden, wie Dächern von Garagen und Carports, installiert sein. Die Steuerbefreiung soll unabhängig von der Verwendung des erzeugten Stroms gelten.
Eine Steuerbefreiung gibt es darüber hinaus auch für PV-Anlagen auf Mehrfamilienhäusern und gemischt genutzten Gebäuden mit Wohn- und Gewerbeeinheiten. Sie wird bis zu einer Anlagengröße von 15 kW pro Wohn- und Gewerbeeinheit gewährt. Damit profitieren auch Privatvermieter, Wohnungseigentümergemeinschaften, Genossenschaften und Vermietungsunternehmen.
Gedeckelt ist die Befreiung auf höchstens 100 kW pro Steuerpflichtigen oder Mitunternehmerschaft.
Besonders erfreulich: Im Zuge des Bundestagsverfahrens wurden – wie seitens des DStV angeregt – auch die Regelungen des Gewerbesteuergesetzes so angepasst, dass das Betreiben solcher kleinen PV-Anlagen keine IHK-Mitgliedschaft auslöst.
Arbeiten von Zuhause wird noch attraktiver
Die Arbeitswelt hat sich coronabedingt in den letzten Jahren stark gewandelt. Das Arbeiten von Zuhause ist für viele Alltag geworden. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möchten auch zukünftig regelmäßig im Homeoffice tätig werden. Dies nimmt der Gesetzgeber zum Anlass und plant zum 01.01.2023 in punkto häusliches Arbeitszimmer und Homeoffice im Jahressteuergesetz 2022 einige Änderungen: Steuerpflichtige können künftig einen jährlichen Pauschbetrag i.H.v. 1.260 € für ihr häusliches Arbeitszimmer geltend machen. Bildet dieses jedoch den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit, können weiterhin die tatsächlichen Kosten abgezogen werden.
Ihre Arbeitsumgebung erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Arbeitszimmer-Pauschale? Die gute Nachricht: Auch die Homeoffice-Pauschale erhält ein Refreshing. Sie wird nicht nur entfristet, sondern darüber hinaus ab 2023 auf 6 € je Tag angehoben, max. 1.260 € jährlich. Dies entspricht 210 Arbeitstagen. Eine weitere Erleichterung ist, dass die Tätigkeit zukünftig nur überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt werden muss, um die Tagespauschale ansetzen zu können. Somit ist ein Abzug von Reisekosten und Homeoffice-Pauschale am gleichen Tag grundsätzlich möglich.
Neue Verdienstgrenze für Mini-Jobber
Erfreulich für Minijobber: Der Mindestlohn ist erneut gestiegen und beträgt seit 01.10.2022 12 € pro Stunde. Arbeitgeber, deren Minijobber bisher unter dieser Stundenlohn-Grenze lagen, mussten die Löhne ab Oktober 2022 anpassen. Auch die Verdienstgrenze wurde mit Wirkung ab 01.10.2022 auf nunmehr 520 € erhöht, d.h. bis zu diesem monatlichen Einkommen liegt keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor. Grundsätzlich gilt: Arbeitgeber sollten die Arbeitszeit ihrer Minijobber im Blick behalten und ggf. neu abstimmen, damit die Verdienstgrenze nicht überschritten wird.
Möglichkeiten zur Abschreibung ändern sich teilweise
Ebenfalls im Jahressteuergesetz 2022 vorgesehen: Bei der Abschreibung für Wohngebäude wird der lineare AfA-Satz auf 3% erhöht. Die Anhebung soll – entgegen den ursprünglichen Planungen – bereits für Wohngebäude mit Fertigstellung ab 01.01.2023 greifen.
Die von der Bundesregierung ursprünglich beabsichtigte Streichung der Möglichkeit, für die Gebäude-AfA in begründeten Ausnahmefällen eine tatsächlich kürzere Nutzungsdauer nachzuweisen, hat der Bundestag nicht umgesetzt.
Noch bis Ende des Jahres: degressive Abschreibung möglich
Die im Zuge der steuerlichen Corona-Hilfsmaßnahmen wieder eingeführte degressive Abschreibung wurde bis 31.12.2022 verlängert werden. Dies bedeutet: Unternehmen können für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Jahr 2022 angeschafft oder hergestellt wurden, noch bis Ende des Jahres wählen, ob sie diese linear, d.h. in gleichbleibenden Jahresbeträgen, oder degressiv abschreiben. Im Fall der degressiven Abschreibung ist die Abschreibung in den ersten Jahren höher als bei der linearen Abschreibung. Die Steuerlast wird folglich in diesen Jahren gemindert.
Wahlrecht für Rechnungsabgrenzungsposten
Bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich sorgen Rechnungsabgrenzungsposten dafür, dass Ausgaben und Einnahmen dem Wirtschaftsjahr zugeordnet sind, in das sie wirtschaftlich gehören. An sich eine gute Sache. Bei unbedeutenden Kleinbeträgen führt dies aber zu bürokratischem Mehraufwand, der leicht zu vermeiden wäre. Der Bundestag hat daher mit dem Jahressteuergesetz 2022 nun Erleichterungen beschlossen: Aktive und passive RAP sollen bereits für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2021 enden, nur noch gebildet werden müssen, wenn die einzelnen Einnahmen bzw. Ausgaben die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (aktuell 800 €) überschreiten. Betroffene können selbst entscheiden, ob sie diese Vereinfachung in Anspruch nehmen möchten. Sie müssen dies dann nur einheitlich für sämtliche Abgrenzungsfälle tun.
Schonfrist für Offenlegung von Jahresabschlüssen 2021 von Kapitalgesellschaften
Angesichts der weiterhin überaus angespannten Lage in den Unternehmen und Kanzleien hatte sich DStV-Präsident StB Torsten Lüth jüngst wiederholt an den Bundesminister für Justiz gewandt und eine Fristverlängerung gefordert. Nun können Kanzleien und Unternehmen mit Blick auf die Offenlegung der Jahresabschlüsse 2021 etwas aufatmen: Das Bundesamt für Justiz wird in Abstimmung mit dem Bundesministerium der Justiz gegen Unternehmen, deren gesetzliche Frist zur Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen für das Geschäftsjahr mit dem Bilanzstichtag 31.12.2021 am 31.12.2022 endet, vor dem 11.04.2023 kein Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB einleiten.
Fristen für Steuererklärungen
Für das Einreichen der Steuererklärungen für das Jahr 2022 haben Steuerpflichtige noch bis zum 30.09.2023 Zeit. Wird ein Steuerberater hinzugezogen, verlängert sich der Abgabezeitraum sogar bis zum 31.07.2024. Sie haben die Steuererklärung für das Jahr 2021 noch nicht eingereicht? Abgabefrist war hier der 31.10.2022. Doch keine Panik – wenn Sie sich die Unterstützung eines Steuerberaters suchen, bleibt Ihnen noch bis 31.08.2023 Zeit für eine fristgerechte Einreichung.
Fristverlängerung bei der Grundsteuer
Grundstückseigentümer waren in diesem Jahr aufgefordert, bis Ende Oktober 2022 die Erklärungen zur Feststellung der Grundsteuerwerte zum ersten Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022 zu übermitteln. Kurz vor knapp hatten sich Bund und Länder jedoch verständigt, den Steuerpflichtigen eine Fristverlängerung zu gewähren: Nun bleibt bis zum 31.01.2023 Zeit, alle Daten elektronisch einzusenden. Anschließend wird die Finanzverwaltung zum 01.01.2025 die Grundsteuer neu berechnen. Hintergrund ist die Grundsteuerreform, die eine bundesweite Neubewertung aller Grundstücke auf den Stichtag 01.01.2022 vorsieht.
Höhere Erbschaft- und Schenkungsteuer durch neue Grundbesitzbewertung
Die Grundbesitzbewertung im Bewertungsgesetz soll mit Blick auf die neue Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) zum Jahreswechsel angepasst werden. Mit der neuen ImmoWertV soll sichergestellt werden, dass Bodenrichtwerte und weitere Daten bundesweit nach einheitlichen Grundsätzen ermittelt werden. Dies dürfte zur Folge haben, dass u.U. Grundbesitz steuerlich höher bewertet, wird als bislang.
In diesem Kontext wurde im Bundestagsverfahren zum Jahressteuergesetz 2022 intensiv die Anhebung der Freibeträge im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht diskutiert. Diese Anpassung setzte sich allerdings schlussendlich nicht durch. Abzuwarten bleibt die Reaktion des Bundesrats Mitte Dezember.
Eigenheimrenten-Förderung auch für energetische Maßnahmen
Angespartes und steuerlich gefördertes Altersvorsorgevermögen darf derzeit für die unmittelbare Anschaffung oder Herstellung einer selbst genutzten Wohnung, zur Entschuldung der selbst genutzten Wohnimmobilie oder für Umbauten zum Barrierenabbau genutzt werden. Künftig soll, so das Jahressteuergesetz 2022, die Eigenheimrenten-Förderung auch für energetische Aufwendungen bei selbst genutzten Wohnungen in Anspruch genommen werden dürfen – allerdings erst ab 01.01.2024. Dazu würde z.B. die Wärmedämmung von Wänden und Dachflächen, die Erneuerung von Fenstern und Außentüren oder die Erneuerung der Heizungsanlage zählen.
DStV-Forderung erfüllt: Verlängerung der Offenlegungsfrist für Jahresabschlüsse 2021 ist da!
Die deutsche Wirtschaft befindet sich mitten im dritten Krisenjahr. Gerade für kleine und mittlere Kanzleien sind die Belastungen erdrückend. DStV-Präsident Lüth wandte sich daher jüngst mit einem Brandbrief an Bundesjustizminister Dr. Buschmann. Das Bundesamt für Justiz reagierte in Abstimmung mit dem BMJ prompt: Die vom DStV geforderte Verlängerung der Offenlegungsfrist für die Jahresabschlüsse 2021 haben sie nun erklärt.
Angesichts der aktuell weiterhin überaus angespannten Lage in den Unternehmen und Kanzleien hatte sich DStV-Präsident StB Torsten Lüth jüngst wiederholt an den Bundesminister für Justiz, MdB Dr. Marco Buschmann, gewandt.
Kern seiner Botschaft: Es ist auch in diesem Jahr dringend geboten, die Sanktionen bei verspäteter Offenlegung der Jahresabschlüsse 2021 für Kapitalgesellschaften kurzfristig auszusetzen. Die Schonfrist müsse bis Ende Mai 2023 verlängert werden.
Kein Ordnungsgeldverfahren für das Geschäftsjahr 2021 vor dem 11.4.2023
Frühzeitig – im Vergleich zum Vorjahr – gab das Bundesamt für Justiz am 30.11.2022 auf seiner Internetseite bekannt:
„Das Bundesamt für Justiz wird in Abstimmung mit dem Bundesministerium der Justiz gegen Unternehmen, deren gesetzliche Frist zur Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen für das Geschäftsjahr mit dem Bilanzstichtag 31.Dezember 2021 am 31. Dezember 2022 endet, vor dem 11. April 2023 kein Ordnungsgeldverfahren nach § 335 des Handelsgesetzbuchs einleiten. Damit sollen angesichts der anhaltenden Nachwirkungen der Ausnahmesituation der COVID-19-Pandemie die Belange der Beteiligten angemessen berücksichtigt werden.“
Toxische Kombination: Hohes Arbeitsaufkommen und steigender Krankenstand
Bereits zum dritten Mal in Folge hätten kleine und mittlere Steuerberatungskanzleien sonst sprichwörtlich zum „Jahresendspurt“ ansetzen und mit der Aussicht auf eine Vielzahl von Überstunden durch die Advents- und Weihnachtszeit hecheln müssen. Der Grund: D ie Jahresabschlüsse 2021 von Kapitalgesellschaften müssen grundsätzlich bis Ende 2022 veröffentlicht werden. Die Zeit drängte, denn mit Verstreichen der Frist drohen erhebliche Ordnungsgelder.
DStV-Präsident Lüth schilderte in seinem Brandbrief an Bundesminister Dr. Buschmann eindringlich: Die Schreibtische sind mit den Corona-Schlussabrechnungen und KUG-Schlussprüfungen prall gefüllt. Zudem mussten und müssen die Kanzleien bereits viel Zeit in Beratungen und Abwicklungen rund um die Energiepreispauschale investieren. Die Beratungen im Zusammenhang mit der Besteuerung der Gaspreisbremse stehen vor der Tür. Diese Situation dürfte sich in den kommenden Wochen noch deutlich verschärfen, denn zeitgleich zum hohen Arbeitsaufkommen und den steigenden Mandantenanfragen gehen auch die Arbeitsausfälle infolge des heftigen Grippe-und RSV-Geschehens drastisch in die Höhe. Eine Kombination, die den mittlerweile krisenerprobten Unternehmen und Kanzleien erneut viel abverlangt.
ls wichtiges Entlastungsventil hatten sich bereits 2020 und 2021 die durch das Bundesamt für Justiz in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium der Justiz beschlossenen „Schonfristen“ zur Veröffentlichung der Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften erwiesen. Mit der erneuten Verlängerung der Sanktions-Schonfrist für die Veröffentlichung der Jahresabschlüsse 2021, wonach kein Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB vor dem 11.04.2023 eingeleitet wird, können Kanzleien und Unternehmen nun auch in diesem Jahr etwas aufatmen.
Stand: 31.11.2022
DStV beanstandet unausgewogene Pläne zur Modernisierung der Betriebsprüfung
Das Gesetzgebungsvorhaben zur Modernisierung der Betriebsprüfung ist im Deutschen Bundestag angelangt. Der DStV ist unzufrieden mit der geplanten Ausgestaltung. Er warnte maßgebliche MdB im Austausch und als Sachverständiger in der Anhörung des Finanzausschusses u.a. vor neuen Drohkulissen.
Bei der Ankündigung der Modernisierung der Betriebsprüfung haben Steuerpflichtige und deren Berater Großes gehofft: In erster Linie, dass die Prüfung näher an die geprüften Zeiträume rückt. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) leiden unter der aktuell oft erst zeitverzögerten Prüfung. Statt einer groß angelegten Reform knüpfen die Neuerungen aber an das bestehende System an.
In Gesprächen mit MdB StB Markus Herbrand (finanzpolitischer Sprecher der FDP) und MdB Sascha Müller (Bündnis 90/Die Grünen, Finanzausschuss) zeigte StB Torsten Lüth, Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. (DStV), auf, dass KMU deutlich weniger als große Unternehmen von den Änderungen profitieren dürften. Stattdessen sähen sie und die kleinen und mittleren Kanzleien sich neuen Risiken ausgesetzt. Im Hearing des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags und in seiner Stellungnahme S 16/22 zum Regierungsentwurf (BT-Drs. 20/3436) forderte der DStV daher unter anderem folgende Nachbesserungen.
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen entschärfen
Ein Dorn im Auge ist dem DStV die Ausgestaltung des qualifizierten Mitwirkungsverlangens. Zur Beschleunigung der Betriebsprüfung soll das Druckmittel den Steuerpflichtigen zur Mitwirkung anhalten. Kommt er der Anordnung des Prüfers „nicht“ oder „nicht vollständig“ nach, sollen ihn scharfe Sanktionen treffen: ein automatisch festgesetztes Mitwirkungsverzögerungsgeld von 100 € pro Tag, ggf. weitere Zuschläge und eine automatische Verlängerung der Ablaufhemmung mindestens um ein Jahr.
Mit deutlichen Worten bemängelte der DStV in der Anhörung, dass der Prüfer das Instrument ohne vorheriges Fehlverhalten des Unternehmers einsetzen könne. Ebenso kritisch: Die Beurteilung, ob die gelieferten Informationen vollständig sind, läge in der Hand des Prüfers. Gerade für kleine Unternehmen könne zudem die fixe Geldbuße von 100 € pro Tag sehr belastend sein. Das Instrument müsse entschärft werden. Als Lösung zeigte der DStV verschiedene Anknüpfungspunkte auf: Das Instrument solle erst bei „Wiederholungstätern“ greifen. Nur wenn der Unternehmer gar nicht mitwirke, sei es gerechtfertigt. Der Fallbeileffekt des Verzögerungsgeldes und die fixe Höhe des Betrags müssten durch ein Ermessen des Prüfers abgemildert werden. Dies schaffe die notwendige Flexibilität, um dem Einzelfall gerecht zu werden – so der DStV.
Verkürzte Ablaufhemmung: Nutzen für KMU?
Der Regierungsentwurf sieht vor, die Frist zur Ablaufhemmung an die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung zu knüpfen. Zudem begrenzt er die Ablaufhemmung auf fünf Jahre. Dieser Ansatz ist zwar grundsätzlich gut. Jedoch reicht er nicht aus, um die gerade für KMU wichtige frühzeitige Rechtssicherheit zu erreichen. Der DStV strich heraus, dass bei ihnen die Prüfungen regelmäßig nicht länger als bis zu 1,5 Jahren dauern. Insofern profitierten KMU von der Verkürzung nicht. Für sie müsste ergänzend die Festsetzungsfrist von aktuell vier auf zwei Jahre verkürzt werden.
In der Anhörung wurde deutlich, dass die Begrenzung der Ablaufhemmung als die „Kehrseite“ des qualifizierten Mitwirkungsverlangens gesehen werde. Beide Seiten – Finanzverwaltung und Steuerpflichtige – müssten so jeweils ihren Beitrag zur Beschleunigung der Betriebsprüfung beitragen. Der DStV widersprach dieser Gleichung: Das belastende Instrument könne KMU treffen, ohne dass bei ihnen die Verkürzung einen Mehrwert bringe. Hätte der Gesetzgeber dem Gedanken des Gebens und Nehmens zielgenauer Rechnung tragen wollen, hätte er das qualifizierte Mitwirkungsverlangen etwa gesetzlich so gestalten können, dass der Prüfer es erst im vierten oder fünften Jahr der Ablaufhemmungsfrist einsetzen darf – so der DStV in der Anhörung.
Innergemeinschaftliche Lieferungen: Steuerbefreiung auch bei einer verspäteten Zusammenfassenden Meldung (ZM)
| Kehrtwende der Finanzverwaltung: Eine zu spät abgegebene ZM hat doch nicht die finale Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung zur Folge. |
Eine grenzüberschreitende Lieferung innerhalb der EU (innergemeinschaftliche Lieferung) ist grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Dies gilt jedoch ab 2020 nicht, wenn der Unternehmer seiner Pflicht zur Abgabe der ZM nicht nachgekommen ist oder soweit er diese im Hinblick auf die jeweilige Lieferung unrichtig oder unvollständig abgegeben hat.
Nach § 18a Abs. 10 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist eine fehlerhafte ZM innerhalb eines Monats zu berichtigen, wenn der Unternehmer nachträglich erkennt, dass die von ihm abgegebene ZM unrichtig oder unvollständig ist. Bisher versagte die Verwaltung die Steuerfreiheit final, wenn keine ZM abgegeben oder eine fehlerhaft abgegebene ZM nicht innerhalb der Monatsfrist korrigiert wurde.
Nach der neuen Sichtweise der Finanzverwaltung gilt: Wird eine nicht fristgerecht abgegebene ZM erstmalig für den betreffenden Meldezeitraum richtig und vollständig abgegeben, liegen in diesem Zeitpunkt erstmals die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vor. Die erstmalige Abgabe und die Berichtigung einer fehlerhaften ZM innerhalb der Festsetzungsfrist entfalten für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung.
Beachten Sie | Allerdings schließt die rückwirkende Gewährung der Steuerbefreiung im Veranlagungsverfahren ein Bußgeldverfahren durch das Bundeszentralamt für Steuern nicht aus.
Quelle | BMF-Schreiben vom 20.5.2022, Az. III C 3 - S 7140/19/10002: 011, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 230059
Veräußerungsgewinn für gemischt genutzten Pkw voll steuerpflichtig?
| Fast jeder Betriebsinhaber nutzt einen dem Betriebsvermögen zugeordneten Pkw zum Teil privat. Wird der Pkw verkauft, muss der komplette Veräußerungsgewinn versteuert werden – und zwar auch für den privat genutzten Anteil. Hierzu ist aber nun eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig. |
Nutzen Unternehmer einen Pkw zu mindestens 10 % für betriebliche Zwecke, dann haben sie die Wahl: Sie können den Pkw als gewillkürtes Betriebsvermögen oder als Privatvermögen behandeln. Wird der Pkw zu mehr als 50 % betrieblich genutzt, handelt es sich zwangsläufig in vollem Umfang um Betriebsvermögen. Das wirkt sich wie folgt aus:
• Sämtliche Kfz-Kosten sind als Betriebsausgaben abzugsfähig (Abschreibung, Treibstoff etc.).
• Der Anteil der privaten Mitbenutzung ist als Entnahme zu versteuern.
Wird der dem Betriebsvermögen zugeordnete, teilweise privat genutzte Pkw veräußert, unterliegt der gesamte Veräußerungsgewinn (= Unterschiedsbetrag aus Buchwert und Veräußerungserlös) der Besteuerung. Der Bundesfinanzhof hat das jüngst bestätigt: Dass die tatsächlich für den Pkw beanspruchte Abschreibung infolge der Besteuerung der Nutzungsentnahme bei wirtschaftlicher Betrachtung teilweise neutralisiert wird, rechtfertigt
• weder eine nur anteilige Berücksichtigung des Verkaufserlöses bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns
• noch eine gewinnmindernde Korrektur des Veräußerungsgewinns in Höhe der auf die private Nutzung entfallenden Abschreibung.
Beachten Sie | Diese ungünstige Rechtsprechung steht nun auf dem Prüfstand beim Bundesverfassungsgericht.
Quelle | BFH-Urteil vom 16.6.2020, Az. VIII R 9/18; BVerfG Az. 2 BvR 2161/20
Vorsteuer-Vergütungsverfahren: Anträge sind bis zum 30.9.2022 zu stellen
| Wurden Unternehmer in 2021 im EU-Ausland mit ausländischer Umsatzsteuer belastet und möchten sie diese erstattet haben, muss der Antrag bis zum 30.9.2022 in elektronischer Form beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eingehen. |
Die EU-Mitgliedstaaten erstatten inländischen Unternehmern, die vorsteuerabzugsberechtigt sind, unter bestimmten Voraussetzungen die dort gezahlte Umsatzsteuer. Ist der Unternehmer im Ausland für umsatzsteuerliche Zwecke nicht registriert, kann er die Vorsteuerbeträge durch das Vorsteuer-Vergütungsverfahren geltend machen.
Folgende Voraussetzungen sind u. a. zu beachten:
• Der Antrag ist elektronisch über das BZStOnline-Portal (BOP) beim BZSt einzureichen. Papieranträge sind unzulässig.
• Der Vergütungsantrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist – also bis zum 30. September. Für die Einhaltung dieser Frist genügt der rechtzeitige Eingang des Vergütungsantrags beim BZSt.
• Die beantragte Vergütung muss mindestens 400 EUR oder einen entsprechend in Landeswährung umgerechneten Wert betragen. Bei einem Vergütungszeitraum, der das Kalenderjahr oder der letzte Zeitraum des Kalenderjahrs ist, muss die beantragte Vergütung mindestens 50 EUR betragen.
Das BZSt entscheidet über die Weiterleitung des Antrags an den Mitgliedstaat der Erstattung innerhalb von 15 Tagen. Lehnt das BZSt nach Prüfung des Antrags die Weiterleitung ab, erhält der Antragsteller einen Bescheid an die im Antrag angegebene Anschrift.
Praxistipp | Ob sich der administrative Aufwand lohnt, hängt sicherlich primär von der Höhe der gezahlten Vorsteuern ab. Weitere Einzelheiten erfahren Sie unter www.iww.de/s6495.
Grundsteuerreform: Hintergründe und einleitende Informationen
Die Grundsteuer ist eine Steuer auf das Eigentum von Grund und Boden oder Erbbaurechten an inländischen Grundstücken und deren Bebauung, die der Eigentümer zu zahlen hat. Bei vermieteten Immobilien kann die Grundsteuer auf den Mieter umgelegt werden.
Erhoben wird die Steuer durch die Gemeinden mit dem jeweils von der Gemeinde festgelegten Hebesatz. Basis dafür ist der Grundsteuermessbetrag, dem wiederum der sogenannte Einheitswert des zu besteuernden Eigentums als Bemessungsgrundlage zugrunde liegt.
Im April 2018 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die sogenannte Einheitsbewertung zur Ermittlung der Grundsteuer verfassungswidrig ist. Das war nicht überraschend, basieren doch die Einheitswerte aus einer Bewertung aus dem Jahr 1964 und in den neuen Bundesländern (inkl. dem ehemaligen Ostteil Berlins) sogar von 1935.
Auf den Stichtag 01.01.2022 müssen nun bundesweit alle von der Steuerpflicht betroffenen Grundstücke für Grundsteuerzwecke neu bewertet werden. In einem typisierten Verfahren und abhängig von der Rechtslage im jeweiligen Bundesland setzen die Finanzämter die Bemessungsgrundlage neu fest. Dieser Wert – künftig Grundsteuerwert genannt – ersetzt den alten Einheitswert und wird erstmals ab 2025 Erhebungsgrundlage der neuen Grundsteuer. Bis Ende 2024 bleibt das bisherige Verfahren mit der alten Steuerfestsetzung gültig.
Für die neue Berechnung konnten die Länder zwischen dem sog. „Bundesmodell“ oder landesindividuellen Modell wählen. Berlin und Brandenburg folgen, wie die meisten Länder, dem „Bundesmodell“; Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und Niedersachsen haben sich für eine abweichende Lösung entschieden. Für die rund 800.000 Berliner Grundstücke sowie die 1,8 Mio. Grundstücke in Brandenburg bedeutet das, dass sie sämtlich basierend auf Grundstücksfläche, Bodenrichtwert, Bruttogeschossfläche, Immobilienart, Nettokaltmiete, Gebäude- und Wohnfläche sowie Baujahr neu bewertet werden müssen, um den Grundsteuerwert zu ermitteln.
Dies betrifft alle
• vermieteten oder verpachteten Grundstücke, sowie auch solche, die
• selbst oder betrieblich genutzt oder
• unentgeltlich überlassen werden.
Die Erklärungspflicht trifft dabei stets den Eigentümer, auch in Fällen, in denen ein Nießbrauch vorbehalten ist. Ab dem 1. Juli 2022 müssen dann die Erklärungen von den Eigentümern oder uns, Ihren Steuerberaterinnen und Steuerberatern, online abgegeben werden. Die Abgabefrist endet bereits am 31. Oktober 2022, so dass bereits jetzt bereits mit der Beschaffung der erforderlichen Werte begonnen werden kann und sollte.
Die ermittelten Daten werden die Basis bilden für die weiteren Hauptfeststellungen, die dann alle sieben Jahre erfolgen sollen. Die bislang genutzte dreistufige Berechnung und Erhebung der Grundsteuer wird fortgeführt (Grundsteuerwert x Messzahl x Hebesatz).
Dabei sollen nach dem geäußerten Wünschen der Politik die Hebesätze derart ins Verhältnis zueinander gesetzt werden, dass Aufkommensneutralität gewährleistet ist, denn die Reform der Grundsteuer soll insgesamt zu keiner Erhöhung des Steueraufkommens führen. Es ist aber wahrscheinlich, dass sich die Grundsteuer im Einzelfall erhöht oder mindert.
Betriebsprüfung
Eine dritte Anschlussprüfung kann rechtmäßig sein
| Jenseits der Routine- und Zufallsprüfungen ist die Prüfungsbedürftigkeit das alleinige und ausschlaggebende sachliche Kriterium für eine anlassbezogene Prüfung eines Steuerpflichtigen und sowohl für die erstmalige Prüfungsanordnung als auch für weitergehende Anschlussbetriebsprüfungen der alleinige Entscheidungsmaßstab für die Ausübung des Auswahlermessens durch die Finanzverwaltung (FG Köln 9.10.20, 3 K 2390/18, NZB BFH VIII B 130/20). |
Zwischen dem klagenden Wp/StB (Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG) und dem FA war die Rechtmäßigkeit einer gegenüber dem Kläger erlassenen Prüfungsanordnung für eine dritte Anschlussprüfung streitig. Nach Auffassung des FG enthielt die Prüfungsanordnung jedoch keine Ermessensfehler i. S. d. § 102 S. 1 FGO und war insbesondere nicht unverhältnismäßig bzw. verstieß nicht gegen das Schikane- oder Willkürverbot.
Insbesondere war das FA jedoch ‒ ungeachtet der Frage, ob jedenfalls ab der dritten Anschlussprüfung die Finanzbehörde die Ausübung ihres Auswahlermessens sachgerecht begründen muss ‒ einem solchen (vermeintlichen) Begründungserfordernis sowohl in der Anlage zur Prüfungsanordnung als auch in der Einspruchsentscheidung in ausreichendem Umfang nachgekommen. Denn es hatte insoweit in aller Deutlichkeit dargelegt, was die Gründe für die Anordnung einer weiteren Betriebsprüfung beim Kläger waren. Die in den Vorprüfungen, insbesondere der Letzteren, festgestellten Vorgänge hatten derartig vielfältige Fragen mit erheblichen steuerlichen Auswirkungen aufgeworfen, dass es das FA zu Recht als notwendig erachten musste, auch die Folgejahre im Einzelnen zu überprüfen.
KANZEIUMZUG – Bitte beachten Sie unsere neuen Kontaktdaten
Mit Datum vom 30.5.2022 hat unsere Kanzlei eine neue Adresse und befindet sich nunmehr in der Danckelmannstraße 9d, 14059 Berlin, gemeinsam mit der Steuerkanzlei des Kollegen Dirk Müller.
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Dem Steuerpflichtigen steht grundsätzlich ein Anspruch auf Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren zu.
Die DSGVO findet auch auf direkte Steuern Anwendung.
Aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. dem Prozessgrundrecht gemäß Art. 19 Abs. 4 GG und dem nunmehr in Art. 41 II lit. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) ausdrücklich verankerten Recht auf Gehör folgt grundsätzlich ein Akteneinsichtsrecht, welches die Finanzbehörde mit dem Schutz Dritter und ihrem Ermittlungsinteresse sowie ihrem Verwaltungsaufwand abzuwägen hat.
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Die Bestandskraft des Steuerbescheides steht dem Akteneinsichtsrecht hierbei nicht grundsätzlich entgegen.
Die DSGVO ist im Bereich der Steuerverwaltung auch bei der Verwaltung der direkten Steuern anwendbar.
Dem Steuerpflichtigen steht ein Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO zu. Die konkrete Ausgestaltung liegt im Ermessen der Finanzbehörde.
Die Gewährung von Akteneinsicht kann sich als die zweckmäßigste Form der Auskunftserteilung erweisen.
Niedersächsisches Finanzgericht 7. Senat, Urteil vom 18.03.2022, 7 K 11127/18, ECLI:DE:FGNI:2022:0318.7K11127.18.00
Art 15 EUV 2016/679, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG
TATBESTAND
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Die Beteiligten streiten darum, ob die Kläger einen Anspruch auf Akteneinsicht in die für sie beim Beklagten für das Jahr 2015 geführte Einkommensteuerakte und ob sie insoweit einen Anspruch auf Auskunftserteilung nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) haben.
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Die Einkommensteuererklärung 2015 wurde von der Steuerberatung X (früherer Steuerberater) für die Kläger eingereicht. Der Bescheid wurde an den früheren Steuerberater bekanntgegeben und ist bestandskräftig.
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Mit Schriftsatz vom 10. April 2018 beantragten die Kläger bei dem Beklagten Akteneinsicht in ihre Einkommensteuerakte. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 4. Mai 2018 ab. Den Einspruch der Kläger hiergegen wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2018 als unbegründet zurück.
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Die Abgabenordnung (AO) enthalte, anders als andere Verfahrensordnungen wie z.B. § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) und § 147 der Strafprozessordnung (StPO), für welche das Verwaltungsverfahren einen Anspruch auf Gewährung von Einsicht in die Verfahrens- und Ermittlungsakten vorsehe, keine derartige Regelung im steuerlichen Verwaltungsverfahren. Ein solches Einsichtsrecht sei weder aus § 91 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) und dem hierzu ergangenen AO-Anwendungserlass (AEAO) der Verwaltung Nr. 4 noch aus § 364 AO und dem dazu ergangenen AEAO abzuleiten. Der Steuerpflichtige habe jedoch ein Recht darauf, dass die Finanzbehörde über seinen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht während eines Verwaltungsverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen entscheide.
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Der Steuerpflichtige müsse im Rahmen seines Antrags auf Akteneinsicht sein berechtigtes Interesse darlegen, wobei sein Gesuch in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gegenstand des steuerlichen Verfahrens stehen müsse.
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Ein berechtigtes Interesse könne bei einem Beraterwechsel vorliegen, soweit nur im Wege der Akteneinsicht Besteuerungsvorgänge nachvollzogen oder durch Fotokopie wichtiger Unterlagen die Grundlagen für die Erfüllung steuerlicher Mitwirkungspflichten erfüllt werden könnten.
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Vorliegend sei der frühere Steuerberater für die Einkommensteuerveranlagung 2015 einschließlich der Entgegennahme der Bescheiderteilung bevollmächtigt gewesen. Für die Änderungen der Höhe des Gewinns hinsichtlich der selbständigen Tätigkeit der Ehefrau im Vergleich zum erklärten Gewinn sei dem damaligen Bevollmächtigten zuvor rechtliches Gehör gewährt worden, was auch den Klägern gegenüber wirke. Die diesbezüglichen Abweichungen seien im Erläuterungsteil des Einkommensteuerbescheides 2015 dem Grunde und der Höhe nach derart detailliert dargelegt, dass dieser Besteuerungsvorgang bereits aus dem Erläuterungsteil nachvollzogen werden könne. Einer Akteneinsichtnahme bedürfe es insoweit nicht.
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Des Weiteren könne aufgrund der Tatsache, dass der Prozessbevollmächtigte nur für das Einkommensteuerverfahren 2015 von den Klägern bevollmächtigt worden und dies zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, in welchem bereits Bestandskraft hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 2015 vom 19. Februar 2018 eingetreten gewesen sei und eine andere Steuerberaterin als der Prozessbevollmächtigte zur Erstellung der Einkommensteuererklärung 2016 seitens der Kläger beauftragt worden sei, nicht davon ausgegangen werden, dass der Antrag auf Akteneinsichtnahme in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gegenstand des steuerlichen Verfahrens gestellt worden sei, um einen Besteuerungsvorgang nachvollziehen zu können. Ansonsten hätte der Prozessbevollmächtigte zur Erstellung der Einkommensteuererklärung 2016 seitens der Kläger beauftragt werden müssen, um durch die begehrte Akteneinsichtnahme gegebenenfalls Rückschlüsse aus den gekürzten Betriebsausgaben des Jahres 2015 für Folgejahre ziehen zu können.
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Eine Einsicht in die Steuerakten zum Zwecke der Prüfung, ob Regressmöglichkeiten (welcher Art auch immer) bestehen würden, komme nicht in Frage, da es an einem inneren Zusammenhang mit dem Verwaltungsverfahren und damit an einem berechtigten Interesse der Kläger fehle.
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Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen sei aufgrund der bereits eingetretenen Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides 2015 vom 19. Februar 2018 vorliegend eine Ermessensreduzierung gen Null gegeben. Die Ausübung der Ermessensentscheidung hinsichtlich des vorliegenden Antrages auf Akteneinsicht sei aufgrund der Bestandskraft derart eingeschränkt, dass nur eine Ablehnung des Antrages auf Akteneinsicht in Betracht komme. § 91 Abs. 1 AO sehe vor, dass vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in die Rechte eines Steuerpflichtigen eingreife, diesem Gelegenheit gegeben werde, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Da der zugrundeliegende Einkommensteuerbescheid 2015 bereits bestandskräftig sei, komme eine Anhörung der Kläger nach dem Zeitpunkt der Bestandskraft nicht mehr in Betracht. Dem Antrag auf Akteneinsicht als Ausfluss des Anhörungsrechtes könne daher nicht stattgegeben werden.
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Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Klage vom 29. Mai 2018.
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Unter dem 23. September 2019 beantragten die Kläger beim Beklagten unter Berufung auf Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2, Abs. 2 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) die Einsicht in dieselbe Einkommensteuerakte. Das Beklagte lehnte auch diesen Antrag mit Bescheid vom 9. Oktober 2019 mit Hinweis auf das Steuergeheimnis Dritter sowie auf den Ausnahmetatbestand des § 32c Abs. 1 Nr. 3a AO ab.
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Hiergegen haben die Kläger gesondert unter dem 11. November 2019 Klage erhoben. Das Verfahren war bei dem 12. Senat unter dem Aktenzeichen 12 K 213/19 anhängig.
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Mit Urteil vom 28. Januar 2020 hat der 12. Senat die Klage abgewiesen, da weder die DSGVO noch § 2a AO unmittelbar oder analog einen Anspruch auf Akteneinsicht verleihen würden.
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Mit Gerichtsbescheid vom 8. Juni 2021, der als Urteil wirkt (Aktenzeichen II R 15/20) hat der Bundesfinanzhof (BFH) das Urteil 12 K 213/19 aufgehoben und an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Durch Präsidiumsbeschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 11. Januar 2022 wurde der 7. Senat für das Klageverfahren mit dem seinerzeitigen Aktenzeichen 12 K 213/19 (2. Rechtsgang) für zuständig erklärt. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 7 K 20/22 geführt.
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Mit Beschluss vom 21. Februar 2022 hat der Senat die Verfahren 7 K 11127/18 und 7 K 20/22 verbunden; die Verfahren werden unter dem Aktenzeichen 7 K 11127/18 fortgeführt.
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In der Sache machen die Kläger geltend, dass beabsichtigt sei, den früheren Steuerberater gegebenenfalls auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen. Voraussetzung hierfür sei, dass im Rahmen der Steuerfestsetzung Fehler gemacht worden seien. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung seien offenbar Rückfragen aufgetreten, die der frühere Steuerberater nur unzureichend beantwortet habe. Dies sei jedenfalls dem Erläuterungstext des Bescheides zu entnehmen. Es sei unerheblich, ob dem früheren Steuerberater seinerzeit rechtliches Gehör gewährt worden sei. Für die Kläger sei entscheidend, den Besteuerungsvorgang aktuell nachvollziehen zu können.
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Der Beklagte müsse im Rahmen der Ausübung des Ermessens nach § 5 AO die Interessen der Finanzverwaltung einerseits und die berechtigten Belange des Steuerpflichtigen andererseits gegeneinander abwägen. Auf Beklagtenseite sei damit im Wesentlichen das Interesse der Finanzverwaltung an einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang zu berücksichtigen. Insofern sei nicht ansatzweise ersichtlich, dass der ordnungsgemäße Geschäftsgang der Beklagten durch die Akteneinsicht der Kläger gestört werden würde, bzw. die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung beeinträchtigt wäre. Dies werde bezeichnenderweise nicht einmal von Beklagtenseite behauptet. Nach § 78 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bestehe für finanzgerichtliche Verfahren ohnehin ein Anspruch auf Akteneinsicht und es sei nicht sinnvoll, den Beteiligten wegen seines Akteneinsichtsgesuches in den Steuerprozess zu treiben.
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Den Klägern stehe weiterhin ein Anspruch auf Akteneinsicht nach Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2, Abs. 2 DSGVO zu. Denn ab dem 25. Mai 2018 bestehe für alle Steuerpflichtigen grundsätzlich ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht nach der DSGVO bei der Finanzbehörde. Es sei unerheblich, dass das Akteneinsichtsrecht nicht ausdrücklich in der DSGVO geregelt worden sei. Ein solcher Anspruch ergebe sich aus der Vorschrift selber, wonach ein Auskunftsanspruch über sämtliche verarbeiteten personenbezogenen Daten existiere. Auch sei der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO nicht nach Art. 2 Abs. 2 DSGVO ausgeschlossen. Zwar gelte die Verordnung grundsätzlich nur für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Anwendungsbereich des Unionsrechts, was bei nicht harmonisierten Steuern wie der Einkommen- oder Körperschaftsteuer zweifelhaft sei. Jedoch solle die DSGVO nach Auffassung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder zugunsten der Betroffenen entgegen der Gesetzeslage für sämtliche Steuerarten anwendbar sein. Dies lasse sich dem entsprechenden BMF-Schreiben vom 12. Januar 2018, BStBl. I 2018, 185 (Rz. 3 und 22) entnehmen. Darüber hinaus bestehe ein Anspruch der Kläger auf Informationszugang aus der Selbstbindung der Verwaltung. Hierbei handele es sich auch nicht um eine Ermessensentscheidung der jeweiligen Finanzbehörde.
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Der Beklagte könne sich auch nicht auf Ausnahmetatbestände berufen. Es stelle sich bereits die Frage, welche „Daten“ des früheren Steuerberaters im Streitfall zu schützen seien. Denn es handele sich bei dieser Kanzlei um die ehemaligen Steuerberater der Kläger, die insofern auch lediglich die Daten der Kläger, nicht jedoch ihre eigenen Steuerdaten übermittelt hätten. Die Berufung auf das Steuergeheimnis in § 30 AO gehe überdies fehl, weil es sich bei Geheimhaltungsvorschriften gerade nicht um die Regelung über den Zugang zu amtlichen Informationen handele, sondern um eine Regelung zu dessen Begrenzung. Über einen Anspruch des Steuerpflichtigen gegenüber der Finanzbehörde auf Mitteilung der über ihn gespeicherten Daten besage diese Vorschrift nichts. Auch würden die personenbezogenen Daten der Kläger selbstverständlich nicht ausschließlich aufgrund gesetzlicher Aufbewahrungsvorschriften gespeichert. Denn der Einkommensteuerbescheid 2015 sei nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig ergangen, sodass vorliegend nicht ausschließlich Aufbewahrungsvorschriften entsprochen werde. In diesem Zusammenhang komme es auch nicht entscheidend darauf an, ob der Einkommensteuerbescheid 2015 vom 19. Februar 2018 bereits bestandskräftig gewesen sei, als die Kläger einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt hätten. Denn insoweit bestehe unter anderem eine Korrekturmöglichkeit bzw. –verpflichtung nach § 153 AO. Hierzu sei allerdings ebenfalls Einsicht in die Einkommensteuerakte erforderlich.
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Die Kläger beantragen (sinngemäß),
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unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 4. Mai 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2018 und des Ablehnungsbescheids vom 9. Oktober 2019 den Beklagten zu verpflichten, ihnen Einsicht in die Einkommensteuerakte des Veranlagungszeitraums 2015 zu gewähren und den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO zu erfüllen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Unter Verweis auf die Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2018 und den Ablehnungsbescheid vom 9. Oktober 2019 trägt der Beklagte ergänzend vor, dass der Einkommensteuerbescheid 2015 bereits vor der Antragstellung auf Akteneinsicht bestandskräftig geworden sei. Zudem trage die Vertreterin der Kläger vor, dass die Akteneinsicht ausschließlich begehrt werde, um gegebenenfalls Schadenersatzansprüche gegen den vormaligen Steuerberater geltend machen zu können. Der Antrag auf Akteneinsicht stehe somit nicht unmittelbar in Zusammenhang mit dem Gegenstand eines steuerlichen Verfahrens, weshalb eine Akteneinsichtnahme nicht in Betracht komme. Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht scheitere bereits daran, dass das Verwaltungsverfahren mit der bestandskräftigen Steuerfestsetzung abgeschlossen sei. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte seinem Interesse an einer grundsätzlich bestehenden Geheimhaltung der Akten während des Verwaltungsverfahrens den Vorrang gegenüber dem Interesse des Steuerpflichtigen an der Beschaffung von Erkenntnissen für einen Regressprozess eingeräumt habe. Ebenso wie beim Anspruch nach § 364 AO gehe es auch bei dem Akteneinsichtsrecht um die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs der Verfahrensbeteiligten. Nach Abschluss des Verfahrens fehle es dem für dieses Verfahren erforderlichen Interesse an der Kenntnis der Unterlagen. Aus der bestehenden abgabenrechtlichen "Sonderverbindung" resultiere keine Treuepflicht zur Unterstützung verfahrensfremder Zwecke.
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Auch aus der seit dem 25. Mai 2018 gültigen DSGVO ergebe sich vorliegend kein Anspruch der Kläger auf Akteneinsicht. Insoweit greife zunächst der Ausnahmetatbestand nach Art. 23 Abs. 1 Buchstabe i DSGVO i.V.m. § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 32b Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 30 AO, da Daten dritter Personen, vorliegend die Daten des früheren Steuerberaters nach § 30 AO zu schützen seien. Im Falle der Geltendmachung von Regressansprüchen gegen den früheren Steuerberater durch die Kläger werde dieser zu einem Dritten i.S.d. § 30 AO. Dementsprechend unterlägen die Daten des früheren Steuerberaters dem Steuergeheimnis nach § 30 AO.
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Darüber hinaus greife auch der Ausnahmetatbestand des § 32c Abs. 1 Nr. 3a AO im Streitfall, da die personenbezogenen Daten in Form der streitbefangenen Unterlagen aufgrund der bereits eingetretenen Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides 2015 nur deshalb gespeichert (bzw. aufbewahrt) würden, weil sie aufgrund gesetzlicher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht (bzw. vernichtet) werden dürften.
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Der Bevollmächtigte hat am 21. Juni 2018 Akteneinsicht beim Beklagten genommen. Die Akteneinsicht wurde nicht hinsichtlich des vollständigen Akteninhalts für das Jahr 2015 gewährt. Dem Bevollmächtigten wurde lediglich der Akteninhalt ab dem Zeitpunkt des Antrages auf Akteneinsicht (Eingang beim Finanzamt am 11.04.2018) vorgelegt.
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Der Beklagte hat dem Gericht ebenfalls nur die Akte ab dem Zeitpunkt des Antrages auf Akteneinsicht übersandt.
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Wegen des weiteren Sachverhalts und Vorbringens wird auf den Inhalt der dem Gericht vorgelegten Akten, der gewechselten Schriftsätze, auch zum (vormaligen) Aktenzeichen 7 K 20/22 und zum Inhalt der Akte des Verfahrens zum Aktenzeichen 12 K 213/19 Bezug genommen.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die mündliche Verhandlung verzichtet.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
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Die Klage ist begründet.
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Der Ablehnungsbescheid vom 4. Mai 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2018 und der Ablehnungsbescheid vom 9. Oktober 2019 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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I.
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Der Beklagte hat ermessensfehlerhaft den Akteneinsichtsantrag vom 10. April 2018 abgelehnt.
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Die AO enthält - anders als andere Verfahrensordnungen wie z.B. § 29 des VwVfG und § 147 StPO - keine Regelung, nach der ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht. Der Gesetzgeber hat ein allgemeines Akteneinsichtsrecht im Steuerverwaltungsverfahren für nicht praktikabel gehalten, weil diesem Gesichtspunkte des Schutzes Dritter und das Ermittlungsinteresse der Finanzbehörden sowie der Verwaltungsaufwand der Finanzbehörde entgegenstünden, die vor jeder Akteneinsicht zu prüfen hätte, ob ein Geheimhaltungsinteresse Dritter beeinträchtigt sein könnte und dann das gesamte Kontrollmaterial, behördeninterne Vermerke und Anweisungen und Ähnliches aus den Akten zu entfernen hätte (BT-Drucks 7/4292, S. 24 f.).
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Ein solches allgemeines Einsichtsrecht ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH weder aus § 91 Abs. 1 AO noch aus § 364 AO abzuleiten.
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Gleichwohl geht der BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter jedenfalls ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Behörde zusteht, weil die Behörde nicht gehindert sei, in Einzelfällen Akteneinsicht zu gewähren (BFH Urteile vom 6. August 1965, VI 349/63 U, BStBl. III 1965, 675 und vom 7. Mai 1985, VII R 25/82, BStBl. II 1985, 571 sowie BFH-Beschlüsse vom 6. Oktober 1993, VIII B 121/92, BFH/NV 1994, 311; vom 26. Mai 1995, VI B 91/94, BFH/NV 1995, 1004 und vom 8. Juni 1995, IX B 168/94, BFH/NV 1996, 64). Grundlage dieses Anspruchs ist das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Prozessgrundrecht gemäß Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BFH-Urteile vom 19. März 2013, II R 17/11, BStBl. II 2013, 639, und vom 5. Oktober 2006, VII R 24/03, BStBl. II 2007, 243).
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Der Anspruch des Einsichtssuchenden auf fehlerfreie Ermessensentscheidung ist gewahrt, wenn die Behörde im Rahmen einer Interessenabwägung dessen Belange und die der Behörde gegeneinander abgewogen hat (BFH-Beschluss vom 04. Juni 2003, VII B 138/01, BStBl. II 2003, 790).
- 40
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Das Gericht kann eine solche behördliche Ermessensentscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht gemäß § 102 FGO nur daraufhin überprüfen, ob die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat, die Grenzen ihres Ermessens überschritten oder dieses Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise ausgeübt hat (BFH-Urteil vom 6. November 2012, VII R 72/11, BStBl. II 2013, 141).
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Der Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Stapperfend in Gräber, Kommentar zur FGO, 9. Auflage 2019, § 102 Rz 13 m.w.N.); vorliegend der Erlass der Einspruchsentscheidung am 25. Mai 2018, als Abschluss des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens.
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Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat der Beklagte die begehrte Akteneinsicht zu Unrecht angelehnt.
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Gemäß Artikel 99 Nr. 2 DSGVO gilt die DSGVO ab dem 25. Mai 2018. Dies ist auch der Tag der letzten Verwaltungsentscheidung. In der Einspruchsentscheidung hat der Beklagte die Regelungen der DSGVO nicht berücksichtigt. Deren Regelungen waren jedoch bei der Ausübung des Ermessens in die Ermessenserwägungen mit einzubeziehen. Ob ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht, ist „unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten“ zu prüfen (so die Ausführungen des BFH im Gerichtsbescheid bzw. Urteil vom 8. Juni 2021 II R 15/20 zur Entscheidung im vorliegenden Verfahren 12 K 213/19). Der Beklagte hat insoweit sein Ermessen nicht in dem gebotenen Umfang ausgeübt. Die Einspruchsentscheidung ist daher bereits aus diesem Grund ermessensfehlerhaft.
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Weiterhin hat der Beklagte auch im Übrigen ermessensfehlerhaft entschieden. In seiner Ermessensentscheidung hat er die Interessen der Kläger gegen seine Interessen abzuwägen.
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Aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. dem Prozessgrundrecht gemäß Art. 19 Abs. 4 GG und dem nunmehr in Art. 41 II lit. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) ausdrücklich verankerten Recht auf Gehör (Seer in Tipke/Kruse, § 91 AO, Rn. 1, 27) folgt grundsätzlich ein Akteneinsichtsrecht, welches die Finanzbehörde mit dem Schutz Dritter und ihrem Ermittlungsinteresse sowie ihrem Verwaltungsaufwand abzuwägen hat (BTDrucks 7/4292, S. 24 f.).
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Unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsgüter steht dem Steuerpflichtigen zur Überzeugung des Senats daher ein grundsätzliches Recht auf Akteneinsicht zu. Sein Interesse an der Akteneinsicht dokumentiert der Steuerpflichtige bereits dadurch, dass er ein Akteneinsichtsgesuch an die Finanzbehörde richtet. Etwas Anderes gilt bei erkennbar missbräuchlich gestellten Akteneinsichtsgesuchen.
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Eine ausreichende Abwägung mit den Interessen der Finanzbehörde hat der Beklagte nicht vorgenommen. Auch deshalb ist die Entscheidung ermessensfehlerhaft.
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Zur Überzeugung des Senats ist das Akteneinsichtsrecht vorliegend nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Verwaltungsverfahren des entsprechenden Veranlagungszeitraums bereits rechtskräftig abgeschlossen war und die Kläger den früheren Steuerberater in Regress nehmen wollten. Diese außersteuerlichen Motive der Kläger mögen den für den Beklagten zumutbaren Verwaltungsaufwand für die Akteneinsicht reduzieren, jedoch hat der Beklagte vorliegend nicht ausgeführt, welchen konkreten Aufwand die Akteneinsicht verursachen würde. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass das vorliegende Rechtsbehelfsverfahren bereits insgesamt deutlich mehr Verwaltungsaufwand verursacht hat, als die Einsichtnahme in die Verwaltungsakte verursacht hätte. Ferner muss berücksichtigt werden, dass der Beklagte durch die Ablehnung des Akteneinsichtsgesuchs die Kläger und nicht zuletzt sich selbst in das finanzgerichtliche Verfahren gedrängt hat.
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Weiterhin hat der Beklagte übersehen, dass nicht nur außersteuerliche Motive für die Akteneinsicht vorlagen. Die Kläger haben vorgetragen, dass Ihnen keine Informationen aus dem Veranlagungsverfahren vorliegen, da diese von dem früheren Steuerberater nicht an sie weitergeleitet worden seien. Unabhängig von der Bestandskraft des – gemäß § 165 AO teilweise vorläufigen - Bescheides verpflichtet § 153 Abs. 1 AO den Steuerpflichtigen, wenn er nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.
- 50
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Ob die durch den früheren Steuerberater für sie abgegebene Steuererklärung richtig war, können die Kläger nur von dem früheren Steuerberater oder dem Beklagten in Erfahrung bringen. Um diese Information von Seiten des früheren Steuerberaters zu erlangen, sind die Kläger auf den Zivilrechtsweg (Auskunfts- oder Schadensersatzklage) angewiesen. Die Kläger auf ein zivilrechtliches Verfahren zu verweisen, um steuerrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen, ist ermessensfehlerhaft, zumal dieser Weg erhebliche Kosten verursacht. Zudem tragen die Kläger gerade vor, dass sie die Informationen aus der Akteneinsicht benötigen würden, um ein solches zivilrechtliches Verfahren führen zu können.
- 51
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Zur Überzeugung des Senats steht dem Akteneinsichtsgesuch auch das Steuergeheimnis nicht entgegen. Gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO verletzt ein Amtsträger das Steuergeheimnis u.a., wenn er personenbezogene Daten eines anderen, die ihm u.a. in einem Verwaltungsverfahren – hier: dem Einkommensteuerveranlagungsverfahren - bekannt geworden sind (geschützte Daten), unbefugt offenbart oder verwertet.
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Der Beklagte trägt vor, das Steuergeheimnis in Bezug auf den früheren Steuerberater könnte im Fall der Akteneinsicht der Kläger verletzt werden. Diese Würdigung ist unzutreffend. Die Kläger haben zutreffend vorgetragen, dass die Akte nur die vom früheren Steuerberater in ihrem Namen eingereichten Angaben und Unterlagen und Erklärungen beinhalten kann, nicht dagegen persönliche Daten des Steuerberaters selbst. Der Beklagte hat dazu nichts darlegt und in seine Ermessenentscheidung einbezogen. Es für den Senat nicht ersichtlich, wie das Steuergeheimnis des früheren Steuerberaters betroffen sein könnte, da dieser lediglich als Bevollmächtigter der Kläger gehandelt hat. In Bezug auf die für sie eingereichten Angaben und Unterlagen und Erklärungen sind die Kläger keine anderen Personen.
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Der Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass seine Ermittlungsinteressen betroffen sein könnten. Denkbar wäre allenfalls, dass sich Kontrollmitteilungen in den Akten befinden könnten. Diese hätte der Beklagte jedoch leicht ausheften können. Etwas Anderes hat der Beklagte nicht dargelegt.
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Unter Abwägung sämtlicher in die Ermessensentscheidung einzubeziehender Rechtsgüter ist der Senat davon überzeugt, dass im vorliegenden Streitfall das Ermessen des Beklagten auf Null dahingehend reduziert ist, dass den Klägern Akteneinsicht in die für sie für das Jahr 2015 geführte Einkommensteuerakte zu gewähren ist.
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II.
- 55
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Die Kläger haben einen Anspruch auf Auskunft aus Art 15 DSGVO.
- 56
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Nach Art 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen: die Verarbeitungszwecke; die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden; die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen; falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer; das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung; das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde; wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten; das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Artikel 22 Absätze 1 und 4 und – zumindest in diesen Fällen – aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.
- 57
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Die Einkommensteuer ist eine direkte Steuer. Die DSGVO ist zur Überzeugung des Senats im Bereich der Steuerverwaltung auch bei der Verwaltung der direkten Steuern anwendbar.
- 58
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Die DSGVO gilt als EU-Verordnung gem. Art. 288 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat der Union, ohne dass es einer weiteren Umsetzung durch nationales Recht bedarf (vgl. auch FG Sachsen, Urteil vom 08. Mai 2019, 5 K 337/19, EFG 2020, 661; Gerichtsbescheid des FG München vom 23. Juli 2021, 15 K 81/20, EFG 2021, 1789).
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Nach Art. 1 Abs. 2 DSGVO schützt die Verordnung die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten.
- 60
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Der sachliche Anwendungsbereich ist gemäß Art. 2 Abs. 2 DSGVO u.a. mit Blick auf die Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingeschränkt. Danach findet die Verordnung gemäß Art. 2 Abs. 2 a DSGVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt oder gemäß Art. 2 Absatz 2 d DSGVO auf die Datenverarbeitung durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Welche Tätigkeiten aus dem Geltungsbereich der Verordnung ausgenommen sein sollen, weil sie nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen (Art. 2 Abs. 2 a DSGVO), führt der Verordnungsgeber nicht explizit aus. In den Erwägungsgründen nennt er beispielhaft die nationale Sicherheit und Datenverarbeitung im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.
- 61
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Der Bundesgesetzgeber hat jedoch die Geltung der DSGVO durch Verweisung in § 2a AO angeordnet. Er ist bei der Normierung des § 2a AO bzw. der §§ 29b, 29c und 32a ff. AO (eingefügt durch Art. 17 des Gesetzes vom 17. Juli 2017, BGBl. I 2017, 2541) von folgendem Verständnis ausgegangen (BT-Drs. 18/12611, Seite 74):
- 62
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„Die Regelungen der AO sollen an das Recht der Europäischen Union, im Besonderen der [DSGVO] angepasst werden. Dabei sollen aufgrund der Regelungsaufträge der [DSGVO] die bereits bestehenden Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten an die Regelungen und Begriffsbestimmungen dieser Verordnung angepasst bzw. neue bereichsspezifische Regelungen in enger Anlehnung an das neue Bundesdatenschutzgesetz geschaffen werden. Zugleich sollen auf Grundlage des Art. 23 der [DSGVO] bereichsspezifische Einschränkungen der betroffenen Rechte bestimmt werden, damit die Finanzbehörden weiterhin ihrem Verfassungsauftrag nachkommen können, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben und Steuerverkürzungen aufzudecken.“
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In der Gesetzesbegründung zu § 2a Abs. 3 AO wird weiter ausgeführt:
- 64
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„Abs. 3 stellt klar, dass die unmittelbar anzuwendenden europarechtlichen Regelungen über den Schutz personenbezogener Daten natürlicher Personen, insbesondere die [DSGVO], den Regelungen der AO und der Steuergesetze vorgehen, soweit diese den Mitgliedstaaten keine Regelungsaufträge erteilen oder Regelungsbefugnisse einräumen und dementsprechende nationale Regelungen getroffen worden sind.“
- 65
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Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass der bereichsspezifische Datenschutz im Bereich des gesamten Steuerrechts durch die AO und die dieser vorgehende DSGVO geregelt sein soll, allerdings im Bereich der Einzelsteuergesetze gegebenenfalls für deren Bereich modifiziert. Nach dem eindeutigen Wortlaut hat der Gesetzgeber keine Einschränkung dahingehend beabsichtigt, dass die Regelungen der AO bzw. der DSGVO lediglich im Bereich der harmonisierten Steuern und nicht auch im Bereich der direkten Steuern gelten sollten.
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Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BVerwG (EuGH-Vorlage vom 04. Juli 2019, 7 C 31/17, HFR 2019, 919):
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"Mit den Ergänzungen der Abgabenordnung verfolgt der Gesetzgeber - wie sich insbesondere aus § 2a Abs. 3 und 5 AO ergibt - das Ziel, über den unmittelbaren Anwendungsbereich der [DSGVO] hinaus dem allgemeinen Grundsatz der Abgabenordnung entsprechend einheitliche verfahrensrechtliche Regelungen - die regelmäßig zugleich Regelungen über die Verarbeitung personenbezogener Daten darstellen - für alle vom Steuer- und Steuerverfahrensrecht Betroffenen ungeachtet ihrer Rechtsform vorzusehen (vgl. BT-Drs. 18/12611, S. 76). Anhaltspunkte dafür, dass dieses Regelungsziel sich auf unionsrechtlich determinierte Steuern beschränkt, sind nicht ersichtlich. Eine nach Steuerschuldnern und Steuerarten differenzierende Verarbeitung der Daten wäre im Übrigen - wie die Vertreter des für die Novellierung der Abgabenordnung federführend zuständigen Bundesministeriums der Finanzen in der mündlichen Verhandlung erläutert haben - auch technisch nicht zu realisieren. [...] Vor diesem Hintergrund kommt eine "gespaltene" Auslegung der Neuregelungen in der Abgabenordnung für dem Unionsrecht unterfallende Sachverhalte einerseits und diesem nicht unterfallende Sachverhalte andererseits nicht in Betracht."
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Auch die Finanzverwaltung geht von einer Anwendbarkeit der DSGVO bei den direkten Steuern aus (BMF-Schreiben vom 12. Januar 2018, BStBl. I 2018, 185).
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Zur Überzeugung des Senats ist die DSGVO im Bereich der Steuerverwaltung auch bei der Verwaltung der direkten Steuern anwendbar (Gerichtsbescheid des FG München vom 23. Juli 2021, 15 K 81/20, EFG 2021, 1789; FG Saarland, Beschluss vom 03.04.2019, 2 K 1002/16, EFG 2019, 1217; FG Sachsen, Urteil vom 08.05.2019, 5 K 337/19 EFG 2020, 661; FG Köln, Urteil vom 18.09.2019, 2 K 312/19, EFG 2020, 413; a.A. FG Niedersachsen, Urteil vom 28.01.2020, 12 K 213/19, EFG 2020, 665).
- 70
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Der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO ist somit eröffnet.
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Der Anwendungsbereich ist auch nicht nach Art. 23 Abs. 1 Buchstabe i DSGVO i.V.m. § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 32b Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 30 AO beschränkt, da entgegen der Auffassung des Beklagten keine Daten dritter Personen betroffen sind. Jedenfalls ist zur Überzeugung des Senats der frühere Steuerberater kein Dritter, dessen Daten nach § 30 AO zu schützen wären.
- 72
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Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus § 32c Abs. 1 Nr. 3a AO nach dem ein Recht auf Auskunft nicht besteht, wenn die Daten nur deshalb gespeichert werden, weil sie aufgrund gesetzlicher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen. Bei dem Einkommensteuerbescheid 2015 ist zwar Bestandskraft eingetreten, jedoch ist dieser nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig. Der Bescheid muss daher schon deshalb aufbewahrt werden, um zukünftig die entsprechenden Änderungen umsetzen zu können.
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Den Klägern steht somit ein Auskunftsrecht nach Art 15 DSGVO zu.
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Die Erfüllung dieses Anspruchs („Ob“ der Auskunftserteilung) steht nicht im Ermessen der Finanzbehörde (Drüen in Tipke/Kruse, § 32c AO, Rn. 12a).
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Vorschriften zur Form enthält die DSGVO insbesondere in Art. 15 Absatz 3 und Art. 12 Abs. 1 DSGVO. Aus diesen ergibt sich jedoch nicht, dass ausschließlich ein Akteneinsichtsrecht zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs in Betracht kommt. Andererseits dürfen dem Steuerpflichtigen bei der Wahrnehmung seiner Rechte auch keine Steine in den Weg gelegt werden, und das Verfahren der Auskunftsgewähr sollte einfach, effektiv und nutzbringend ausgestaltend werden. Immerhin verpflichtet Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO zur Auskunft „in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form“. Das sog. Erleichterungsgebot des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 DSGVO fordert zudem die Erleichterung der Wahrnehmung der Rechte durch den Verantwortlichen, so dass sich je nach den Umständen des Einzelfalls - stets unter Wahrung des Steuergeheimnisses - ein Akteneinsichtsrecht als die zweckmäßigste Form der Auskunftserteilung erweisen kann (BMF v. 13.1.2020, BStBl. I 2020, 143 Tz. 32).
- 76
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Nach § 32d AO bestimmt die Finanzbehörde das Verfahren, insbesondere die Form der Information oder der Auskunftserteilung, nach pflichtgemäßem Ermessen.
- 77
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Wie und in welchem Umfang die Auskunftserteilung zu erfolgen hat, ist umstritten. Teilweise wird angenommen, dass sich aus Art. 15 DSGVO selber ein (gebundener) Anspruch auf Akteneinsicht ergibt (dafür Haverkamp/Meinert, AO-StB 2019, 276; Bareither/Großmann/Uterhark, BB 2019, 1111; Wulf/Bertrand, Stbg 2019, 400 ff.; Hildebrand/Leyva, Ubg 2020, 109: wünschenswert, Norstedt/Paßberger, SAM 2020, 99; Lampe, PStR 2020, 207; wohl auch FG Saarland v. 3. April 2019, 2 K 1002/16, EFG 2019, 1217; Haupt, DStR 2019, 2115: einschränkendes Akteneinsichtsrecht; dagegen Poschenrieder, DStR 2020, 21 ff.; Tibor, FR 2020, 558 ff.; von Armansperg, DStR 2021, 453; Drüen in Tipke/Kruse, § 32c AO, Rn. 12a; Gercke in Koenig, 4. Aufl. 2021, AO § 32c Rn. 2).
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Der Senat lässt es dahinstehen ob der Beklagte den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO durch vollständige Akteneinsicht zu erfüllen hat, da sich der Anspruch auf Akteneinsicht bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. dem Prozessgrundrecht gemäß Art. 19 Abs. 4 GG und dem nunmehr in Art. 41 II lit. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) ausdrücklich verankerten Recht auf Gehör ergibt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
- 80
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
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Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen
Quelle: https://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=STRE202275204&psml=bsndprod.psml&max=true
Teilnahme an einer Videoverhandlung auch aus der Schweiz?
Eine Teilnahme im Wege der Bild- und Tonübertragung aus dem Ausland sei unzulässig, weil das Gericht damit hoheitliche Gewalt im Ausland ausübe und damit die territoriale Integrität des ausländischen Staates verletze. So wird es von der im Schrifttum ganz herrschenden Ansicht vertreten. Dem ist nun das VG Freiburg in einem aktuellen Beschluss vom 11.03.2022 - 10 K 4411/19 überzeugend entgegengetreten.
Sachverhalt
Die Klägerinnen in einem Verwaltungsprozess haben ihren Sitz in der Schweiz. Sie hatten daher beantragt, an einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Freiburg im Wege der Bild- und Tonübertragung (d.h. per Videokonferenz) teilnehmen zu können.
Die Zulässigkeit einer solchen grenzüberschreitenden Teilnahme ist äußerst umstritten, s. dazu ausführlich Windau, jM 2021, 178 ff.
Entscheidung
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben und allen Beteiligten gestattet, an der Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung teilzunehmen:
„Der Zuschaltung der Klägerinnen zur Videokonferenz steht auch nicht entgegen, dass sie ihren Sitz in der Schweiz haben und ihre Vertreter von dort aus an der Videokonferenz teilnehmen wollen. Zwar wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass zur Wahrung territorialer Souveränität Videokonferenzen mit dem Ausland in Ausübung von Staatsgewalt (hier der Judikative) grundsätzlich nur im Wege der Rechtshilfe zulässig sind (...).
Indem den Klägerinnen bzw. ihren Vertretern auf ihren Antrag gestattet wird, an der in der Bundesrepublik Deutschland stattfindenden mündlichen Verhandlung im Wege der Bild und Tonübertragung teilzunehmen, übt das Gericht aber keine Hoheitsgewalt in der Schweiz aus. Durch die Teilnahme der Klägerinnen im Wege der Bild- und Tonübertragung ändert sich am Ort der Gerichtsverhandlung nichts. Es wird lediglich die persönliche Anwesenheit im Gerichtssaal durch die Bild- und Tonübertragung in den Gerichtssaal ersetzt.
Es kann auch nicht davon gesprochen werden, dass von der Bild- und Tonübertragung (mittelbar) hoheitliche Wirkungen in der Schweiz ausgingen. Davon ist jedenfalls deshalb auszugehen, weil den Klägerinnen, deren persönliches Erscheinen nicht angeordnet wurde, lediglich ermöglicht wird, (freiwillig) Äußerungen in der mündlichen Verhandlung abzugeben, ohne dass eine förmliche Parteivernehmung oder eine Beweisaufnahme stattfindet, und zudem Prozesshandlungen von ihrem - aus dem Bundesgebiet zugeschalteten - Prozessbevollmächtigten vorgenommen werden können (...).“
Anmerkung
Die Entscheidung des VG ist - soweit ersichtlich - die erste veröffentlichte Entscheidung, die sich (ausdrücklich) mit der Frage einer Teilnahme im Wege der Bild- und Tonübertragung aus dem Ausland befasst. Das VG folgt damit einer jedenfalls in der ordentlichen Gerichtsbarkeit sehr verbreiteten Praxis, die tendenziell wenig Probleme mit einer Zuschaltung aus dem Ausland hat (s. dazu z.B. dieses Interview mit RiBGH Dr. Rensen sowie den hier verlinkten Zeitungsbericht). Eine ausdrückliche Aussage trifft die Entscheidung zwar nur für Parteien, nicht aber für deren Prozessbevollmächtigte (s. dazu ausführlich auch Windau, jM 2021, 178 ff.)
Besonders interessant an der Entscheidung ist, dass sie in der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeit ergangen ist, bei der die Annahme eines hoheitlichen Handelns gegenüber den Parteien u.U. näher liegen könnte, als im Zivilprozess (wie das VG Freiburg aber z.B. auch Gosch/Schmieszek, AO/FGO, § 91a FGO Rn. 8). Die Argumentation des VG dürfte daher im Zivilprozess umso mehr gelten. Für den Bereich des Zivilprozesses hat die EU-Kommission außerdem kürzlich einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der die Zulässigkeit grenzüberschreitender Verhandlungen im Wege der Bild- und Tonübertragungen klarstellen und außerdem in vielen Fällen ein Recht auf Videoteilnahme schaffen würde.
Demgegenüber ist nach Ansicht des ganz überwiegenden Teils der Literatur und vieler Justizverwaltungen eine vorherige Gestattung durch den Aufenthaltsstaat der zuzuschaltenden Personen erforderlich. Dafür haben das BMJ, das BfJ und das AA einen Leitfaden erarbeitet.
Wichtig ist außerdem, dass die Argumentation des VG nur für die Parteien und ggf. ihre Prozessbevollmächtigten gilt: Sollen Beweispersonen im Ausland vernommen oder die Parteien persönlich angehört werden, dürfte von einem hoheitlichen Handeln auszugehen sein, das einer vorherigen Gestattung des Aufenthaltsstaats erfordert (s. ausf. Windau, jM 2021, 178, 180 ff.).
tl;dr: Dem Geschäftsführer einer Klägerin, die ihren Sitz in der Schweiz hat, und ihrem Rechtsanwalt in Deutschland kann die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung im Wege der Bild und Tonübertragung gestattet werden. (Leitsatz des Gerichts)
Vorsteuerabzug bei Ist-Versteuerung erst bei Zahlung
| „Ist-Versteuerer“ müssen ihre Umsätze nach § 20 Umsatzsteuergesetz (UStG) erst versteuern, wenn sie die Zahlungen erhalten haben. Leistungsempfänger können die Vorsteuer dagegen unabhängig von der Besteuerung des Leistenden mit der Leistungsausführung abziehen. So sieht es das deutsche Umsatzsteuerrecht vor. Der Europäische Gerichtshof hat aber nun eine andere Meinung vertreten. |
Hintergrund: Bei der Soll-Besteuerung ist die Umsatzsteuer grundsätzlich mit der Leistungsausführung abzuführen, was die Liquidität belasten kann. Unter Voraussetzungen
(z. B. Umsatz im vorangegangenen Jahr nicht mehr als 600.000 EUR) kann eine Besteuerung per Antrag auch erst im Vereinnahmungszeitpunkt erfolgen (Ist-Besteuerung).
Nach Auffassung der Finanzverwaltung entsteht das Vorsteuerabzugsrecht unabhängig von der Besteuerung des Leistenden im Zeitpunkt des Leistungsbezugs. Wesentliche Bedingungen sind die Leistungsausführung und der Empfang der Rechnung.
Der Europäische Gerichtshof hat jetzt aber Folgendes herausgestellt: „Art. 167 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der das Recht auf Vorsteuerabzug bereits im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes entsteht, wenn der Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer nach einer nationalen Abweichung gemäß Art. 66 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie erst bei Vereinnahmung des Entgelts entsteht und dieses noch nicht gezahlt worden ist.“
Praxistipp | Das Urteil ist für alle Unternehmen bedeutend. Denn Leistungsempfänger können in der Regel nicht erkennen, wie der leistende Unternehmer seine Umsatzsteuer berechnet. Man darf also gespannt sein, wie der Gesetzgeber bzw. die Finanzverwaltung reagieren werden. Bis dahin dürfte aber Bestandsschutz bestehen.
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Quelle | EuGH-Urteil vom 10.2.2022, Rs. C-9/20 „Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße 136“, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 227487
Bundesregierung schnürt Entlastungspaket wegen hoher Energiepreise
| Wegen der hohen Energiepreise hat die Bundesregierung ein Entlastungspaket auf den Weg gebracht. So soll die EEG-Umlage nicht erst zum Jahresende, sondern bereits zum 1.7.2022 entfallen. Aus steuerlicher Sicht ist insbesondere auf folgende Aspekte hinzuweisen: |
Grundsätzlich beträgt die Pendlerpauschale 0,30 EUR je Entfernungskilometer. Seit dem Veranlagungszeitraum 2021 gilt ab dem 21. Kilometer eine Pauschale von 0,35 EUR. Eine weitere Erhöhung (auf dann 38 Cent) war für 2024 bis 2026 vorgesehen, die nun bereits rückwirkend ab dem 1.1.2022 gelten soll.
Ebenfalls zum 1.1.2022 soll der Arbeitnehmer-Pauschbetrag um 200 EUR auf 1.200 EUR erhöht werden.
Der steuerliche Grundfreibetrag, bis zu dessen Höhe keine Einkommensteuer gezahlt werden muss, soll ab 1.1.2022 von derzeit 9.984 EUR auf 10.347 EUR steigen.
Quelle | Ergebnis des Koalitionsausschusses vom 23.2.2022: „10 Entlastungsschritte für unser Land“
Steuernachzahlungen und -erstattungen: Geplant ist ein Zinssatz von 0,15 % pro Monat
| Nach einem Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums soll der Zinssatz für Steuernachforderungen und -erstattungen (§ 233a Abgabenordnung [AO]) für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 rückwirkend auf 0,15 % pro Monat (das heißt 1,8 % pro Jahr) gesenkt werden. Die Angemessenheit dieses Zinssatzes ist dann unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB alle drei Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume zu evaluieren, erstmals zum 1.1.2026. |
Hintergrund
Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 entschieden, dass der bei der Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen angewandte Zinssatz von 0,5 % pro Monat seit 2014 nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Für Verzinsungszeiträume bis Ende 2018 ist jedoch keine Neuregelung notwendig. Vielmehr wurde der Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine Neuregelung zu treffen, die sich rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume ab 2019 erstreckt.
Beachten Sie | Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich ausdrücklich nicht auf andere Verzinsungstatbestände nach der AO (Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen). Nach der vorliegenden Gesetzesbegründung muss die Frage, ob und inwieweit auch hier eine Anpassung erforderlich ist, noch geprüft werden.
Quelle | Zweites Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung; BMF-Referentenentwurf mit Stand vom 14.2.2022
Fristverlängerung für Steuererklärungen 2020 nimmt Gestalt an
Das DStV-Engagement zur Entschärfung des Fristendrucks in den Kanzleien ließ nicht nach. Den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Unterstützung des Anliegens lehnte der Finanzausschuss des Bundestags ab. Die Regierungsfraktionen gaben der Praxis aber eine Perspektive.
Wie der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) Ende 2021 berichtete, setzte er sich zur Entspannung des coronabedingten Zeitdrucks in den kleinen und mittleren Kanzleien gegenüber den Bundestagsfraktionen weiterhin für Fristverlängerungen ein (vgl. DStV-Information vom 8.12.2021). Gleichfalls wandte er sich an den neuen Bundesminister der Finanzen, MdB Christian Lindner, mit der Stellungnahme S 11/21. Hierin warb er für ein zeitnahes Viertes Corona-Steuerhilfegesetz, in dem u.a. die Fristenentzerrung angegangen werden müsse (vgl. DStV-Information vom 14.12.2021).
DStV-Präsident mit finanzpolitischem Sprecher der FDP im Austausch
DStV-Präsident StB Torsten Lüth führte darüber hinaus Mitte Dezember ein Gespräch mit dem neuen finanzpolitischen Sprecher der FDP, StB Markus Herbrand. Neben der Umsetzung der Grundsteuerreform und den steuerlichen Inhalten des Koalitionsvertrags erörterten sie intensiv die nach wie vor hohen, coronabedingten Zusatzbelastungen in der Praxis. Um den zeitlichen Druck aus der Prüfung und Bearbeitung der wieder zunehmenden Anträge für die Corona-Hilfspakete herauszunehmen, müssten kurzfristig die Ordnungsgeldverfahren bei verspäteter Offenlegung der Jahresabschlüsse 2020 von Kapitalgesellschaften verschoben werden – betonte Lüth. Zudem müsste den Kanzleien Planungssicherheit gegeben werden. Hierfür müsste zeitnah die Frist für die Steuererklärungen 2020 gesetzlich bis Ende August 2022 verlängert werden. Angesichts der anhaltenden Pandemie, der Fortsetzung der Corona-Hilfspakete und der anstehenden Grundsteuererklärungen zur Umsetzung der Reform sei bis 2023 mit erheblichen Zusatzbelastungen zu rechnen. Herbrand und Lüth überlegten, wie diese Herausforderungen perspektivisch gelöst werden könnten. Denkbar sei etwa, auch für die folgenden Jahre Fristverlängerungen für die Steuererklärungen einzuführen und den Fristablauf peu à peu auf Ende Februar zurückzuführen.
CDU/CSU setzte sich für die Belange des Berufsstands ein
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion griff die Anliegen des DStV erfreulicherweise in ihrem Entschließungsantrag „Fristenballung bei steuerberatenden Berufen auflösen“ (BT-Drs. 20/205) im Dezember auf. Nach dem Antrag der Union sollte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung u.a. dazu auffordern, die Fristen für die Abgabe von Steuererklärungen 2020 um weitere drei Monate in beratenen Fällen bis zum 31.8.2022 zu verlängern. Die Erörterung des Antrags terminierte der Finanzausschuss des Bundestags auf den 12.1.2022. Der DStV trommelte kurz vorher erneut über die Medien für seine Anliegen (vgl. u.a. F.A.Z.-Online-Beitrag vom 11.1.2022). Der Finanzausschuss lehnte den Antrag der Union ab (vgl. BT-Kurzbericht vom 12.1.2022).
Ampelpartner stellen Entlastungen in Aussicht
Trotz der Ablehnung des Vorstoßes der Union zeigt sich ein Lichtstreif am Horizont. Herbrand hob gegenüber der F.A.Z. hervor, dass „…das Anliegen des Antrags nachvollziehbar sei. Allerdings müsse ein längerfristiges Konzept her. Eine Verlängerung der Fristen wird kommen.“ (vgl. F.A.Z.-Online-Beitrag vom 11.1.2022). Um aus der Dauerschleife herauszukommen, müsse eine Übergangslösung geschaffen werden, mit der man über einen längeren Zeitraum aus der Fristenverlängerung quasi herauswächst. Herbrand rechnete damit, dass diese Regelung im Corona-Steuerhilfegesetz IV verankert werden wird, an dem das Bundesfinanzministerium gerade arbeite. Auch die finanzpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, MdB Katharina Beck, und der finanzpolitische Sprecher der SPD, MdB Michael Schrodi, gaben über Twitter zu verstehen, dass die Regierungskoalition an einer Lösung arbeite (vgl. Tweet von Beck vom 12.1.2022).
Stand: 13.1.2022
DStV zum KoaVertrag: Betriebsprüfung
Die Koalitionspartner wollen die steuerliche Betriebsprüfung modernisieren. Der DStV fordert eine solche Reform schon länger und begrüßt das Vorhaben. Ihm ist wichtig, dass die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen ausreichend berücksichtigt werden.
Betriebsprüfungen dauern in Deutschland zu lange – die Folge sind ein jahrelanges Warten auf Rechtssicherheit und teils eine hohe Zinsbelastung. Es verwundert daher nicht, dass so manche Steuerpflichtige neidisch Richtung Österreich oder Niederlande blicken. Warum? Dort profitieren Unternehmen von dem Konzept der begleitenden Kontrolle. Dieses verspricht deutlich früher Rechtssicherheit als hierzulande.
Dem Deutschen Steuerberaterverband e.V. (DStV) ist die lange Verfahrensdauer bereits seit geraumer Zeit ein Dorn im Auge (vgl. Positionspapier zur Bundestagswahl). Für DStV-Präsident, StB Torsten Lüth, ist die Sache klar: „Es ist an der Zeit, die Betriebsprüfung zu modernisieren. Kleine und mittlere Unternehmen brauchen früher Rechtssicherheit! Es freut mich, dass die Koalitionspartner dieses Vorhaben nun angehen wollen!“
Die Pläne der Koalitionsfraktionen
Wie gewohnt bietet der Koalitionsvertrag lediglich erste Anhaltspunkte für den Reformwillen der Koalitionspartner. Jedoch ist diesen zu entnehmen, dass bei der Modernisierung verbesserte Schnittstellen, Standardisierung und der sinnvolle Einsatz neuer Technologien im Fokus stehen. Zur Sicherung der Anschlussfähigkeit der Steuerverwaltung an den digitalen Wandel und für eine Verringerung der Steuerbürokratie soll gemäß des Koalitionsvertrags eine zentrale Organisationseinheit auf Bundesebene eingerichtet werden.
Die ersten, im Koalitionsvertrag gesetzten Schwerpunkte unterstützt der DStV. Die Kommunikationsmöglichkeiten mit der Finanzverwaltung haben sich zwar in den letzten Jahren – wie vom DStV seit über zehn Jahren gefordert - spürbar verbessert, etwa durch die digitale Belegnachreichung im Rahmen der Veranlagung. Bei der Betriebsprüfung ist in puncto Medienbruchfreiheit aber noch deutlich Luft nach oben. Statt der Überlassung eines Datenträgers wie einer DVD oder eines USB-Sticks wäre etwa eine Cloud-Lösung zeitgemäß und wünschenswert.
Größenunabhängige Reform
Einen ersten Ausblick auf rechtliche Neuerungen bei der Außenprüfung vermisst der DStV hingegen im Koalitionsvertrag. Bereits seit 2019 machen sich Bund und Länder Gedanken zur Modernisierung der Betriebsprüfung – wie Vertreter des BMF etwa im Frühsommer mitteilten (vgl. DStV-Information v. 31.5.2021). Damals zeichnete sich die Überlegung ab, die Reform an bestimmte Größenklassen zu knüpfen.
Der DStV hat sich gegen eine Zweiteilung der Unternehmerschaft ausgesprochen. „Eine Reform muss allen Steuerpflichtigen gleichermaßen zugutekommen!“, fordert Lüth. Dies betonte er auch immer wieder im persönlichen Gespräch, so zum Beispiel mit Dr. Rolf Bösinger (seinerzeit BMF-Staatssekretär) und Dr. Rolf Möhlenbrock (BMF-Steuerabteilungsleiter) (vgl. DStV-Information v. 2.9.2021).
Ungenutzte Möglichkeiten – die zeitnahe Betriebsprüfung
Streng genommen gibt es in Deutschland bereits das Instrument der sog. zeitnahen Betriebsprüfung. Jedoch schränken die Länder das Instrument praktisch auf Großbetriebe ein. Während diese dann mit Tempo geprüft werden, bleiben gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) auf der Strecke. Abhilfe könnten nach Auffassung des DStV eine zeitnahe Betriebsprüfung auf Antrag und die Verkürzung der Festsetzungsfrist sein. Wichtig: Für alle Steuerpflichtigen! So könnte das langwierige und aufwendige Aufarbeiten lange zurückliegender Sachverhalte vermieden und Bürokratie abgebaut werden. Ein Vorteil für alle Verfahrensbetroffenen: KMU, kleine und mittlere Kanzleien und die Finanzverwaltung.
Das häusliche Arbeitszimmer in Coronazeiten
Wegen der Coronapandemie arbeiten viele Arbeitnehmer in ihrem häuslichen Arbeitszimmer. Hier stellt sich die Frage, ob bzw. in welcher Höhe die Kosten für das Arbeitszimmer als Werbungskosten abziehbar sind. Coronabedingt hat das Bundesfinanzministerium Sonderregelungen bekanntgegeben.
Hintergrund: Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer sind wie folgt abziehbar:
• Bis zu 1.250 EUR jährlich, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht,
• ohne Höchstgrenze, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
Dem Arbeitnehmer steht auch dann kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, wenn er die Entscheidung über das Tätigwerden im häuslichen Arbeitszimmer ohne eine ausdrückliche (schriftliche) Anweisung des Arbeitgebers getroffen hat und er der Empfehlung der Bundesregierung/der Länder gefolgt ist. Als Zeit der Coronapandemie wird dabei der Zeitraum vom 01.03.2020 bis zum 31.12.2021 angenommen.
Für den Tätigkeitsmittelpunkt ist der qualitative Schwerpunkt der Betätigung maßgeblich. In der Coronazeit ist davon auszugehen, dass die Arbeiten im Betrieb und im Arbeitszimmer qualitativ gleichwertig sind, sodass die zeitlichen Aspekte entscheidend sind.
Beispiel:
Ein Arbeitgeber gestattet nur eine Person pro Großraumbüro. Arbeitnehmer AN verfügt über ein häusliches Arbeitszimmer und arbeitet fortan an drei Tagen pro Woche zu Hause. Folge: AN kann die Kosten für sein Arbeitszimmer ohne Höchstgrenze absetzen.
Beachten Sie | Alternativ (oder ohne häusliches Arbeitszimmer) kommt eine Homeoffice-Pauschale von 5 EUR für jeden Tag in Betracht, an dem die Tätigkeit ausschließlich in der Wohnung ausgeübt wird (max. 600 EUR im Jahr).
Quelle: BMF, Schreiben vom 9.7.2021, Az. IV C 6 - S 2145/19/10006 :013
Keine Betriebsaufspaltung bei einem „Stimmen-Patt“
Es liegt keine Betriebsaufspaltung vor, wenn der das Besitzunternehmen beherrschende Gesellschafter nur über exakt 50 % der Stimmen in der Betriebsgesellschaft verfügt. Nach Meinung des Bundesfinanzhofs sind dem Gesellschafter die Stimmen seines ebenfalls beteiligten minderjährigen Kindes nicht zuzurechnen, wenn in Bezug auf dessen Gesellschafterstellung eine Ergänzungspflegschaft besteht.
Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung
Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn
• ein Unternehmen (Besitzunternehmen) eine wesentliche Betriebsgrundlage an eine gewerblich tätige Personen- oder Kapitalgesellschaft (Betriebsunternehmen) zur Nutzung überlässt (= sachliche Verflechtung) und
• eine Person oder mehrere Personen zusammen (Personengruppe) sowohl das Besitzunternehmen als auch das Betriebsunternehmen in dem Sinne beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen (personelle Verflechtung).
Praxistipp:
Bei einer Betriebsaufspaltung liegen Fluch und Segen dicht beieinander. Einerseits birgt eine unerkannte Betriebsaufspaltung die Gefahr der ungewollten Aufdeckung stiller Reserven, wenn die sachliche oder personelle Verflechtung endet. Denn dann müssen die stillen Reserven der bisher an die Betriebsgesellschaft vermieteten bzw. verpachteten Wirtschaftsgüter (grundsätzlich) aufgedeckt und versteuert werden.
Allerdings kann die Betriebsaufspaltung als Gestaltungselement auch bewusst eingesetzt werden, um z. B. die Haftung zu beschränken.
Sachverhalt:
Die Steuerpflichtige A und ihre beiden Kinder waren mit dem Tod des Ehemanns und Vaters Gesellschafter der Betriebs-GmbH geworden. Dieser GmbH hatte A ein betrieblich genutztes Grundstück verpachtet. Nachdem A in einer Gesellschafterversammlung, in der eine Ergänzungspflegerin ihren minderjährigen Sohn vertrat, zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt worden war, lag für das Finanzamt eine Betriebsaufspaltung vor. Denn A könne die GmbH, obwohl sie nur 50 % der Stimmen innehabe, wegen ihrer elterlichen Vermögenssorge beherrschen (= personelle Verflechtung). Somit erziele A aus der Verpachtung gewerbliche Einkünfte. Das Finanzgericht Baden-Württemberg und der Bundesfinanzhof sahen das aber anders.
Sind ein Elternteil und dessen minderjähriges Kind an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt, sind die Stimmen des Kindes jedenfalls dann nicht dem Elternteil zuzurechnen, wenn hinsichtlich der Gesellschafterstellung des Kindes eine Ergänzungspflegschaft angeordnet ist.
Eine „Patt-Situation“, bei der ein Gesellschafter nur exakt 50 % der Stimmen der Betriebsgesellschaft hält, reicht grundsätzlich nicht aus. Dies gilt selbst dann, wenn der Gesellschafter die laufende Geschäftsführung innehat (Geschäfte des täglichen Lebens).
Quelle: BFH-Urteil vom 14.4.2021, Az. X R 5/19
Keine Betriebsaufspaltung bei einem „Stimmen-Patt“
Es liegt keine Betriebsaufspaltung vor, wenn der das Besitzunternehmen beherrschende Gesellschafter nur über exakt 50 % der Stimmen in der Betriebsgesellschaft verfügt. Nach Meinung des Bundesfinanzhofs sind dem Gesellschafter die Stimmen seines ebenfalls beteiligten minderjährigen Kindes nicht zuzurechnen, wenn in Bezug auf dessen Gesellschafterstellung eine Ergänzungspflegschaft besteht.
Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung
Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn
• ein Unternehmen (Besitzunternehmen) eine wesentliche Betriebsgrundlage an eine gewerblich tätige Personen- oder Kapitalgesellschaft (Betriebsunternehmen) zur Nutzung überlässt (= sachliche Verflechtung) und
• eine Person oder mehrere Personen zusammen (Personengruppe) sowohl das Besitzunternehmen als auch das Betriebsunternehmen in dem Sinne beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen (personelle Verflechtung).
Praxistipp:
Bei einer Betriebsaufspaltung liegen Fluch und Segen dicht beieinander. Einerseits birgt eine unerkannte Betriebsaufspaltung die Gefahr der ungewollten Aufdeckung stiller Reserven, wenn die sachliche oder personelle Verflechtung endet. Denn dann müssen die stillen Reserven der bisher an die Betriebsgesellschaft vermieteten bzw. verpachteten Wirtschaftsgüter (grundsätzlich) aufgedeckt und versteuert werden.
Allerdings kann die Betriebsaufspaltung als Gestaltungselement auch bewusst eingesetzt werden, um z. B. die Haftung zu beschränken.
Sachverhalt:
Die Steuerpflichtige A und ihre beiden Kinder waren mit dem Tod des Ehemanns und Vaters Gesellschafter der Betriebs-GmbH geworden. Dieser GmbH hatte A ein betrieblich genutztes Grundstück verpachtet. Nachdem A in einer Gesellschafterversammlung, in der eine Ergänzungspflegerin ihren minderjährigen Sohn vertrat, zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt worden war, lag für das Finanzamt eine Betriebsaufspaltung vor. Denn A könne die GmbH, obwohl sie nur 50 % der Stimmen innehabe, wegen ihrer elterlichen Vermögenssorge beherrschen (= personelle Verflechtung). Somit erziele A aus der Verpachtung gewerbliche Einkünfte. Das Finanzgericht Baden-Württemberg und der Bundesfinanzhof sahen das aber anders.
Sind ein Elternteil und dessen minderjähriges Kind an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt, sind die Stimmen des Kindes jedenfalls dann nicht dem Elternteil zuzurechnen, wenn hinsichtlich der Gesellschafterstellung des Kindes eine Ergänzungspflegschaft angeordnet ist.
Eine „Patt-Situation“, bei der ein Gesellschafter nur exakt 50 % der Stimmen der Betriebsgesellschaft hält, reicht grundsätzlich nicht aus. Dies gilt selbst dann, wenn der Gesellschafter die laufende Geschäftsführung innehat (Geschäfte des täglichen Lebens).
Quelle: BFH-Urteil vom 14.4.2021, Az. X R 5/19
Kein Gestaltungsmissbrauch: Grundstücksschenkung an die Kinder vor dem Verkauf
Hat der Steuerpflichtige die Veräußerung seines Grundstücks „eingefädelt“, liegt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs grundsätzlich kein Gestaltungsmissbrauch vor, wenn er das Grundstück zuvor unentgeltlich auf seine Kinder überträgt, die es dann an den Erwerber veräußern. Der Veräußerungsgewinn ist in diesen Fällen bei den Kindern nach deren (oftmals günstigeren) steuerlichen Verhältnissen zu erfassen.
Zum Hintergrund: Wurden private Grundstücke nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt, unterliegt der Veräußerungsgewinn der Besteuerung, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
Sachverhalt:
Die Mutter M erwarb 2011 ein Grundstück. Bereits ein Jahr später übertrug sie das Eigentum unentgeltlich jeweils zu hälftigem Miteigentum auf ihre volljährigen Kinder. Diese verkauften das Grundstück noch an demselben Tag. Der Betrag wurde je zur Hälfte an die Kinder ausgezahlt. Die Verkaufsverhandlungen wurden allein durch M geführt. Dadurch, dass nicht die M veräußert hatte, ergab sich unter dem Strich eine Steuerersparnis von rund 14.000 EUR.
Das Finanzamt und das Finanzgericht Nürnberg rechneten den Verkaufsgewinn allerdings der M zu, da ein rechtlicher Gestaltungsmissbrauch vorliegen würde. Der Bundesfinanzhof sah das aber anders.
Bei einem unentgeltlichen Erwerb ist dem Einzelrechtsnachfolger (im Streitfall die Kinder) die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger (im Streitfall die Mutter) nach § 23 Abs. 1 S. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) zuzurechnen. Diese Regelung dient, so der Bundesfinanzhof, der Verhinderung von Missbräuchen. Denn Anschaffung ist (nur) der entgeltliche Erwerb eines Wirtschaftsguts. Ohne die Regelung des § 23 Abs. 1 S. 3 EStG könnte die Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft durch eine unentgeltliche Übertragung auf einen Dritten umgangen werden.
Das Bestreben, Steuern zu sparen, macht für sich allein eine Gestaltung noch nicht unangemessen. Vorliegend ergibt sich ein „Steuervorteil“ allein daraus, dass die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks von Gesetzes wegen akzeptiert wird – mit der Folge, dass ein Veräußerungsgewinn nicht vom Schenker, sondern vom Beschenkten nach dessen persönlichen Verhältnissen versteuert werden muss.
Praxistipp: Im Streitfall ging es um die einkommensteuerlichen Folgen der Gestaltung. Zu beachten ist aber auch, dass eine unentgeltliche Zuwendung Schenkungsteuer auslösen kann. Bei Schenkungen an die Kinder fällt aber nur dann Schenkungsteuer an, soweit die Zuwendung – unter Berücksichtigung von Vorschenkungen innerhalb eines 10-Jahres-Zeitraums – den Freibetrag von 400.000 EUR übersteigt.
Quelle: BFH-Urteil vom 23.4.2021, Az. IX R 8/20
Verfahrensrecht | LfSt Niedersachsen zur Zins-Entscheidung des BVerfG
Das Landesamt für Steuern Niedersachsen hat zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur 6 %-Verzinsung Stellung genommen.
Hintergrund: Mit seinem am 18.8.2021 veröffentlichten Beschluss v. 8.7.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 hat das BVerfG die gesetzlich geregelte 6 %-Verzinsung von Steuerforderungen und Steuererstattungen für verfassungswidrig erklärt (ausführlich hierzu Baum, NWB 35/2021 S. 2580). Die Finanzämter dürfen das Gesetz nur noch für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 31.12.2018 weiter anwenden. Für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 hat das BVerfG den Gesetzgeber verpflichtet, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Der Gesetzgeber hat dafür Zeit bis zum 31.7.2022.
Die Entscheidung des BVerfG hat dem LfSt Niedersachsen zufolge insbesondere folgende Auswirkungen:
Es geht erstens ausdrücklich nur um Nachzahlungs- und Erstattungszinsen, nicht um Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen und auch nicht um Prozesszinsen. Anträge wegen angeblicher Verfassungswidrigkeit solcher anderer Zinsen werden die Finanzämter - entsprechend dem weiter geltenden Gesetz – ab sofort wieder ablehnen. Im Ergebnis müssen diese anderen Zinsen jetzt gezahlt werden.
Es geht zweitens nur um die gesetzliche 6 %-Regelung zur Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen für die Zeit ab 2019. Für die Zeit bis dahin hat das BVerfG das Gesetz ausdrücklich für weiter anwendbar erklärt.
Mit anderen Worten: Zinsfestsetzungen für die Zeit bis 31.12.2018, die bislang wegen der ausstehenden Entscheidung des BVerfG noch vorläufig oder in ihrer Wirkung ausgesetzt waren, sind nun als endgültig anzusehen. Wenn die Finanzämter bislang für die Zeit bis 31.12.2018 auf die Zahlung von Nachzahlungszinsen im Wege der Aussetzung der Vollziehung vorläufig verzichtet haben, ist damit jetzt Schluss: Die Steuerpflichtigen müssen auch diese Beträge nachentrichten.
Dagegen hat das BVerfG den Finanzämtern jegliche Festsetzung von Zinsen auf Steuerforderungen und -erstattungen für die Zeit ab 2019 untersagt. Sie dürfen ab sofort für die Zeit ab 2019 „neue“ Zinsen gar nicht mehr verlangen, sondern müssen hierfür abwarten, wie der Gesetzgeber die Dinge neu regeln wird.
Aktuell ist somit offen, wie für die Zeit ab 2019 zu verfahren sein wird. Denn nach der Entscheidung des BVerfG ist es nun Sache des Gesetzgebers, für die Zeit ab 1.1.2019 eine Ersatzregelung zur Verzinsung von Nachzahlungen und Erstattungen zu treffen. Bundestag und Bundesrat haben hierfür Zeit bis zum 31.7.2022, und sie können die Regelung auch rückwirkend ab 2019 in Kraft setzen.
Endgültige, nicht mehr änderbare Zinsfestsetzungen für Zeiten ab 1.1.2019 sind (wegen der sog. Bestandskraft solcher Bescheide) hiervon grundsätzlich nicht betroffen (außer dass die Finanzämter auch aus bestandskräftigen Zinsfestsetzungen die Zahlung noch offener/nicht entrichteter Beträge nicht mehr fordern dürfen).
Bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber verfahren die Finanzämter bei Zinsfestsetzungen für die Zeit ab 1.1.2019 mit vorläufiger Wirkung wie folgt (in die Bescheide werden entsprechende Aussagen in Form von Nebenbestimmungen und Erläuterungen aufgenommen. Details hierzu enthält das BMF-Schreiben v. 17.9.2021 - IV A 3 - S 0338/19/10004 :005, das im BStBl. I und auf den Internetseiten des BMF veröffentlicht wird:
Neu zu erlassende Bescheide, mit denen eine erstmalige Festsetzung von Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen einhergehen würde, werden von vornherein in Bezug auf diese Zinsen vorläufig „auf null“ gesetzt, bis der Gesetzgeber die Ersatzregelung geschaffen hat und das Finanzamt diese sodann auf die Fälle - ggf. rückwirkend - anwenden kann.
Bescheide, die vor der Entscheidung des BVerfG ergangen waren und die noch nicht endgültig sind, bleiben grundsätzlich weiterhin nicht endgültig, solange sie von keinem der Beteiligten „angefasst“ werden. D. h. die in den Bescheiden enthaltenen Zinsfestsetzungen sind weiterhin "in der Welt", aber mit dem Status „vorläufig“ (= bis zur Neuregelung des Gesetzgebers), und dies auch unabhängig davon, ob die betreffenden Zinszahlungen geleistet, gestundet oder in anderer Weise ausgesetzt worden sind. Sobald der Gesetzgeber spätestens bis 31.7.2022 die Ersatzregelung getroffen haben wird und damit für alle Beteiligten klar sein wird, welche Änderungen sich konkret ergeben, werden die Finanzämter diese Änderungen eigenständig und grundsätzlich ohne weiteren „Anstoß“ der Steuerpflichtigen in jedem einzelnen Fall von sich aus vornehmen. Das wird dann auch maschinell möglich sein.
Bei Bescheiden, die vor der Entscheidung des BVerfG ergangen sind und die jetzt - warum auch immer - geändert werden (müssen), kommt es darauf an, ob sich durch die Änderung für den Steuerpflichtigen eine (weitere) Nachzahlung ergibt oder ob ihm etwas zu erstatten ist: Bei einer (weiteren) Nachzahlung wird das Finanzamt die diesbezüglichen (weiteren) Zinsen – wie bei den Neufestsetzungen (siehe oben) – vorläufig „auf null“ setzen. Bei einer Erstattung (wegen nachträglich verminderter Nachzahlungshöhe) wird das Finanzamt die insoweit zu viel gezahlten Zinsen mit erstatten. Maßgeblich ist also der Änderungsbetrag (nach oben bzw. nach unten). Oder umgekehrt ausgedrückt: Die Zinsen in Bezug auf den gegenüber der bisherigen Festsetzung unveränderten Teil bleiben vorläufig unangetastet – mit der Betonung auf „vorläufig“. Denn all dies gilt nur bis zur Ersatzregelung durch den Gesetzgeber.
Je nachdem, wie der Gesetzgeber sodann die Ersatzregelung ausgestaltet, werden die Finanzämter die Nachzahlungs- und Erstattungszinsen zu gegebener Zeit entsprechend neu festsetzen.
Hinweis des LfSt Niedersachsen:
Mit diesem Vorgehen beachten die Steuerverwaltungen von Bund und Ländern sowohl die Entscheidung des BVerfG als auch die Hoheit und Kompetenz des Gesetzgebers für die zu treffende Ersatz-/Neuregelung. Keine Bürgerin und kein Bürger und kein Unternehmen muss befürchten, hierdurch Nachteile zu haben. Das berechtigte Anliegen aller Steuerpflichtigen, bei der Verzinsung von Steuernachforderungen und von Steuererstattungen gesetzes- und verfassungsgerecht behandelt zu werden, werden die Finanzämter umfassend beachten: Sie werden in der Regel ohne weiteres Zutun der Steuerpflichtigen nach Maßgabe der bis 31.7.2022 vom Gesetzgeber zu erlassenden Neuregelung die Verzinsung für die Zeiten ab 1.1.2019 "glattziehen".
Kleine Fotovoltaikanlagen: Steuerlich unbeachtliche Liebhaberei auf Antrag
Bei kleinen Fotovoltaikanlagen kommt es oft zu Streitigkeiten mit dem Finanzamt, wenn die Gewinnerzielungsabsicht angezweifelt wird. Das ist meist der Fall, wenn in den ersten Jahren höhere Verluste erwirtschaftet werden. Diesen Streit möchte das Finanzamt ab sofort vermeiden. Damit künftig keine aufwendigen und streitanfälligen Ergebnisprognosen für die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht vom Steuerpflichtigen erstellt und vom Finanzamt geprüft werden müssen, hat die Finanzverwaltung eine praxistaugliche Vereinfachung geschaffen.
Keine Gewinnerzielungsabsicht auf Antrag
Auf schriftlichen Antrag des Steuerpflichtigen ist aus Vereinfachungsgründen ohne weitere Prüfung in allen offenen Veranlagungszeiträumen zu unterstellen, dass die Fotovoltaikanlage nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Es liegt damit eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei vor. Der Antrag wirkt auch für die Folgejahre.
Durch die Antragstellung wird auch für alle verfahrensrechtlich noch offenen Veranlagungszeiträume der Vergangenheit unterstellt, dass keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Die Folge ist, dass auch in bereits vergangenen Jahren keine Gewinne versteuert werden müssen bzw. Verluste verrechenbar sind. Erfolgten Steuerfestsetzungen z. B. unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bzw. ergingen sie insoweit vorläufig, sind die Steuerfestsetzungen zu ändern und Gewinne bzw. Verluste nicht weiter zu berücksichtigen. Gewinne oder Verluste bleiben nur dann bestehen, wenn sie in einem verfahrensrechtlich nicht mehr änderbaren Steuerbescheid berücksichtigt wurden.
Praxistipp: Eine Antragstellung kann vor allem sinnvoll sein, wenn bereits für ältere Jahre Verluste anerkannt wurden und diese Jahre nicht geändert werden können. Dann bleiben diese Verluste steuerlich erhalten, künftige Gewinne unterliegen jedoch nicht der Besteuerung.
Wird kein entsprechender Antrag durch den Steuerpflichtigen gestellt, bleibt es bei dem ursprünglichen Verfahren. Die Gewinnerzielungsabsicht ist dann nach den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen.
Nur kleine Anlagen sind begünstigt
Die Liebhaberei auf Antrag gilt für kleine Fotovoltaikanlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 10 kW, wenn die Inbetriebnahme nach dem 31.12.2003 erfolgte. Zudem muss sich die Fotovoltaikanlage auf einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten oder auf einem unentgeltlich überlassenen Ein- oder Zweifamilienhaus einschließlich dessen Außenanlagen (z.B. Garagen) befinden.
Eine Anwendung ist damit ausgeschlossen, wenn die Anlage auf einem vermieteten oder gewerblich genutzten Grundstück oder auf einem Mehrfamilienhaus installiert wurde. Bei der Prüfung, ob es sich um ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Ein- und Zweifamilienhaus handelt, ist ein häusliches Arbeitszimmer unbeachtlich. Gleiches gilt für Räume (z.B. Gästezimmer), die nur gelegentlich entgeltlich vermietet werden, wenn die Einnahmen hieraus 520 EUR im Veranlagungszeitraum nicht überschreiten.
Beachten Sie: Die Neuerungen gelten auch für kleine Blockheizkraftwerke mit einer installierten Leistung von bis zu 2,5 kW. Voraussetzung ist allerdings auch hier, dass sich das Blockheizkraftwerk in einem eigengenutzten oder unentgeltlich überlassenen Ein- oder Zweifamilienhaus befindet und die Inbetriebnahme nach dem 31.12.2003 erfolgte.
Liegen die Voraussetzungen der Liebhaberei auf Antrag in vorangehenden Jahren nicht vor oder ändern sich in künftigen Veranlagungszeiträumen die Verhältnisse (z.B. Vergrößerung der Anlage oder Nutzungsänderung des Gebäudes), gilt der Antrag insoweit nicht. Zudem ist der Steuerpflichtige verpflichtet, dem Finanzamt einen Wegfall der Voraussetzungen für die Vereinfachungsregelung in künftigen Jahren schriftlich mitzuteilen.
Umsatzsteuerliche Hinweise
Die vorgenannten Ausführungen gelten für die Einkommensteuer. Umsatzsteuerlich ist es unbeachtlich, ob die Anlage mit Gewinn oder Verlust betrieben wird. Hier kommt es für die Unternehmereigenschaft darauf an, ob mit der Anlage Einnahmen erzielt werden sollen.
BMF-Schreiben vom 02.06.2021, Az. IV C 6 - S 2240/19/10006 :006
Steuererklärung 2020: Abgabefrist um drei Monate verlängert
Durch das ATAD-Umsetzungsgesetz wurde die Abgabefrist für die Steuererklärung 2020 um drei Monate verlängert. Damit endet die Abgabefrist in beratenen Fällen, d. h., wenn die Steuererklärung z.B. durch einen Steuerberater erstellt wird, grundsätzlich am 31.05.2022.
Wegen der durch die Coronapandemie verursachten Ausnahmesituation wurden auch die Erklärungsfristen in nicht beratenen Fällen sowie die zinsfreien Karenzzeiten für den Besteuerungszeitraum 2020 um drei Monate verlängert. Die sich hieraus ergebenden Anwendungsfragen hat das Bundesfinanzministerium in einem aktuellen Schreiben beantwortet.
ATAD-Umsetzungsgesetz vom 25.6.2021, BGBl I 2021, S. 2035; BMF-Schreiben vom 20.7.2021, Az. IV A 3 - S 0261/20/10001 :014
Warnhinweis für auswanderungswillige Gesellschafter von Kapitalgesellschaften
Mit Wirkung zum 1.1.2022 wurde, ohne große mediale Aufmerksamkeit, das Außensteuergesetz (AStG) novelliert. Dabei wurde u. a. § 6 AStG grundlegend und drastisch verschärft und der Auswanderung für Unternehmer neue finanzielle, unter Umständen existenzbedrohende, Hürden gestellt.
„Steuermauer“
Für deutsche Steuerpflichtige mit der Absicht auszuwandern, besteht das Problem für Anteilseigener von Kapitalgesellschaften (z. B. GmbH), dass bei einem Wegzug in das Ausland der Wertzuwachs der GmbH-Anteile zu versteuern ist (sogenannte Steuermauer). Beispiel: Malermeister Pinselstrich, der sein Unternehmen als GmbH betreibt (Stammkapital 25 T€, keine Gewinnrücklage) hat sein Traumgrundstück mit Meerblick in Kroatien (EU-Mitglied) gefunden und möchte dorthin auswandern. Mit dem Zeitpunkt der Auswanderung werden die Firmenanteile mit einem Betrag von z. B. 350 T€ bewertet und der Differenzbetrag zum Buchwert (350T€ - 25T€ = 325T€) ist zu versteuern. Obwohl Pinselstrich die Anteile nicht verkauft hat, muss er davon 60 % (Teileinkünfteverfahren) der deutschen Einkommensteuer (maximal 45 % + Soli) unterwerfen.
Ab 1.1.2022 keine Stundung mehr
Nach bisherigem Recht konnte bei Wegzug in ein EU-Land die Steuer bisher unbegrenzt und zinslos bis zu einer tatsächlichen Veräußerung oder einem Wegzug in ein Land außerhalb der EU gestundet werden. Das ist ab 2022 nicht mehr möglich. Ab diesem Zeitpunkt ist die Steuer sofort fällig und kann lediglich in einer Ratenzahlung, verteilt über sieben Jahre, gezahlt werden. Der Gesetzgeber fordert dafür aber eine Sicherheitsleistung. Malermeister Pinselstrich müsste also entweder die Steuer sofort bezahlen oder aber z. B. eine Bankbürgschaft erbringen oder anderes Vermögen verpfänden. Unter Umständen ist daher die Auswanderung nur mit gleichzeitiger, zumindest teilweiser, Veräußerung der Anteile denkbar, um die nötigen Finanzmittel bereitzustellen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Voraussetzung der mindestens 10-jährigen unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland auf sieben Jahre innerhalb der letzten zwölf Jahre, reduziert wurde.
Auswanderung bis 31.12.2021
Gesellschafter von Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH, UG oder AG, bei denen eine Auswanderung in ein EU-Land unmittelbar bevorsteht, sollten daher prüfen, ob Sie diese noch in diesem Jahr realisieren können, um in den Genuss der bisherigen Stundungsregel zu gelangen.
Lösungen: Rückkehrregelung oder andere Rechtsform
Alternativ zur Besteuerung besteht die Möglichkeit der „Rückkehrwilligkeit“, deren Befristung von fünf auf sieben Jahre verlängert wurde und auf Antrag um weitere fünf, also insgesamt auf zwölf Jahre verlängert werden kann. Die Steuer wird in diesen Fällen zinslos gestundet, allerdings ist eine Sicherheitsleistung erforderlich. Pinselstrich müsste in diesem Fall dokumentieren, warum es überwiegend wahrscheinlich ist, dass er innerhalb von zwölf Jahren zurückkehren wird. Die Rückkehrregelung kann bei komplizierten gesellschaftlichen Strukturen und nur zeitweiser internationaler Mobilität der Gesellschafter (z. B. Auslandsstudium) eine Lösung zur Verhinderung größerer Steuerzahlungen sein.
Eine weitere Möglichkeit ist es, eine Kapitalgesellschaft vor einer Auswanderung in eine Personengesellschaft (z. B. eine GmbH & Co. KG) umzuwandeln. Aufgrund der weitreichenden Konsequenzen sollte dies aber erst nach Prüfung durch einen Steuerexperten erfolgen.
Ob die europarechtlich sehr fragwürdige Neuregelung des § 6 AStG vor Gerichten Bestand haben wird, bleibt abzuwarten.
Versteuerung der privaten Fahrzeugnutzung bei Arbeit im Homeoffice
Der allgemeinen Empfehlung zur verstärkten Nutzung von Homeoffice während der Pandemie sind viele Steuerpflichtige gefolgt. Dadurch haben sich die Fahrten
zwischen Arbeitsort und Wohnung bei diesen Mitarbeitenden reduziert. Wird dabei ein betrieblicher PKW gestellt, der auch privat genutzt werden darf, wird neben der
1 %-Regelung zur Abgeltung der Privatnutzung auch die sogenannte 0,03 %-Regelung für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit fällig.
Beispiel: PKW-Bruttolistenpreis 50.000 € x 10 km Entfernung Wohnung-Arbeitsort x 0,03 % = 150 € monatlich.
Der Steuerpflichtige versteuert also monatlich neben der 1 %-Regel (500 €) zusätzlich 150 € für den Arbeitsweg.
Weniger Fahrten durch Homeoffice
Durch die Nutzung des Homeoffice im Jahre 2020 hat der Steuerpflichtige aber statt der üblichen 225 Arbeitstage beispielsweise nur 100 Arbeitstage im Büro verbracht, da er an 115 Tagen von zu Hause ausgearbeitet hat. Dafür können in der Steuererklärung für 2020 115 Tage x 5 € = 575 € „Homeoffice-Pauschale“ geltend
gemacht werden (Hinweis: maximal 600 €, was 120 Tagen entspricht).
Anwendung der 0,002 %-Regelung
Weniger bekannt ist, dass es auch eine 0,002 %-Regelung gibt. Anstelle der pauschalen Versteuerung des Fahrtwegs mit 0,03 % des Bruttolistenpreises pro
Monat ist eine Versteuerung der tatsächlich durchgeführten Fahrten ins Büro mit 0,002 % des Bruttolistenpreises möglich. Im genannten Beispiel sind das 100 Tage x
0,002 % x 50.000 € x 10 km = 1.000 €. Zu versteuern sind also lediglich 1.000 €, während in der monatlichen Lohnabrechnung bereits 12 x 150 € = 1.800 € versteuert
wurden.
Lösung in der Steuererklärung
In der Steuererklärung für 2020 sollten daher die 575 € Homeoffice-Pauschale sowie eine Minderung der PKW-Versteuerung um 800 € geltend gemacht werden.
Notwendig ist dafür eine datumsmäßige Aufzeichnung der Tage mit und ohne Homeoffice, die sinnvollerweise vom Arbeitgeber autorisiert werden sollte sowie die
Nachweise der monatlichen Versteuerung durch Vorlage der jeweiligen Lohnabrechnungen. Da die 0,002 %-Regel möglicherweise nicht immer ausreichend
bekannt ist, kann eine schriftliche Erläuterung beim Finanzamt erforderlich werden. In diesen Fällen kann auf folgende Fundstellen verweisen werden: BFH vom
22.09.2010, VI R 57/09, BStBl. 2011 II, S. 539 und BMF-Schreiben vom 01.04.2011, IV C 5 – S. 2334/08/10010, BStBl. 2011 I S. 301.
Quelle: www.expertendiesichlohnen.de.
Das BMF hat in seinen FAQ "Corona" (Steuern) unter X.20 auf Seite 30 zur Frage Stellung genommen, ob die Abnahme von Corona-Schnelltests durch „Nichtärzte“ - also z. B. Apotheken - eine steuerfreie oder steuerpflichtige Leistung ist.
Offenbar „gewährt“ das BMF hier Apotheken ein Wahlrecht, diese Testleistungen als steuerfreie Umsätze zu erfassen. Dies ist auf den ersten Blick großzügig, kann aber ein Problem nach sich ziehen.
Wenn der Apotheker Räumlichkeiten (in einem Gebäude mit Baubeginn ab dem 11.11.1993) angemietet und der Vermieter nach § 9 UStG auf die Steuerbefreiung der Vermietungsleistung verzichtet hat, darf der Mieter nach § 9 Abs. 2 UStG keine vorsteuerabzugsschädlichen Ausgangsleistungen ausführen; die Finanzverwaltung gewährt in Abschn. 9.2 Abs. 3 UStAE eine Bagatellgrenze von nicht mehr als 5 % vorsteuerschädliche Ausgangsleistungen. Macht nun der Apotheker vom Wahlrecht zur steuerfreien Erbringung des Corona-Schnelltests Gebrauch und übersteigt dies 5 % seiner Umsätze (solche Fälle gibt es!), ist die Option durch den Vermieter unzulässig. Der Vermieter vermietet dann steuerfrei, hat keinen Vorsteuerabzug und muss evtl. Vorsteuerberichtigungen nach § 15a UStG durchführen. Der Apotheker hat als Mieter aus der Gesamtmiete keinen Vorsteuerabzug mehr, da es sich um unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG handelt. Und am Ende kann dafür die Steuerberaterin oder der Steuerberater haftbar gemacht werden, wenn sie den Mandanten nicht darauf hinweisen. Diese „Gefahr“ gilt umso mehr, falls Apotheker auch Impfungen vornehmen können bzw. wenn ggf. der Verkauf der Impfstoffe steuerfrei gestellt werden sollte, was derzeit in der Diskussion ist. Bei Umsatzsteuerbefreiungen ist also immer auch auf Folgewirkungen zu achten!
Das Thema betrifft nicht nur Apotheken, sondern auch andere Vermietungen. Es gibt mittlerweile in verschiedenen Gewerberäumen „Testcenter“, in denen Corona-Schnelltests durchgeführt werden; dort gilt dieselbe Problematik für Vermieter oder auch bei Untervermietung.
ANLAGE CORONA-HILFEN BEI DER STEUERERKLÄRUNG 2020
Viele Unternehmer und Selbstständige haben das Corona-Jahr 2020 nur mit staatlichen Hilfen überstanden und hoffen nun auf Besserung in 2021. Aus steuerlicher Sicht ist das Corona-Jahr 2020 jedoch noch nicht erledigt: Es steht noch die Steuererklärung an. Hierfür hat die Finanzverwaltung ein neues Formular für das Corona-Jahr geschaffen, die „Anlage Corona-Hilfen“. In dieser Anlage muss angegeben werden, ob und in welcher Höhe Zuschüsse vom Bund oder den Ländern zur Überwindung der Corona-Krise erhalten wurden. Da diese Zuschüsse als Betriebseinnahmen einzustufen sind und grundsätzlich keine Steuerbefreiung greift, unterliegen sie der Ertragsbesteuerung.
Als Corona-Hilfen gelten die Soforthilfen des Bundes und der Länder, die als Zuschuss gewährt wurden. Auch die Überbrückungshilfen und die November-/Dezemberhilfe wurden als Zuschüsse gewährt und sind als Corona-Hilfen in der neuen Anlage anzugeben. Weitere Billigkeitsleistungen des Bundes oder der Länder, die zur Finanzierung von Betriebsausgaben gewährt wurden und nicht zurückgezahlt werden müssen, zählen ebenso dazu. Nicht anzugeben sind beispielsweise Darlehens- oder Bürgerschaftsprogramme des Bundes und der Länder bzw. der KfW.
Die Anlage Corona-Hilfen zur Einkommensteuererklärung fragt im ersten Schritt ab, ob entsprechende Hilfen in Anspruch genommen wurden. Dies ist in Zeile 4 anzugeben. Wurden keine Zuschüsse beantragt und ausgezahlt, endet das Ausfüllen der Anlage an dieser Stelle. Wurden Zuschüsse vereinnahmt, sind diese für jeden Betrieb separat in den Zeilen 5 bis 11 anzugeben. Einzutragen ist der Saldo zwischen erhaltenen und ggf. im gleichen Kalenderjahr zurückgezahlten Hilfen; Rückzahlungen erfolgten, wenn nach Auszahlung festgestellt wurde, dass keine oder eine geringere Anspruchsberechtigung vorlag.
Die Angaben in der Anlage Corona-Hilfen dienen der Überprüfung, ob in den jeweiligen Einnahmen-Überschuss-Rechnungen bzw. in der E-Bilanz die Corona-Zuschüsse als Betriebseinnahmen erfasst wurden. Die Finanzverwaltung empfiehlt, die Corona-Zuschüsse in der Anlage EÜR in Zeile 15 zu erfassen. Bei umsatzsteuerlichen Kleinunternehmern sollten die Zeilen 11 und 12 der Anlage EÜR genutzt werden. Bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG ggf. i. V. m. § 5 EStG sollten die Erträge in der E-Bilanz unter der Taxonomie-Position "sonstige betriebliche Erträge (GKV), Zuschüsse und Zulagen, sonstige Zuschüsse und Zulagen" bzw. in der Oberposition "sonstige betriebliche Erträge (GKV), Zuschüsse und Zulagen" erfasst werden. Im Umsatzkostenverfahren sind entsprechende Positionen vorhanden.
Einige Länder (z. B. Berlin) haben zu Beginn der Krise auch Zuschüsse gewährt, die ganz oder teilweise für die Bestreitung des privaten Lebensunterhalts genutzt werden durften. Hier stellt sich die Frage, ob diese aufgrund des fehlenden Zusammenhangs zur betrieblichen Sphäre als nicht steuerbar zu behandeln sind. Es empfiehlt sich gleichwohl eine Offenlegung und Erläuterung im Rahmen der Steuererklärung, da die auszahlenden Stellen verpflichtet sind, den Finanzverwaltungen die ausgezahlten Corona-Hilfen mitzuteilen. Bei Abweichung zwischen den gemachten Angaben in der Steuererklärung und den Informationen der Finanzverwaltung käme es ohne entsprechende Erläuterung zu Nachfragen.
Die Anlage Corona-Hilfen stellt nicht nur eine Anlage zur Einkommensteuererklärung, sondern auch zu Feststellungserklärungen dar. Wurde für eine Gesellschaft, die eine Feststellungserklärung erstellt, Corona-Hilfen bezogen, ist dies in Zeile 12 anzugeben. In Zeile 13 wäre wiederum der Saldo zwischen den erhaltenen und den im gleichen Kalenderjahr zurückgezahlten Hilfen einzutragen. Auch im Rahmen der Körperschaftsteuerklärung 2020 sind Angaben zu Corona-Hilfen zu machen: in Anlage WA sind in Zeile 40 die Corona-Zuschüsse, die im Veranlagungszeitraum 2020 steuerlich erfasst wurden, als Saldo der im Kalenderjahr 2020 erhaltenen abzüglich der im gleichen Kalenderjahr zurückgezahlten Zuschüsse anzugeben. Da Körperschaften keine private Lebenshaltungssphäre besitzen, erübrigt sich hier eine Diskussion über die Steuerbarkeit der Hilfen. Die Finanzämter erhalten auch hier von den auszahlenden Stellen eine Mitteilung über Art und Höhe der Corona-Zuschüsse. Fehlt eine Angabe in Zeile 40 oder ist diese nicht mit den Informationen der Finanzverwaltung abstimmbar, ist mit Rückfragen zur Aufklärung des Sachverhalts zu rechnen.
Umsatzsteuerlich stellen sämtliche Corona-Zuschüsse echte nicht steuerbare Zuschüsse dar und unterliegen dementsprechend nicht der Umsatzsteuer. Die Zuschüsse sind demnach weder in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen noch in der Jahreserklärung anzugeben.
BVerfG: Vermögensabschöpfung auch für verjährte Taten möglich
Art. 316h S. 1 EGStGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 ist mit dem Grundgesetz vereinbar, auch soweit er die Neuregelungen in Fällen für anwendbar erklärt, in denen bereits vor dem Inkrafttreten des Reformgesetzes Verfolgungsverjährung eingetreten war (BVerfG 10.2.21, 2 BvL 8/19).
Der BGH hatte dem BVerfG die Frage der Vereinbarkeit dieser Übergangsvorschrift mit dem Grundgesetz bei einem solchen Sachverhalt vorgelegt. Laut BVerfG stellt Art. 316h S. 1 EGStGB bei derartigen Sachverhalten zwar eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen („echte“ Rückwirkung) dar. Ausnahmsweise ist diese aber wegen überragender Belange des Gemeinwohls zulässig und mit dem Grundgesetz vereinbar.
Längere Stundungsmöglichkeit für Steuern
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat angesichts der andauernden coronabedingten Belastungen angekündigt, die Stundungsmöglichkeiten fälliger Steuerzahlungen weiter zu verlängern. Zinslose Stundung könnte danach bis zum 30.09.2021 gewährt werden.
Steuerstundungsmöglichkeiten waren zuletzt ein erprobtes Mittel, um von der Coronakrise gebeutelte Unternehmen in ihrer Liquiditätsnot zu entlasten.
Die Finanzverwaltung veröffentlichte Ende letzten Jahres bereits ein entsprechendes BMF-Schreiben (19.3.2020). Danach gelten für nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffene Steuerpflichtige besondere Stundungsregelungen (vgl. BMF-Schreiben vom 22.12.2020). Steuerpflichtige können seither bis zum 31.3.2021 unter Darlegung ihrer Verhältnisse Anträge auf Stundung der bis dato fälligen Steuern stellen.
Die Stundungen sollen gemäß den bisherigen Vorgaben längstens bis zum 30.6.2021 gewährt werden.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat am 16.3.2021 angekündigt, diese Fristen zu verlängern. Anträge auf Stundung könnten dann bis zum 30.6.2021 gestellt und zinslose Stundung bis zum 30.9.2021 gewährt werden (vgl. SZ v. 16.3.2021). Ein offizielles, aktualisiertes und mit den Ländern abgestimmtes BMF-Schreiben mit weiteren Einzelheiten dürfte in Kürze veröffentlicht werden.
Anwalts- und Prozesskosten bei Einstellung eines Steuerstrafverfahrens
Sind Anwalts- und Prozesskosten als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn aufgrund der Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens nach § 153a StPO weder eine Verurteilung noch ein Freispruch des Steuerpflichtigen erfolgt ist?
Grundsatz: Strafverteidigungskosten keine Steuerberatungskosten
Privat veranlasste Steuerberatungskosten sind nicht mehr als Sonderausgaben abziehbar. Steuerberatungskosten sind nur noch zu berücksichtigen, wenn sie Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen. Nicht zu den Steuerberatungskosten zählen u.a. Rechtsanwaltskosten, die der Steuerpflichtige für die Verteidigung in einem Steuerstrafverfahren aufwendet (BFH, Urteil v. 20.9.1989, X R 43/86; BMF, Schreiben v. 21.12.2007, IV B 2 - S 2144/07/0002). Denn die Kosten für die Verteidigung in einem Steuerstrafverfahren stehen nicht mit der Erfüllung der steuerlichen Pflichten oder mit der Wahrnehmung der Rechte des Steuerpflichtigen bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in Zusammenhang.
Strafverteidigungskosten in einem Steuerstrafverfahren: Prinzipiell keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten
Für Verteidigungskosten in einem Steuerstrafverfahren gilt nichts anderes als für die Kosten der Strafverteidigung in anderen Strafsachen: Diese sind prinzipiell nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu berücksichtigen. Strafverteidigungskosten sind Folgen kriminellen Verhaltens und deshalb, wie die Strafe selbst, grundsätzlich der privat zu verantwortenden Unrechtssphäre zuzuordnen. Wie die Strafe gehören auch die mit der Strafverteidigung zusammenhängenden Kosten grundsätzlich zu den Aufwendungen für die Lebensführung.
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Grundsätzlich handelt es also sich bei den Kosten Strafverteidigungskosten um
private Aufwendungen, es sei denn, die Aufwendungen sind ausschließlich und unmittelbar durch die Erwerbstätigkeit veranlasst und nicht nur bei Gelegenheit der beruflichen Tätigkeit verursacht worden (
BFH, Urteil v. 13.12.1994, VIII R 34/93,
Urteil v. 9.12.2003, VI R 35/96).
Ausnahmen: Anerkennung als Betriebsausgaben
Ausnahmsweise können Ausgaben der Strafverteidigung als Betriebsausgaben anerkannt werden. Voraussetzung ist, dass das Strafverfahren in ursächlichem Zusammenhang mit einem betrieblichen Vorgang steht. Dies gilt auch für vorsätzlich begangene Delikte. Ein ursächlicher betrieblicher Zusammenhang ist aber nur gegeben, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat ausschließlich aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar ist.
Betrieblich veranlasst können auch Verteidigungskosten in einem Steuerstrafverfahren sein, wenn die Straftaten Betriebssteuern (wie Umsatzsteuer oder Gewerbesteuer) betreffen, soweit dem Abzug dieser Steuern selbst nicht § 12 Nr. 3 EStG entgegensteht. Nicht betrieblich veranlasst ist die Hinterziehung von Betriebssteuern jedoch, wenn dadurch zwar die betriebliche Steuerschuld gemindert wird, die Minderung jedoch darauf beruht, dass betriebliche Mittel privat vereinnahmt oder für private Zwecke verwendet und damit dem Betrieb entzogen wurden (BFH, Urteil v. 20.9.1989, X R 43/86).
Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO
Wird das Steuerstrafverfahren nach § 153a StPO eingestellt, stellt sich die Frage, ob die Anwaltskosten als Betriebsausgaben abziehbar sind. Die Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, dass der Steuerpflichtige die ihm zur Last gelegte Tat verübt hat (BFH, Beschluss v. 17.8.2011, VI R 75/10, Rn. 11).
FG Rheinland-Pfalz sieht Klärungsbedarf
Nach Auffassung des FG Rheinland-Pfalz ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, auf welcher Grundlage die Prüfung des für den Betriebsausgabenabzug von Strafverteidigerkosten erforderlichen ausschließlichen und unmittelbaren Veranlassungszusammenhangs zur betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen in Fällen, in denen aufgrund der Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens nach § 153a StPO weder eine Verurteilung noch ein Freispruch des Steuerpflichtigen erfolgt, vorzunehmen ist (FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 20.10.2020, 5 K 1613/17). Das FG hat daher die Revision gegen sein Urteil zugelassen.
Revisionsverfahren beim BFH anhängig
Die zugelassene Revision ist unter dem BFH-Az. X R 34/20 anhängig. Vor allem in Fällen, in denen die Kosten der Strafverteidigung nicht als Betriebsausgaben anerkannt wurden, obwohl das Verfahren eingestellt wurde, ist es ratsam, Einspruch einzulegen.
Kapitalgesellschaften und KGs: Offenlegungsfrist wird nochmals verlängert
Das zuständige Bundesamt für Justiz hat am Freitag 26.02.2021 folgende Information veröffentlicht: „Einleitung von Ordnungsgeldverfahren für das Geschäftsjahr mit dem Bilanzstichtag 31. Dezember 2019 Das Bundesamt für Justiz wird in Abstimmung mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gegen Unternehmen, deren gesetzliche Frist zur Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen für das Geschäftsjahr mit dem Bilanzstichtag 31. Dezember 2019 am 31. Dezember 2020 endet, vor dem 6. April 2021 kein Ordnungsgeldverfahren nach § 335 des Handelsgesetzbuchs einleiten. Damit sollen angesichts der andauernden COVID-19-Pandemie die Belange der Beteiligten angemessen berücksichtigt werden.“
Fitnessstudio-Beiträge im Fokus von BFH und Finanzverwaltung
Die Möglichkeit zur Teilnahme an einem guten Firmen-Fitnessprogramm hält die Mitarbeiter nicht nur fit, sondern bestenfalls auch bei der Stange. Arbeitgeber sollten
aus lohnsteuerlichen Gründen jedoch stets die aktuelle Rechtsprechung im Blick behalten. Obacht gilt auch für die Betreiber von Fitnessstudios im Zusammenhang
mit Beitragsfortzahlungen im Zuge coronabedingter Schließzeiten.
Sporttipps und Online-Fitness-Programme sind in Zeiten des Corona-Virus gefragter denn je. Der Fitness-Trend, der im aktuellen Lockdown, die Pfunde schmelzen lässt: Hula-Hoop.
Dabei stimmt uns nach einem erfolgreichen Workout nicht nur der Blick auf die Waage glücklich. Bewegung - am besten an der frischen Luft - ist auch für Geist und Seele enorm wichtig.
BFH stärkt 44-€-Freigrenze den Rücken
Die positiven Effekte sportlicher Betätigung hatte sicher auch der Bundesfinanzhof (BFH) im Blick als er sich jüngst dem Thema „Lohnzufluss bei der Teilnahme an einem Firmen-Fitnessprogramm“ widmete. Dem Urteil (Az.: VI R 14/18) ging folgender Sachverhalt voraus: Eine Unternehmerin erwarb Nutzungslizenzen einer Fitnesskette zu einem ermäßigten Preis, die ihren Mitarbeitern ermöglichten, bei sämtlichen Fitness-Partnern zu trainieren. Die Laufzeit des Vertrags zwischen der Unternehmerin und dem Fitnessstudio-Betreiber betrug zwölf Monate und verlängerte sich ohne Kündigung jeweils um ein weiteres Jahr.
Alle Mitarbeiter, die sich für das Firmenfitness-Programm anmeldeten, zahlten einen monatlichen Eigenanteil. Da hierdurch die 44-€-Freigrenze nicht erreicht wurde, ging die Unternehmerin davon aus, dass kein geldwerter Vorteil zu versteuern sei. Dies sah das zuständige Finanzamt jedoch anders: Es gelangte zu der Auffassung, dass der geldwerte Vorteil aufgrund der einjährigen Vertragsbindung der Unternehmerin den Mitarbeitern als Jahresbetrag zugeflossen sei. Die Freigrenze sei damit überschritten.
Der BFH „sprang“ jedoch der Unternehmerin bei und bestätigte, dass die geldwerten Vorteile den teilnehmenden Mitarbeitern monatlich - und nicht einmalig im Kalenderjahr mit der Aushändigung der Trainingsberechtigung bzw. des Mitgliedsausweises - zugeflossen sind. Unter Berücksichtigung der geleisteten Zuzahlungen der Mitarbeiter lag auch keine Überschreitung der 44-€-Freigrenze vor.
Das im Dezember veröffentlichte BFH-Urteil ist jedoch noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Auch auf der Liste des Bundesfinanzministeriums bezüglich der Anwendung neuer BFH-Entscheidungen (Stand: 8.2.2021) ist das Urteil bislang nicht vorgesehen.
Arbeitgeber mit vergleichbaren Sachverhalten sollten diese Quellen daher einmal mehr im Blick behalten.
Schon gewusst? Monatliche Sachbezugs-Freigrenze steigt auf 50 €
Zum 1.1.2022 steigt die Freigrenze für Sachbezüge von 44 € auf 50 € monatlich. Damit haben Arbeitgeber noch etwas mehr Spielraum, für ihre Mitarbeiter - nicht nur - zusätzliche sportliche Anreize zu schaffen.
Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Beitragsfortzahlungen in coronabedingten Schließzeiten
Der sportliche Gedanke - obgleich aus einer ganz anderen Perspektive - trieb auch die Finanzverwaltung um. Sie beschäftigte sich mit der Frage, wie mit Beitragsfortzahlungen während der coronabedingten behördlichen Schließung von Fitnessstudios umsatzsteuerlich umzugehen ist. Nach einer Abstimmung auf Bund-Länder-Ebene (z.B. laut Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein vom 3.12.2020, Az. VI 3510-S 7100-759) gilt diesbezüglich Folgendes:
„Sagt ein Fitnessstudiobetreiber seinen Kunden zu Beginn der Corona bedingten Schließzeiten zu, dass eine Beitragsfortzahlung zu einer taggenauen Zeitgutschrift führt, die eine Verlängerung des abgeschlossenen Dauervertrages zur Folge hat, handelt es sich um eine umsatzsteuerpflichtige Anzahlung. Eine Änderung der Bemessungsgrundlage ist nur unter der Voraussetzung des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG i. V. m. Abschn. 17.1 Abs. 7 Satz 3 UStAE - nämlich der Beitragsrückzahlung - möglich.“
Sagt ein Fitnessstudiobetreiber seinen Kunden zu Beginn der Corona bedingten Schließzeiten zu, dass bei Beitragsfortzahlung ein Gutschein entsprechend dem
ursprünglich gebuchten Leistungsumfang für eine beitragsfreie Zeit, die der Dauer der Schließzeit entspricht, ausgestellt wird, handelt es sich um Anzahlungen auf einen Einzweck-Gutschein. Eine Änderung der Bemessungsgrundlage ist nur unter der Voraussetzung des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG i. V. m. Abschn. 17.1 Abs. 7 Satz 3 UStAE - nämlich der Beitragsrückzahlung - möglich.
Fällt das Weihnachtsgeschenk zu üppig aus, kann Schenkungsteuer drohen!
Vielen Ehepaaren ist nicht bewusst, dass bei Geldtransfers zwischen ihnen steuerlich relevante Schenkungen vorliegen können. Ist man doch der Meinung, dass die Hälfte des Vermögens „sowieso“ dem Ehepartner gehört. Ein klassischer Problemfall ist dabei das gemeinschaftliche Bankkonto. Zahlt beispielsweise nur ein Ehegatte hohe Beträge auf ein sog. Oder-Konto der Eheleute ein, kann dies zu einer der Schenkungsteuer unterliegenden Zuwendung an den anderen Ehegatten führen. Das Finanzamt muss jedoch anhand objektiver Tatsachen nachweisen, dass der begünstigte Ehegatte im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei zur Hälfte über das eingezahlte Guthaben verfügen kann. Dabei sprechen folgende Indizien gegen eine steuerpflichtige Schenkung:
• mit den entnommenen Geldern werden nur Kosten der Lebensführung bestritten.
• Keine tatsächlich freie Verfügung des entnehmenden Ehegatten (dies muss schriftlich im Voraus dokumentiert werden).
• Es handelt sich um sog. Anstandsschenkungen zu einem bestimmten Anlass.
Auch die Auskunftspflichten der Banken unterstützen die Finanzverwaltung bei der Aufdeckung steuerbarer Schenkungen, indem Banken Depotübertragungen beim Finanzamt anzuzeigen haben. Einer Meldepflicht unterliegen auch Versicherungen, wenn Versicherungsleistungen einem anderen Bankkonto gutgeschrieben werden sollen als dem des Versicherungsnehmers. Außerdem besteht eine Pflicht des Beschenkten, innerhalb von drei Monaten solche Zuwendungen beim zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Erst von da anbeginnt die Verjährungsfrist zu laufen!
Was kann in solchen Fällen helfen?
In den meisten Fällen liegen solche Schenkungen unter dem Steuerfreibetrag für Ehegatten von 500.000 € innerhalb zehn Jahren, sodass es zu keiner Steuerlast kommt. Liegt die Zuwendung jedoch höher, weil beispielsweise eine Mietimmobilie von beiden erworben, aber nur von einem Ehegatten bezahlt wird, kann die drohende Steuerlast unter Umständen dadurch abgewendet werden, dass der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft aufgehoben und der rechnerische Zugewinn durch Anrechnung auf die Schenkung rückwirkend neutralisiert wird.
Beispiel: Die Eheleute sind seit 1980 verheiratet und haben keinen Ehevertrag geschlossen, so dass der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gilt. Im Jahr 2020 erwerben sie gemeinsam ein Mietshaus für 2 Mio. €, das der Ehemann aus Mitteln seines alleinigen Wertpapierdepots bezahlt. Damit lag eine schenkungssteuerlich relevante Zuwendung in Höhe von 1 Mio. € vom Ehemann an die Gattin vor, die zu einer Steuerlast von 75.000 € führt. Auch wenn die Eheleute gefühlt immer von gemeinsamen Vermögen ausgegangen waren, führt erst die offizielle Aufhebung der Zugewinngemeinschaft durch notarielle Vereinbarung der Gütertrennung zu einem steuerfreien Zugewinnausgleich, der sich in diesem Fall auf 1.100.000 € belaufen würde. Dieser Zugewinnausgleichsanspruch für die Ehefrau kann rückwirkend auf die Schenkung des hälftigen Mietshauses angerechnet und dadurch die Schenkungsteuer neutralisiert werden. Zusätzlich überweist der ausgleichspflichtige Ehemann 100.000 € auf das Bankkonto seiner Frau. Auf diese Weise können nicht nur 75.000 € Schenkungsteuer gespart werden, sondern es steht außerdem der persönliche Freibetrag von 500.000 € noch für künftige Schenkungen zur Verfügung.
Nachdem im September 2020 über Presseberichte bekannt wurde, dass über die Finanzverwaltung Hamburg steuerliche Vermietungsdaten an Betreiber von airbnb wie Wohnungen an die einzelnen Bundesländer versandt wurden, ist der Datenabgleich im Land Berlin offenbar weit gediehen:
Momentan schreibt das Finanzamt Marzahn-Hellersdorf Steuerpflichtige an, hier im Rahmen der Ermittlung der Übernachtungssteuer. Auch wenn dies oftmals „nur“ das Jahr 2014 betrifft, ist vor einem voreiligen Antworten dringend abzuraten.
Zunächst sollte ein Steueranwalt konsultiert werden, eine etwaige Steuerpflicht derartiger Einkünfte der gesamten - mindestens zehn - zurückliegenden Jahre genau zu prüfen und die Möglichkeiten einer wenigstens strafmindernden Nacherklärung (Selbstanzeige) genauestens zu erörtern. Hierbei müssen unbedingt auch alle anderen Einkünfte des Betroffenen noch einmal durchleuchtet werden.
Wenn nämlich im Hinblick auf die kurze Frist von zwei Wochen Angaben gegenüber dem Finanzamt Marzahn-Hellersdorf gemacht werden, gilt die unversteuerte Vermietung in jedem Fall steuerstrafrechtlich als „entdeckt“. Betroffene sollten erst einmal gegenüber dem Finanzamt Marzahn Hellersdorf eine Fristverlängerung beantragen - ohne zunächst inhaltliche Angaben zum Fall zu machen.
Das zweistufige Verfahren bei Veranlagung der Erbschaftsteuer weist zahlreiche Fallstricke auf. In der Praxis ist dann nicht selten eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen die Folge.
Bei der Erbschaftsteuer handelt es sich um eine Veranlagungssteuer, für die das Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) jedoch Anzeigepflichten vorsieht. Im Regelfall wird eine Veranlagung nicht automatisch durchgeführt, sondern erst dann, wenn die zuständige Erbschaftsteuerstelle am Finanzamt Kenntnis von einem möglichen Steuerfall erlangt. Es handelt sich damit um ein zweistufiges Besteuerungsverfahren aus einer Anzeige gemäß § 30 ErbStG sowie einer Erbschaftsteuererklärung gemäß § 31 ErbStG. Diese Regelung birgt Fallstricke, wenn im Erbfall eine Selbstanzeige nötig wird. Denn eine strafbare Steuerhinterziehung kann auf beiden Stufen – Anzeige und Erklärung – durch Unterlassen der Anzeige, durch Abgabe einer unrichtigen Anzeige sowie durch Unterlassen der Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung oder auch Abgabe einer unrichtigen Erbschaftsteuererklärung verwirklicht werden.
Verletzung der Anzeigepflicht
Gemäß den Vorgaben des ErbStG ist jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb von dem Erwerber binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis des Erbfalls schriftlich beim für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Das Finanzamt soll durch die Anzeige prüfen können, ob es gemäß § 31 Abs. 1 ErbStG eine Steuererklärung anzufordern hat. § 30 Abs. 4 ErbStG konkretisiert den Inhalt der erbschaftsteuerlichen Anzeige. Eine telefonische Mitteilung ist nicht ausreichend. Gemäß der gesetzlich regulierten Ausnahme bedarf es einer Anzeige nicht, wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht, einem deutschen Notar oder einem deutschen Konsul eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt. Diese Ausnahme von der Anzeigepflicht gilt jedoch explizit dann nicht, wenn zum Erwerb Grundbesitz, Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht der Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG unterliegen, oder Auslandsvermögen gehören. Das wird häufig übersehen.
Mehrere Erben
Bei mehreren Erben ist grundsätzlich jeder Miterbe zur Anzeige des Erbfalls verpflichtet. Die Anzeigepflicht entfällt nur dann, wenn sie durch einen anderen Beteiligten erfüllt wurde und der jeweils andere Miterbe positive Kenntnis davon hat. Wichtig ist, dass die Pflicht zur Anzeige auch dann nicht entfällt, wenn sich die Erben dieser Anzeigepflicht nicht bewusst gewesen sind. Denn die Entscheidung über eine mögliche Steuerpflicht einer angefallenen Erbschaft soll nach dem Willen des Gesetzgebers zwingend dem Finanzamt obliegen. Soweit also ein Mandant etwa Grundbesitz oder Betriebsvermögen (mit)geerbt hat, was in der täglichen Beratungspraxis gar nicht so selten der Fall ist, muss binnen drei Monaten nach zuverlässiger Kenntnis des Erbfalls der Sachverhalt beim Finanzamt angezeigt werden. Soweit dem nicht nachgekommen wird und eigentlich eine Erbschaftsteuer festzusetzen wäre, liegt bereits eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen der gesetzlich vorgeschriebenen Anzeige vor (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung – AO), da das Finanzamt über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen wurde.
Steuerverkürzung
Das Finanzamt konnte keine Erbschaftsteuererklärung anfordern und die geschuldete Steuer nicht festsetzen. Zunächst liegt damit eine Steuerverkürzung gemäß § 370 Abs. 4 AO im Versuchsstadium vor. Diese Steuerverkürzung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einfach gelagerten Fällen vier Monate nach der sicheren Kenntnis des Erbfalls auch beendet (BGH 1 StR 631/10, Rz. 48f.). In ständiger Rechtsprechung zur gesetzlich regulierten dreimonatigen Anzeigepflicht des § 30 ErbStG addiert der BGH dabei eine einmonatige fiktive Bearbeitungs- und Bekanntgabedauer für die eigentlich einzureichende Erbschaftsteuererklärung durch das Finanzamt hinzu. Denn nach Ansicht des BGH kann die Finanzverwaltung in zumindest einfach gelagerten Fällen, also etwa bei bloßen Geldzuwendungen binnen eines Monats nach Ablauf der Anzeigepflicht die Abgabe einer Steuererklärung anfordern.
Selbstanzeige
Die Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist mit der verspäteten Abgabe der Erbschaftsteuererklärung nach Ablauf der festgesetzten dreimonatigen Erklärungsfrist sowie der fiktiven Bearbeitungszeit durch das Finanzamt beendet. Die Abgabe der Erbschaftsteuererklärung ist dann als Selbstanzeige gemäß § 371 AO zu werten. Allerdings müssen dann aber zwingend die gesetzlichen Vorgaben einer wirksamen Selbstanzeige eingehalten werden. In der Erbschaftsteuererklärung müssen dann Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen. Damit ist es unabdingbar, dass etwa auch Vorschenkungen, soweit sie sich auf den erbschaftsteuerlichen Freibetrag auswirken, umfassend recherchiert und angegeben werden.
Strafbefreiende Wirkung
Wenn diese Vorgaben eingehalten werden, hat die Erbschaftsteuererklärung im Zeitpunkt der Einreichung strafbefreiende Wirkung im Hinblick auf die Steuerhinterziehung durch Unterlassen einer Anzeige der Erbschaft. In diesem Fall sind jedoch dann noch Hinterziehungszinsen auf die festzusetzende Erbschaftsteuer zu bezahlen.
Fehlende Angaben in der Erbschaftsteuererklärung
Kompliziert wird es, wenn dem Mandanten nachträglich auffällt, dass in der formal als Selbstanzeige eingereichten Erbschaft-steuererklärung steuerlich relevante Vermögensübertragungen gefehlt haben, die dem Finanzamt auch nicht anderweitig bekannt sind. Wie bereits dargestellt, haben die Erben mit der unterlassenen Anzeige des Erbfalls bereits eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verwirklicht. In der verspäteten Abgabe der Erbschaftsteuererklärung nach Ablauf der vom BGH festgesetzten vier Monate in einfach gelagerten Fällen ist bereits eine Selbstanzeige zu sehen. Diese Selbstanzeige war objektiv unwirksam, da sie nicht vollständig war.
Zweite Selbstanzeige unmöglich
Der Mandant könnte sich zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, dem Finanzamt einen bislang nicht angezeigten und nicht versteuerten, aber steuerlich relevanten Sachverhalt offenzulegen, der sich erhöhend auf die Erbschaftsteuer auswirken würde. Bei einer derartigen nachträglichen Anzeige im Wege einer zweiten, berichtigten Erbschaftsteuererklärung wird das Finanzamt dann feststellen, dass die erste Steuererklärung unvollständig war. Damit würde die zum damaligen Zeitpunkt eingereichte erste Erbschaftsteuererklärung unwirksam. Die Mandanten sollten daher vor Abgabe einer zweiten Erbschaftsteuererklärung ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass dies unter Umständen weitreichende strafrechtliche Folgen haben kann.
Strafzumessung
Im Rahmen der dann folgenden Strafzumessung kann zwar der Steuerschaden auf den Differenzbetrag zwischen der ersten und der zweiten Erbschaftsteuererklärung reduziert werden, und es kann dem Mandanten zugutegehalten werden, dass er freiwillig an einer korrekten Versteuerung mitgewirkt hat. Eine Strafe und gegebenenfalls weitere Nebenfolgen in Abhängigkeit vom Ausgang des Verfahrens wird der Mandant jedoch je nach Höhe der verkürzten Steuern dennoch erwarten müssen. Auch werden Hinterziehungszinsen fällig. Darauf sollte ein Steuerberater auf alle Fälle hinweisen. Anderes gilt, wenn die Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG innerhalb der Frist eingehalten wurde und sodann nur die eingereichte Erbschaftsteuererklärung unvollständig war. In diesem Fall gilt eine zweite berichtigte Erbschaftsteuererklärung als erste Selbstanzeige. Soweit diese den Regeln des § 371 AO entspricht, wird sie als strafbefreiend gewertet werden können.
Baukindergeld: Förderzeitraum soll bis 31.03.2021 verlängert werden
| Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sieht vor, den Förderzeitraum für die Gewährung des Baukindergelds um drei Monate zu verlängern. Hintergrund der angedachten Verlängerung ist die Corona-Pandemie, weshalb viele Antragsteller die Fristen nicht einhalten können. Das heißt: Neubauten sind begünstigt, wenn die Baugenehmigung zwischen dem 01.01.2018 und dem 31.03.2021 (bisher: 31.12.2020) erteilt wurde. Beim Erwerb von Neu- oder Bestandsbauten muss der notarielle Kaufvertrag zwischen dem 01.01.2018 und dem 31.03.2021 (bisher: 31.12.2020) unterzeichnet worden sein. Weitere Informationen zum Baukindergeld erhalten Sie unter www.iww.de/s4121. |
FREIBERUFLER UND GEWERBETREIBENDE
Umstellung elektronischer Kassen: Bundesfinanzministerium sorgt für Unsicherheit
| Bestimmte elektronische Aufzeichnungssysteme (vor allem elektronische Kassensysteme und Registrierkassen) müssen ab dem 01.10.2020 über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) verfügen. Denn am 30.09.2020 endete die Nichtbeanstandungsregelung des Bundesfinanzministeriums. Allerdings haben 15 Bundesländer (Ausnahme Bremen) eigene Regelungen (vgl. www. iww.de/s3929) geschaffen, um die Frist bis zum 31.03.2021 zu verlängern. Gefordert wird u. a., dass das Unternehmen bis zum 30.09.2020 (in einigen Bundesländern bis zum 31.08.2020) die Umrüstung bzw. den Einbau einer TSE bei einem Kassenhersteller oder Dienstleister beauftragt hat. Das scheint dem Bundesfinanzministerium aber nicht zu passen. |
In einem neuen Schreiben stellt das Bundesfinanzministerium zunächst heraus, dass die Nichtbeanstandungsregelung nicht über den 30.09.2020 hinaus verlängert wird.
Zudem weist das Bundesfinanzministerium auf die Geltung des Anwendungserlasses zu § 148 der Abgabenordnung (AO) „Bewilligung von Erleichterungen“ hin: „Die Bewilligung von Erleichterungen kann sich nur auf steuerrechtliche
Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten erstrecken. § 148 AO lässt eine dauerhafte Befreiung von diesen Pflichten nicht zu. Persönliche Gründe, wie Alter und Krankheit des Steuerpflichtigen, rechtfertigen regelmäßig keine Erleichterungen. Eine Bewilligung soll nur ausgesprochen werden, wenn der Steuerpflichtige sie beantragt.“
Das Schreiben endet mit dem Hinweis, dass von den fachlichen Weisungen abweichende Erlasse der Abstimmung zwischen dem Bundesministerium der Finanzen und den obersten Finanzbehörden der Länder bedürfen.
Das Schreiben wurde vielfach kritisiert, da es, so die Ansicht des Steuerberaterverbands Thüringen, für Rechtsunsicherheit sorgt. Inzwischen haben einige Bundesländer (z. B. Nordrhein-Westfalen) in eigenen Erlassen betont, dass ihre
Verfügungen Bestand haben.
BMF-Schreiben vom 18.8.2020, Az. IV A 4 - S 0319/20/10002 :003, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 217810; Steuerberaterverband Thüringen e. V., Meldung vom 14.09.2020
Offenlegungspflichtige Gesellschaften (insbesondere AG, GmbH und GmbH & Co. KG) müssen ihre Jahresabschlüsse spätestens zwölf Monate nach Ablauf des betreffenden Geschäftsjahres beim Bundesanzeiger elektronisch einreichen. Ist das Geschäftsjahr das Kalenderjahr, muss der Jahresabschluss für 2019 somit bis zum 31.12.2020 eingereicht werden. |
Beachten Sie | Auch Gesellschaften, die aktuell keine Geschäftstätigkeit entfalten, sowie Gesellschaften in Insolvenz oder Liquidation müssen offenlegen.
Kommt das Unternehmen der Pflicht zur Offenlegung nicht rechtzeitig oder nicht vollständig nach, leitet das Bundesamt für Justiz ein Ordnungsgeldverfahren ein. Das Unternehmen wird aufgefordert, innerhalb einer sechswöchigen
Nachfrist den gesetzlichen Offenlegungspflichten nachzukommen. Gleichzeitig droht das Bundesamt ein Ordnungsgeld an (regelmäßig in Höhe von 2.500 EUR). Sofern das Unternehmen der Aufforderung nicht entspricht, wird das
Ordnungsgeld festgesetzt.
Beachten Sie | Ordnungsgeldandrohungen und -festsetzungen können so lange wiederholt werden, bis die Veröffentlichung erfolgt ist. Die Ordnungsgelder werden dabei schrittweise erhöht.
Mit der Androhung werden den Beteiligten zugleich die Verfahrenskosten auferlegt. Diese entfallen nicht dadurch, dass der Offenlegungspflicht innerhalb der gesetzten Nachfrist nachgekommen wird.
PRAXISTIPP | Kleinstkapitalgesellschaften müssen nur ihre Bilanz (also keinen Anhang und keine Gewinn und Verlustrechnung) einreichen. Zudem haben sie bei der Offenlegung ein Wahlrecht: Sie können ihre Publizitätsverpflichtung durch
Offenlegung oder dauerhafte Hinterlegung der Bilanz erfüllen. Hinterlegte Bilanzen sind nicht unmittelbar zugänglich; auf Antrag werden diese kostenpflichtig an Dritte übermittelt.
23.09.2020
Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die Senatsverwaltung für Finanzen Berliner Betrieben bei der technischen Umstellung der Kassensysteme Corona-bedingt weiterhin mehr Zeit gewährt. Dies gilt jedoch nicht für Steuerpflichtige, die bisher untätig geblieben oder bereits negativ aufgefallen sind. Die Allgemeine Verfügung vom 22.07.2020 veröffentlicht im Amtsblatt für Berlin ABl. Nr. 32 / 31. Juli 2020, Seite 4141, gilt weiterhin.
Die Allgemeine Verfügung sieht vor, dass bestehende elektronische Kassensysteme spätestens bis zum 31. März 2021 umgerüstet sein müssen.
Für die Gewährung der Fristverlängerung bei der Umrüstung müssen die Berliner Betriebe folgende Voraussetzungen erfüllen:
- der Einbau der technischen Sicherheitseinrichtung muss bis zum 30. August 2020 mit einem konkreten Termin beauftragt sein,
- Firmen, die die technische Sicherheitseinrichtung anbieten oder den Einbau vornehmen, haben bestätigt, dass die Umrüstung nicht bis zum 30. September 2020 möglich ist,
- der Einbau muss spätestens bis zum 31. März 2021 erfolgen,
- gemäß Abgabenordnung (§ 146a) müssen alle Verpflichtungen erfüllt werden,
- für die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2020 liegt kein Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Steuerhinterziehung beziehungsweise Steuergefährdung vor, das mit einer Verurteilung, einem Strafbefehl, einer Auflage oder einem Bußgeldbescheid abgeschlossen wurde.
Ein gesonderter Antrag bei den Berliner Finanzämtern ist nicht erforderlich.
Die Allgemeine Verfügung der Senatsverwaltung für Finanzen steht sowohl mit dem ursprünglichen BMF-Schreiben vom 6. November 2019 als auch mit dem neuerlichen BMF-Schreiben vom 18. August 2020 im Einklang.
Pressemitteilung Senatsverwaltung für Finanzen Nr. 20-018 vom 23.09.2020
Die Berliner Finanzverwaltung erhält nach Angaben von Senator Matthias Kollatz (SPD) noch im September Daten zu Vermietungstätigkeiten Berliner Bürger auf der Internetseite Airbnb. Rechtsanwalt und Steuerberater Markus Deutsch empfiehlt deshalb mögliche Schwarzeinkünfte schnellstmöglich nachzuerklären, wenn Einkünfte über Airbnb bislang verschwiegen wurden.
Bei der Nichtangabe von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in der Einkommensteuererklärung handelt es sich um einen Fall der Steuerhinterziehung. Um der Bestrafung zu entgehen, gibt es die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige. Dabei müssen alle Steuerstraftaten einer Steuerart mindestens der letzten zehn Jahre offengelegt werden.
Problematisch könnte im Fall von AirbnB der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO sein. Danach kann nämlich eine Steuerstraftat nicht mehr vollständig strafbefreiend nacherklärt werden, die Tat einerseits bereits entdeckt wurde und der Täter dies wusste oder hätte wissen müssen.
Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2010 diesbezüglich seine Rechtsprechung verschärft. Demnach soll die Beurteilung der Entdeckung vom Einzelfall abhängig sein und lässt im praktischen Ergebnis eine auf „kriminalistischer Erfahrung“ beruhende bloße Entdeckungsgefahr ausreichen.
Unstrittig ist jedoch: Hat im Finanzamt ein Abgleich früherer Steuererklärungen mit dem Kontrollmaterial stattgefunden, gilt die Tat stets als entdeckt.
Soweit scheint es momentan aber noch nicht zu sein. Steueranwalt Deutsch empfiehlt daher, die Schwarzeinkünfte aus einer Vermietungstätigkeit bei AirbnB von selbst anzuzeigen. Im besten Fall kann diese dann strafbefreiend oder aber zumindest strafmildernd wirken.
Vermietet ein Arbeitnehmer eine Einliegerwohnung als Home-Office an seinen Arbeitgeber für dessen unternehmerische Zwecke, kann er grundsätzlich die ihm für Renovierungsaufwendungen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer steuermindernd geltend machen. Ausgeschlossen sind nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs jedoch die Aufwendungen für ein mit Dusche und Badewanne ausgestattetes Badezimmer.
◼Sachverhalt:
Eheleute vermieteten eine Einliegerwohnung mit Büro, Besprechungsraum, Küche und Bad/WC als Home-Office des Ehemanns umsatzsteuerpflichtig an dessen Arbeitgeber. Die für eine Renovierung in Rechnung gestellte Umsatzsteuer
machten sie als Vorsteuer geltend. Die Aufwendungen für das Badezimmer ordnete das Finanzamt indes dem privaten Bereich zu und erkannte die hierauf entfallenden Vorsteuerbeträge nicht an. Das Finanzgericht Köln gab der hiergegen gerichteten Klage nur insoweit statt, als es um die Aufwendungen für die Sanitäreinrichtung (insbesondere Toilette und Waschbecken) ging. In der Revision begehrten die Eheleute dann einen weitergehenden Vorsteuerabzug, den der Bundesfinanzhof jedoch ablehnte.
Aufwendungen zur Renovierung eines an den Arbeitgeber vermieteten Home-Office berechtigen grundsätzlich zum Vorsteuerabzug, soweit es beruflich genutzt wird.
MERKE: Bei einer Bürotätigkeit kann sich die berufliche Nutzung auch auf einen Sanitärraum erstrecken, nicht jedoch auf ein mit Dusche und Badewanne ausgestattetes Badezimmer.
Quelle: BFH-Urteil vom 7.5.2020, Az. V R 1/18, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 217134; BFH, PM Nr. 30/20 vom 30.7.2020
Voller Betriebsausgabenabzug bei einer Notfallpraxis im Wohnhaus möglich
Ist bei einem Behandlungsraum im privaten Wohnhaus eine private (Mit-)Nutzung wegen seiner Einrichtung und tatsächlichen Nutzung praktisch ausgeschlossen, liegt ein betriebsstättenähnlicher Raum nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs selbst dann vor, wenn die Patienten den Raum nur über den privaten Hausflur betreten können. Die Abzugsbeschränkungen für häusliche Arbeitszimmer gelten in diesen Fällen nicht.
Hintergrund
Liegt ein häusliches oder ein außerhäusliches Arbeitszimmer vor? Diese Frage ist ein Dauerbrenner im Einkommensteuerrecht. Während es beim häuslichen Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b Einkommensteuergesetz (EStG) Abzugsbeschränkungen gibt, sind die Kosten für ein außerhäusliches Arbeitszimmer oder eine (häusliche) Betriebsstätte in voller Höhe abzugsfähig. Auf den Tätigkeitsmittelpunkt oder einen weiteren Arbeitsplatz kommt es hier nicht an.
Das häusliche Arbeitszimmer ist ein Raum, der in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient. Der Nutzung entsprechend ist das häusliche Arbeitszimmer typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück darstellt.
Sachverhalt
Eine Augenärztin betrieb zusammen mit weiteren Ärzten eine Gemeinschaftspraxis (GbR). Neben den Praxisräumen der GbR unterhielt sie im Keller ihres privaten Wohnhauses einen für die Behandlung von Patienten in Notfällen eingerichteten Raum (Instrumente, Liege, Medizinschrank etc.).
Dieser Raum konnte nur durch den Hauseingang im Erdgeschoss und dem anschließenden privaten Hausflur erreicht werden. Eine gesonderte Zugangsmöglichkeit bestand nicht. Der Hausflur führte im Übrigen zu den privaten Wohnräumen. Im Keller befanden sich neben dem Behandlungsraum weitere privat genutzte Räume (u. a. ein Hauswirtschaftsraum und ein Heizungsraum).
Die geltend gemachten Aufwendungen wurden vom Finanzamt nicht berücksichtigt. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Für das Finanzgericht Münster handelte es sich nicht um einen betriebsstättenähnlichen Raum, da dieser nicht leicht zugänglich war. Folglich würden die Aufwendungen den Abzugsbeschränkungen nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG unterliegen. In der Revision war die Augenärztin dann aber erfolgreich.
Ob ein mit Wohnräumen des Arztes in räumlichem Zusammenhang stehender, zur Notfallbehandlung von Patienten genutzter Raum als betriebsstättenähnlicher Raum anzusehen ist, muss im Einzelfall festgestellt werden. Dabei ist sowohl die Ausstattung des Raums als auch die leichte Zugänglichkeit für Dritte bedeutend.
Im Streitfall war der Raum als Behandlungsraum eingerichtet und wurde als solcher von der Augenärztin genutzt. Wegen dieser tatsächlichen Gegebenheiten konnte eine private (Mit)Nutzung des Raums praktisch ausgeschlossen werden. Angesichts der Ausstattung des Raums und der tatsächlichen beruflichen Nutzung fiel die räumliche Verbindung zu den privat genutzten Räumen nicht entscheidend ins Gewicht.
MERKE: Darin liegt der maßgebliche Unterschied zu jenen Entscheidungen, in denen der Bundesfinanzhof ausgeführt hat, dass es an einer leichten Zugänglichkeit der Notfallpraxis fehlt, wenn der Patient auf dem Weg in den Behandlungsraum erst einen Flur durchqueren muss, der dem Privatbereich unterliegt. Denn in diesen Fällen war eine private (Mit-)Nutzung nicht bereits wegen der konkreten Ausstattung des Raums und dessen tatsächlicher Nutzung zur Behandlung von Patienten auszuschließen.
Quelle: BFH-Urteil vom 29.1.2020, Az. VIII R 11/17, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 216749
Mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus vom 4.8.2019 wurde mit § 7b Einkommensteuergesetz (EStG) eine Sonderabschreibung eingeführt. Diese soll für private Investoren ein Anreiz sein, Mietwohnungen im unteren und mittleren Preissegment zu schaffen. Knapp ein Jahr nach der Gesetzesverkündung wurde nun ein 30 Seiten starkes Anwendungsschreiben veröffentlicht. Zudem hat das Bundesfinanzministerium auf seiner Homepage ein Berechnungsschema zur Ermittlung des relevanten wirtschaftlichen Vorteils (Beihilfewert) sowie eine Checkliste zur Prüfung der Einhaltung der Voraussetzungen zur Verfügung gestellt.
Allgemeine Voraussetzungen
Im Jahr der Anschaffung oder Herstellung einer neuen Mietwohnung und in den folgenden drei Jahren können neben der „normalen“ Abschreibung bis zu 5 % Sonderabschreibungen geltend gemacht werden. Insgesamt können damit in den ersten vier Jahren bis zu 20 % zusätzlich zur regulären Abschreibung abgeschrieben werden.
Beachten Sie: Im Fall der Anschaffung gilt eine Wohnung nur dann als neu, wenn sie bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft wird.
Gefördert werden nur Baumaßnahmen aufgrund eines nach dem 31.8.2018 und vor dem 1.1.2022 gestellten Bauantrags oder – falls eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist – einer in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige.
Sonderabschreibungen sind letztmalig in 2026 möglich. Ab 2027 sind Sonderabschreibungen auch dann nicht mehr zulässig, wenn der Begünstigungszeitraum noch nicht abgelaufen ist.
Es existieren zwei Kappungsgrenzen:
Die Sonderabschreibung wird nur gewährt, wenn die Anschaffungs-/Herstellungskosten 3.000 EUR pro qm Wohnfläche nicht übersteigen. Sind die Baukosten höher, führt dies zum Ausschluss der Förderung.
Steuerlich gefördert werden nur Kosten bis maximal 2.000 EUR pro qm Wohnfläche (= maximal förderfähige Bemessungsgrundlage).
Die Wohnung muss im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden neun Jahren der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen. Werden für die Gebäudeüberlassung weniger als 66 % der ortsüblichen Marktmiete gezahlt, ist die Nutzungsüberlassung nach der Gesetzesbegründung als unentgeltlich anzusehen.
PRAXISTIPP:
Die Finanzverwaltung ist hier großzügiger und erlaubt eine Aufteilung: „Ist die Nutzungsüberlassung gemäß § 21 Abs. 2 EStG in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen, so ist auch die Sonderabschreibung nach § 7b EStG im gleichen Verhältnis aufzuteilen ...“ (Randziffer 33 des Schreibens).
Werden die Voraussetzungen nicht erfüllt, müssen die Sonderabschreibungen rückgängig gemacht werden – z. B., wenn die Baukostenobergrenze von 3.000 EUR innerhalb der ersten drei Jahre nach Ablauf des Jahres der Anschaffung oder Herstellung der Wohnung durch nachträgliche Anschaffungs-/Herstellungskosten überschritten wird.
Antworten liefert das Anwendungsschreiben auch zu der Frage, welche Objekte begünstigt sind und wann es sich um eine neue Wohnung handelt.
Beihilferechtliche Voraussetzungen
Die Sonderabschreibung wird nur gewährt, wenn der nach der De-minimis-Verordnung maximal zulässige Beihilfehöchstbetrag von 200.000 EUR unter Einbeziehung des Beihilfewerts aus der Sonderabschreibung nicht überschritten wird (Einzelheiten enthält das Anwendungsschreiben ab der Randziffer 89).
Zur Ermittlung des Beihilfewerts aus der Sonderabschreibung kann das vom Bundesfinanzministerium bereitgestellte Excel-Berechnungsschema genutzt werden.
Quelle: BMF-Schreiben vom 7.7.2020, Az. IV C 3 – S 2197/19/10009 :008, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 216898; Gesetzesbegründung: BT-Drs. 19/4949 vom 12.10.2018
Finanzbehörden bekommen Airbnb-Daten noch im September
Tausende Daten von Steuerpflichtigen, die über die Vermittlungsplattform Airbnb Wohnraum vermietet haben, sollen noch im laufenden Monat an die Finanzbehörden der einzelnen Bundesländer gelangen.
Die Daten stammen aus der irischen Airbnb-Europazentrale und werden den deutschen Behörden im Zuge einer Gruppenanfrage aus dem Jahr 2018 zur Verfügung gestellt. Zwar handelt es sich um ältere Daten aus den Jahren 2012 bis 2014, doch soll es laut Kollatz bald ein zweites Auskunftsersuchen an Irland für 2017 bis 2019 geben. Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) erklärte, es handelt sich dabei um rund 10.000 Datensätze, denen meist vier- bis fünfstellige Einnahmen pro Fall zugrunde liegen.
Berlins Finanzsenator kündigt „eine gründliche Überprüfung aller Airbnb-Informationen“ an. Für Vermieter sei eine strafmildernde Selbstanzeige für die Jahre ab 2015 noch möglich, so Kollatz, solange die deutschen Finanzbehörden nicht im Besitz der nächsten Datensätze seien.
https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/vermittlungsplattform-finanzbehoerden-bekommen-airbnb-daten-noch-im-september-/26177188.html?fbclid=IwAR0Yeodh_jsmXJJcoSQGpbdfdVNuLHvnTVZgEzM0qa4qzjGSvfe6lDcHHL0
Berlin, 27. August 2020
Musterklage: Erste Urteilsbegründung zum Soli 2020 liegt vor
Weg zum Bundesfinanzhof ist frei / Parallel stellt FDP heute eigene Verfassungsbeschwerde vor
Die Zahlung des Solidaritätszuschlags für 2020 ist aus Sicht des Bundes der Steuerzahler (BdSt) nicht mehr rechtens. Deshalb greift der Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. den Zuschlag auch gerichtlich an und begleitet die Klage eines Ehepaars aus Bayern. Nun liegt die – soweit ersichtlich – erste Urteilsbegründung eines Finanzgerichts zum Soli 2020 vor.
Konkret geht es um die Soli-Vorauszahlungen für das Jahr 2020, die die Kläger nicht mehr leisten wollen. Das Argument: Der Solidaritätszuschlag war stets eng mit den Hilfen für die neuen Bundesländer verbunden – weil diese Ende 2019 ausliefen, muss auch der Soli wegfallen! Das für diese Klage zuständige Finanzgericht Nürnberg war zwar von der Verfassungswidrigkeit des Zuschlags nicht überzeugt und wies die Klage im Wesentlichen ab, allerdings ließen die Richter ausdrücklich die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu. Das geht aus der umfangreichen Urteilsbegründung hervor, die dem Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. jetzt zugeleitet wurde. Damit ist der Weg zum höchsten deutschen Steuergericht frei! Die Kläger, der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt und der Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. werden nun das Urteil prüfen und dann, voraussichtlich in Kürze, die Revision einlegen.
Damit gerät der Zuschlag von mehreren Seiten unter Druck, denn einige FDP-Bundestagsabgeordnete haben nun gegen die Ergänzungsabgabe auch Verfassungsbeschwerde eingelegt. Diese sei am Montag in Karlsruhe eingegangen, erklärten Christian Dürr und Florian Toncar heute und nannten drei Gründe für ihren Schritt: Eine vollständige Soli-Abschaffung sei politisch richtig, wirtschaftlich vernünftig und verfassungsrechtlich geboten. Die Beschwerdeführer fordern die Feststellung der Verfassungswidrigkeit ab 2020. Der Bund der Steuerzahler begrüßt dies und betont in der Musterklage: Die Politik muss ihr Versprechen halten und den Solidaritätszuschlag komplett und für alle abschaffen – rückwirkend ab Januar!
Der Bund der Steuerzahler ist ein gemeinnütziger, unabhängiger und parteipolitisch neutraler eingetragener Verein. Die Arbeit wird durch Mitgliedsbeiträge der freiwilligen Mitglieder und über zahlreiche Spenden aus der Bevölkerung finanziert. Über 200.000 Mitglieder und Spender unterstützen den Bund der Steuerzahler. Der Verband, der 1949 gegründet wurde, ist in 15 eigenständigen Landesverbänden organisiert, die gemeinsam den Bund der Steuerzahler Deutschland tragen
Pressekontakt Bund der Steuerzahler Deutschland e.V.
Rückfragen an Pressesprecherin Hildegard Filz, Tel.-Nr. 030 | 25 93 96-0
Berlin, 16.06.2020
Die Formulare für die Einkommensteuererklärung 2019 wurden anders strukturiert. So wurde der bisher vierseitige Mantelbogen auf zwei Seiten reduziert. Dafür gibt es jetzt eine Vielzahl neuer Anlagen (z. B. Anlage Sonderausgaben und Anlage Außergewöhnliche Belastungen).
Zahlreiche Daten liegen der Finanzverwaltung wegen elektronischer Datenübermittlungen der mitteilungspflichtigen Stellen bereits vor (eDaten). Dies betrifft z. B. Bruttoarbeitslöhne und die zugehörigen Lohnsteuerabzugsbeträge sowie bestimmte Beiträge zur Kranken-/Pflegeversicherung. In die entsprechend gekennzeichneten Zeilen müssen ab dem Veranlagungszeitraum 2019 keine Eintragungen mehr gemacht werden.
Beachten Sie: Die dem Finanzamt vorliegenden eDaten haben keine Bindungswirkung. Steuerpflichtige können somit weiterhin eigene Angaben machen. Sie müssen diese Zeilen/Bereiche weiter ausfüllen, wenn ihnen bekannt ist, dass die eDaten nicht oder nicht zutreffend übermittelt wurden.
Berlin, 16.06.2020
Veräußert ein Steuerpflichtiger ein kurz zuvor entgeltlich erworbenes Ticket für ein Spiel der UEFA Champions League, ist ein erzielter Veräußerungsgewinn einkommensteuerpflichtig. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden.
Im Streitfall hatten Steuerpflichtige im April 2015 über die offizielle UEFA-Webseite zwei Tickets für das Finale der UEFA Champions League in Berlin zugelost bekommen (Anschaffungskosten: 330 EUR). Die Finaltickets hatten sie dann im Mai 2015 über eine Ticketplattform wieder veräußert (Veräußerungserlös abzüglich Gebühren = 2.907 EUR).
Das Finanzamt erfasste den Gewinn (2.577 EUR) bei deren Einkommensteuerfestsetzung – und zwar zu Recht, wie jetzt der Bundesfinanzhof entschieden hat.
Zu den privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) gehört nicht nur der Verkauf von Grundstücken. Erfasst werden auch andere Wirtschaftsgüter, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Ausgenommen sind Veräußerungen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs.
Bitte beachten: Zudem bleiben Gewinne steuerfrei, wenn der aus den privaten Veräußerungsgeschäften erzielte Gesamtgewinn im Kalenderjahr weniger als 600 EUR betragen hat (§ 23 Abs. 3 S. 5 EStG).
„Andere Wirtschaftsgüter“ sind sämtliche vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt und die einer selbstständigen Bewertung zugänglich sind. Hierzu zählen auch Champions League-Tickets, die nach Ansicht des Bundesfinanzhofs keine „Gegenstände des täglichen Gebrauchs“ darstellen.
Quelle | BFH-Urteil vom 29.10.2019, Az. IX R 10/18
16.06.2020
Wird eine Immobilie verkauft, die der Veräußerer zuvor schenkweise erhalten hat, sind ihm zwar keine eigenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten entstanden, gleichwohl kann auch dieser Vorgang zu einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) führen. Denn bei einem unentgeltlichen Erwerb sind dem Einzelrechtsnachfolger die Anschaffung oder die Überführung des Wirtschaftsguts in das Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen. Zu dieser Thematik hat der Bundesfinanzhof nun Stellung bezogen.
Am 27.10.2004 hatte eine Steuerpflichtige von ihrer Mutter unter Übernahme der im Grundbuch eingetragenen Grundschulden ein Grundstück erhalten. Nicht übernommen wurden die den Grundschulden zugrunde liegenden Darlehen, die weiter von der Mutter bedient wurden. Mit der Übertragung erhielt die Mutter ein lebenslanges dingliches Wohnrecht.
Die Mutter hatte das Grundstück am 8.12.1998 erworben und das Hauptgebäude seitdem zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Das in 2002 und 2003 fertiggestellte Nebengebäude bewohnte die Tochter an den Wochenenden. Am 14.9.2007 veräußerte die Steuerpflichtige das gesamte Grundstück. Die Veräußerung erfolgte lastenfrei. Von dem auf dem Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreis wurden die durch die Grundschulden besicherten Darlehen bedient. Der Restkaufpreis wurde an die Steuerpflichtige ausgekehrt.
Das Finanzamt versteuerte für das Hauptgebäude einen Veräußerungsgewinn. Eine Steuerbefreiung wurde versagt, weil die Tochter das Hauptgebäude nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt hatte. Der Bundesfinanzhof bestätigte diese Handhabung.
Werden die Grundschulden – aber nicht die schuldrechtlichen Verbindlichkeiten – übernommen, liegt ein unentgeltlicher Erwerb vor. Denn in diesem Fall erbringt der Erwerber keine Gegenleistung, sondern erwirbt nur das um den Wert der Belastungen geminderte Grundstück.
Die Einräumung eines dinglichen Wohnrechts stellt keine Gegenleistung dar. Vielmehr mindert das Wohnrecht den Wert des übertragenen Vermögens.
Im Streitfall lag auch eine Veräußerung innerhalb der Zehnjahresfrist vor. Die Mutter hatte das Grundstück 1998 erworben. Die unentgeltliche Übertragung erfolgte in 2004 mit der Folge, dass die Steuerpflichtige in die noch laufende Frist eintrat. Die Veräußerung fand dann 2007 und damit noch innerhalb der Zehnjahresfrist statt.
Gewinn oder Verlust ist der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Und hier stellte der Bundesfinanzhof insbesondere Folgendes heraus:
- Nachträgliche Anschaffungskosten entstehen nicht, wenn der Erwerber eines Grundstücks zwecks Löschung eines Grundpfandrechts Schulden tilgt, die er zunächst nicht übernommen hat.
- Entsprechendes gilt für die Löschung der Grundschuld. Denn die Löschung führt nicht zu einer (weitergehenden) Verschaffung der (dinglichen) Verfügungsmacht über das Grundstück und erweitert auch nicht die Nutzungsbefugnisse. Das (wirtschaftliche) Eigentum und der Besitz sind bereits bei (unentgeltlichem) Erwerb des Grundstücks übergegangen. Die spätere Zahlung auf das Darlehen, das die Grundschuld besichert, hat hierauf keine Auswirkung.
Hinweis:
Auch eine Einordnung der Tilgungsbeträge als Veräußerungskosten lehnte der Bundesfinanzhof ab. Die Verwendung der erlangten Mittel steht mit der Veräußerung weder unmittelbar noch mittelbar in Zusammenhang. Die Zahlung hat sich zudem zeitlich – durch Einzahlung auf ein Anderkonto – nach der Veräußerung abgespielt und hat auch keinen Niederschlag im Kaufvertrag zwischen Veräußerer und Erwerber gefunden.
Quelle | BFH-Urteil vom 3.9.2019, Az. IX R 8/18,
15.06.2020 Das Bundeskabinett hat am 12. Juni 2020 erste umfangreiche Maßnahmen des Konjunkturpakets beschlossen, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie entschlossen anzugehen. Dazu zählt insbesondere die befristete Senkung der Umsatzsteuer im zweiten Halbjahr 2020: Die Umsatzsteuer wird vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 gesenkt. Der reguläre Steuersatz sinkt dabei von 19 % auf 16 %, der reduzierte Steuersatz von 7 % auf 5 %. Hierzu stimmt das Bundesministerium der Finanzen derzeit einen Entwurf eines begleitenden BMF-Schreibens mit den obersten Finanzbehörden der Länder ab. Das endgültige Ergebnis der Erörterungen bleibt abzuwarten. Der verfügbare Entwurf gibt den Stand vom 11. Juni 2020 wieder.
Der Entwurf ist unter https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Umsatzsteuer/2020-06-12-befristete-Senkung-umsatzsteuer-juli-2020.html?cms_pk_kwd=13.06.2020_Befristete+Absenkung+des+allgemeinen+und+erm%C3%A4%C3%9Figten+Umsatzsteuersatzes+zum+1+Juli+2020&cms_pk_campaign=Newsletter-13.06.2020 einzusehen.
27.02.2020
Ein Entgelt, das der Arbeitgeber an seine Mitarbeiter für die Anbringung eines mit Werbung versehenen Kennzeichenhalters zahlt, unterliegt der Lohnsteuer. Dies hat der 1. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 03.12.2019 entschieden (Az. 1 K 3320/18 L).
Die Klägerin schloss mit einer Vielzahl von Mitarbeitern Mietverträge über Werbeflächen an deren privaten Fahrzeugen ab, in denen sich die betreffenden Mitarbeiter zur Anbringung von Kennzeichenhaltern mit der Firmenwerbung der Klägerin gegen ein Entgelt i.H.v. 255 EUR im Jahr verpflichteten. Das beklagte Finanzamt vertrat die Auffassung, dass diese Vergütung Arbeitslohn darstelle und nahm die Klägerin als Arbeitgeberin für die Lohnsteuernachzahlung in Haftung. Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, dass die Anmietung der Werbefläche in Form der Kennzeichenhalter in ihrem eigenbetrieblichen Interesse erfolgt sei und es sich deshalb bei dem hierfür gezahlten Entgelt nicht um Arbeitslohn handele.
Der 1. Senat hat die Klage abgewiesen. Die Zahlungen der Klägerin für die Anbringung der Kennzeichenhalter mit Firmenwerbung stellten Arbeitslohn dar. Bei Würdigung der Gesamtumstände sei das auslösende Moment für die Zahlungen die Stellung der Vertragspartner als Arbeitnehmer und damit im weitesten Sinne deren Arbeitstätigkeit gewesen. Die betriebsfunktionale Zielsetzung, Werbung zu betreiben, habe nicht eindeutig im Vordergrund gestanden. Letztes hätte nur dann angenommen werden können, wenn durch eine konkrete Vertragsgestaltung die Förderung des Werbeeffekts sichergestellt worden wäre. Die von der Klägerin geschlossenen Verträge hätten aber insbesondere keinerlei Vorgaben enthalten, um einen werbewirksamen Einsatz des jeweiligen Fahrzeugs sicherzustellen. Auch eine Regelung dazu, ob an dem Fahrzeug noch Werbung für andere Firmen angebracht werden durfte oder eine Exklusivität geschuldet war, sei nicht getroffen worden.
Quelle: Pressemitteilung vom 03.02.2020, FG Münster-Urteil vom 03.12.2019 - Az. 1 K 3320/18 L
27.02.2020
Die Bundesregierung teilt die von der EU-Kommission vorgetragenen Verstöße gegen das EU-Recht beim Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet nicht. In ihrer Antwort (BT-Drucks. 19/16817) auf eine Kleine Anfrage (BT-Drucks. 19/16432) der FDP-Fraktion erklärt die Regierung, sie habe der Europäischen Kommission mitgeteilt, dass sie nach wie vor der Überzeugung sei, dass die deutschen Regelungen mit dem Unionsrecht im Einklang stehen.
Der EU-Kommission sei ein "ergänzendes fachliches Gespräch für weitere Informationen und Erläuterungen" angeboten worden. Sollten dennoch wegen der EU-Prüfung Änderungen an den Regelungen erforderlich werden, würden dem Gesetzgeber zum gegebenen Zeitpunkt entsprechende Vorschläge vorgelegt.
Die Bundesregierung bewertet das Gesetz als Erfolg: Umsatzsteuerausfälle beim Handel mit Waren im Internet zum Nachteil des deutschen Fiskus werden verhindert. Zudem werden steuerehrliche Unternehmen vor Wettbewerbsverzerrungen geschützt.
Verwiesen wird auf eine Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Finanzen des Landes Berlin v. 30.12.2019, wonach sich bereits 29.000 Unternehmen mit Sitz in China beim Finanzamt Neukölln registriert hätten. Mittlerweile seien mehr als 65-mal so viele Unternehmen wie 2017 registriert. Damals seien es lediglich 437 Online-Händler gewesen.
Quelle: Pressemitteilung Bundestag, hib 162/2020
13.02.2020
Der Bezug von Falschgeld im Rahmen eines beruflich veranlassten Geldwechselgeschäfts kann zu Werbungskostenabzug führen.
Ein im Vertrieb auf Provisionsbasis beschäftigter Arbeitnehmer, der im Zuge eines einem Maschinenverkauf vorgeschalteten Geldwechselgeschäfts Falschgeld untergeschoben bekommt, kann seinen Schaden steuerlich als Werbungskosten abziehen. Das hat das Hessische Finanzgericht entschieden (AZ. 9 K 593/18).
Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der für die Vermittlung von Maschinenverkäufen von seinem Arbeitgeber Provisionen erhält. Er fiel auf einen Kaufinteressenten herein, der behauptete, eine internationale Investorengruppe zu vertreten, die als Vorbedingung für den Kauf der Maschinen die Durchführung eines Geldwechselgeschäfts mit 500-Euro-Scheinen verlange, weil die Investorengruppe sich ihres entsprechenden Bestandes an 500-Euro-Noten wegen des gerüchteweise insbesondere in Italien bevorstehenden Einzugs solcher Banknoten entledigen wolle.
Nachdem die Verkaufsverhandlungen in einen vom Vorgesetzten des Klägers unterschriebenen Vorvertrag gemündet waren, traf sich der Kläger ohne Wissen seines Vorgesetzten mit dem Interessenten im europäischen Ausland in einem Hotel. Dort übergab er diesem 250.000 Euro in 200-Euro-Banknoten und erhielt im Gegenzug ebenfalls 250.000 Euro, jedoch in 500-Euro-Banknoten. Das von dem Kläger mitgeführte Geld stammte aus dessen privatem Bereich. Zunächst stellte der Kläger die Echtheit des erhaltenen Geldes direkt im Zuge der Übergabe im Hotel mithilfe eines Gerätes fest. Später erkannte er jedoch, dass das erhaltene Geld nach der Übergabe noch im Hotel und von ihm unbemerkt in offensichtliches Falschgeld ausgewechselt worden war. Das Finanzamt lehnte den geltend gemachten Werbungskostenabzug in Höhe von 250.000 Euro ab, da das Geldwechselgeschäft ohne das Wissen des Arbeitgebers durchgeführt worden und dem eigentlichen Kaufvertrag nur vorgeschaltet gewesen sei. Zudem sei der strafrechtliche Charakter des Geldwechselgeschäfts ganz offensichtlich gewesen.
Das Hessische Finanzgericht gab der hiergegen erhobenen Klage statt. Denn der vom Kläger erlittene Verlust aus dem Geldwechselgeschäft sei ausschließlich beruflich veranlasst gewesen. Eine private Mitveranlassung habe nicht bestanden. So erhalte der Kläger ausweislich des Arbeitsvertrages Verkaufsprovisionen für den Abschluss von Verkäufen über die von seinem Arbeitgeber angebotenen Maschinen. Wenn der Verkauf der Maschinen in Millionenhöhe an die angebliche Investorengruppe zustande gekommen wäre, hätte der Kläger von seinem Arbeitgeber eine entsprechende Provision erhalten, was der Vorgesetzte in der mündlichen Verhandlung als Zeuge bestätigt habe.
Der Interessent habe den Abschluss des Kaufvertrages zudem von dem Geldwechselgeschäft im Sinne einer Vorbedingung abhängig gemacht und den Vorvertrag auch erst im Zuge des Geldwechsels im Hotel unterschrieben. Der Kläger habe damit das Geld in der Erwartung gewechselt, Arbeitslohn in Form einer Provision zu erlangen. Die erforderliche Kausalität zwischen Geldwechselgeschäft und Provision liege damit vor.
Dass das Geldwechselgeschäft dem Kaufvertrag vorgeschaltet gewesen sei, lasse die berufliche Veranlassung des Wechselgeschäfts nicht entfallen. Auch seien eine etwaige Fahrlässigkeit des Klägers und der fehlende wirtschaftliche Sinn des Wechselgeschäftes für den Werbungskostenabzug unerheblich. In Betrugsfällen sei die objektive Untauglichkeit der Aufwendungen auch nicht erkennbar. Für ein etwaiges strafbares Verhalten des Klägers und insbesondere für ein kriminelles Zusammenwirken des Klägers mit dem Interessenten sei nach den konkreten Umständen nicht ersichtlich.
Quelle: https://finanzgerichtsbarkeit.hessen.de/sites/finanzgerichtsbarkeit.hessen.de/files/PM%20WK%20Falschgeld_0.pdf
13.02.2020
Das Hessische Finanzgericht hatte unter dem Aktenzeichen 4 K 890/17 nunmehr erstmalig über eine sog. Cum-/cum-Gestaltung zu entscheiden, nachdem es bereits 2016 und 2017 zwei Grundsatzentscheidungen (4 K 1684/14 und 4 K 977/14) zu Cum-/ex-Aktiengeschäften (mehrfache Erstattung einmal gezahlter Kapitalertragsteuer) getroffen hat.
Bei den Cum-/cum-Geschäften werden Aktien ausländischer Anteilseigner vor dem Dividendenstichtag an inländische Gesellschaften, zumeist Banken, verkauft oder verliehen und nach dem Dividendenstichtag zurückübertragen mit dem Ziel, die gesetzlich vorgesehene pauschale Versteuerung ausländischer Dividendenerträge zu umgehen.
Der 4. Senat des Hessischen Finanzgerichts hat am 28.01.2020 entschieden, dass bei der Übertragung der Aktien über den Dividendenstichtag aufgrund der vertraglichen Gestaltung lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition an den Aktien, eine leere Eigentumshülle, verschafft worden ist und die Geschäfte von vornherein darauf angelegt waren, dem ursprünglichen Aktieninhaber die Erträge aus den Aktien im wirtschaftlichen Sinne zukommen zu lassen. Dies hat zur Folge, dass der ausländische Aktieninhaber wirtschaftlicher Eigentümer und damit Anteilseigner geblieben ist, dem die Dividendenerträge, die zum Kapitalertragsteuerabzug berechtigen, zuzurechnen sind. Der klagenden inländischen Gesellschaft wurde damit durch das Gericht mangels wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien der beantragte Kapitalertragsteuerabzug versagt.
Zusätzlich hat der Senat zur Beseitigung der sonstigen steuerlichen Folgen des gescheiterten Cum-/cum-Gestaltungsmodells für die vertraglichen Vereinbarungen einen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO bejaht. Nach § 42 AO ist eine Gestaltung rechtsmissbräuchlich, wenn sie -gemessen an dem erstrebten wirtschaftlichen Ziel- einen unangemessenen Weg wählt, der nur einer den Wertungen des Gesetzgebers widersprechenden Steuerminderung dienen soll, ohne dass sonstige beachtliche nichtsteuerliche Gründe für die Gestaltung vorliegen. Die Beurteilung als Gestaltungsmissbrauch führt steuerlich zur Rückabwicklung der Geschäfte.
Der 4. Senat des Hessischen Finanzgerichts beschäftigte sich außerdem mit der Frage, ob bei einem Teil der Aktiengeschäfte neben der Verhinderung der Besteuerung der Dividendenerträge durch den ausländischen Anteilseigner mit der Weitergabe der Aktien an eine dritte Gesellschaft im Tausch gegen Zinserträge aus Staatsanleihen die Steuerfreistellung der Dividendenerträge nach § 8b Abs. 1 KStG erreicht und somit die Vorschrift des § 8b Abs. 7 KStG, der eine Besteuerung der Dividendenerträge für Banken und sonstige Finanzinstitute vorsieht, umgangen werden sollte.
Quelle: https://finanzgerichtsbarkeit.hessen.de/sites/finanzgerichtsbarkeit.hessen.de/files/PM%20Cum-cum%2030.01.2020g_0.pdf
13.02.2020
Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist es nicht als Unternehmer tätig. Dies hat der Bundesfinanzhof entgegen bisheriger Rechtsprechung mit Urteil vom 27.11.2019 - V R 23/19 (V R 62/17) entschieden.
Der Kläger war leitender Angestellter der S-AG und zugleich Aufsichtsratsmitglied der E-AG, deren Alleingesellschafter die S-AG war. Nach der Satzung der E-AG erhielt jedes Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine jährliche Festvergütung von 20.000 € oder einen zeitanteiligen Anteil hiervon. Der Kläger wandte sich gegen die Annahme, dass er als Mitglied des Aufsichtsrats Unternehmer sei und in dieser Eigenschaft umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringe. Einspruch und Klage zum Finanzgericht hatten keinen Erfolg.
Demgegenüber gab der BFH der Klage statt. Er begründete dies mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zur Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, die bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sei. Nach der EuGH-Rechtsprechung übe das Mitglied eines Aufsichtsrats unter bestimmten Voraussetzungen keine selbständige Tätigkeit aus. Maßgeblich ist, dass das Aufsichtsratsmitglied für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelt und dabei auch kein wirtschaftliche Risiko trägt. Letzteres ergab sich in dem vom EuGH entschiedenen Einzelfall daraus, dass das Aufsichtsratsmitglied eine feste Vergütung erhielt, die weder von der Teilnahme an Sitzung noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängig war.
Dem hat sich der BFH in seinem neuen Urteil unter Aufgabe bisheriger Rechtsprechung für den Fall angeschlossen, dass das Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine Festvergütung erhält. Ausdrücklich offengelassen hat der BFH, ob für den Fall, dass das Aufsichtsratsmitglied eine variable Vergütung erhält, an der Unternehmereigenschaft entsprechend bisheriger Rechtsprechung festzuhalten ist.
Quelle: https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bfh&Art=pm&Datum=2020&nr=43646&linked=urt
06.02.2020
Nach den Vorgaben des Gesetzes zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen (Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz -FKAustG) werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zum 30. September 2020 zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates im Sinne des § 1 Absatz 1 FKAustG automatisch ausgetauscht (§ 27 Absatz 1 FKAustG).
Dem BZSt sind hierfür von den meldenden Finanzinstituten die Finanzkontendaten zu den meldepflichtigen Konten nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch im Wege der Datenfernübertragung zum 31. Juli 2020 zu übermitteln (§ 27 Absatz 2 FKAustG).
Zu den Staaten im Sinne des § 1 Absatz 1 FKAustG, mit denen der automatische Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen erfolgt, zählen
* Mitgliedstaaten der Europäischen Union
* Drittstaaten, die Vertragsparteien der von der Bundesrepublik Deutschland in Berlin unterzeichneten Mehrseitigen Vereinbarung vom 29. Oktober 2014 zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten (BGBl. 2015 II Seiten 1630, 1632) sind
* Drittstaaten, die Verträge mit der Europäischen Union zur Vereinbarung des automatischen Austauschs von Informationen über Finanzkonten geschlossen haben
* Drittstaaten, mit denen die Bundesrepublik Deutschland ein Abkommen über den steuerlichen Informationsaustausch geschlossen hat
Um eine Einsicht in die vorläufige FKAustG-Staatenaustauschliste zu bekommen, folgen Sie dem Link.
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Internationales_Steuerrecht/Allgemeine_Informationen/2020-01-28-automatischer-austausch-von-informationen-ueber-finanzkonten-in-steuersachen-nach-dem-finanzkonten-informationsaustauschgesetz-FKAustG.pdf?__blob=publicationFile&v=3
30.01.2020
Hiermit wollen wir Ihnen eine Übersicht über den gegenwärtigen Stand der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und anderer Abkommen im Steuerbereich sowie der Abkommensverhandlungen geben.
Zur Rechtslage nach dem Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) ist auf Folgendes hinzuweisen:
Vereinbarungen über die Fortgeltung des DBA mit der SFRJ vom 26. März 1987 wurden geschlossen mit der:
* Republik Bosnien und Herzegowina,
* Republik Serbien,
* Republik Kosovo und
* Montenegro
Zur Rechtslage nach dem Zerfall der Sowjetunion ist auf Folgendes hinzuweisen:
Vereinbarungen über die Fortgeltung des DBA mit der UdSSR vom 24. November 1981 wurden geschlossen mit der:
* Republik Moldau Vereinbarungen über die Fortgeltung des DBA mit der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik vom 19. Dezember 1980 wurden mit
Zur Rechtslage nach der Teilung der Tschechoslowakei ist auf Folgendes hinzuweisen:
* der Slowakischen Republik und
* mit der Tschechischen Republik getroffen.
Hongkong wurde mit Wirkung ab 1. Juli 1997 ein besonderer Teil der Volksrepublik China (Hongkong Special Administrative Region). Das allgemeine Steuerrecht der VR China gilt dort nicht. Damit ist das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der VR China abgeschlossene DBA vom 28. März 2014 in Hongkong nicht anwendbar. Ausführungen zu Hongkong (außer Luftfahrtunternehmen) gelten in entsprechender Weise auch für Macau nach dessen Übergabe am 20. Dezember 1999 an die VR China (Macau Special Administrative Region).
Aufgrund des besonderen völkerrechtlichen Status von Taiwan wurde ein Steuerabkommen nur von den Leitern des Deutschen Instituts in Taipeh und der Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet. Das Gesetz vom 2. Oktober 2012 zum diesbezüglichen Abkommen vom 19. und 28. Dezember 2011 zwischen dem Deutschen Institut in Taipeh und der Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung hinsichtlich der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ist veröffentlicht (BGBl. 2012 I S. 2079; BStBl 2013 I S. 20). Das Abkommen ist nach seinem Inkrafttreten (BGBl. 2012 I S. 2461; BStBl 2013 I S. 33) ab 1. Januar 2013 anzuwenden.
Quelle: BMF-Schreiben vom 17. Januar 2020
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Internationales_Steuerrecht/Allgemeine_Informationen/2020-01-15-stand-DBA-1-januar-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=2
30.01.2020
Mit § 22 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) in Verbindung mit dem § 23 EStG werden private Veräußerungsgeschäfte als zu versteuerndes Einkommen erfasst. Gem. § 23 EStG unterliegen Grundstücksveräußerungen der Einkommensteuer, wenn das Grundstück in dem Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Hiervon bestehen jedoch Ausnahmen:
Einerseits wenn im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung die Immobilie ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden. Letztere Alternative hat dem Kläger schließlich zum Erfolg gebracht.
Der Kläger erwarb 2006 eine Eigentumswohnung, die er bis einschließlich April 2014 durchgehend zu eigenen Wohnzwecken nutzte und am 17.12.2014 wieder veräußerte. Im Zeitraum von Mai 2014 bis zur Veräußerung im Dezember 2014 hatte der Kläger die Wohnung an Dritte vermietet. Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) ermittelte hieraus einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
Ausnahme: Vermietung an Dritte sind unschädlich, wenn….
… die Wohnung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Dabei muss die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung und im zweiten Jahr vor der Veräußerung nicht während des gesamten Kalenderjahrs vorgelegen haben; vielmehr genügt ein zusammenhängender Zeitraum der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt, ohne sie --mit Ausnahme des ersten Jahres vor der Veräußerung ("mittleres Kalenderjahr")-- voll auszufüllen.
Das bedeutet: Ausreichend für die Anwendung der Ausnahmevorschrift ist eine zusammenhängende Nutzung von einem Jahr und zwei Tagen - wobei sich die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auf das gesamte mittlere Kalenderjahr erstrecken muss, während die eigene Wohnnutzung im zweiten Jahr vor der Veräußerung und im Veräußerungsjahr nur jeweils einen Tag zu umfassen braucht, so der BFH.
Mit den Ausnahmetatbeständen des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG wollte der Gesetzgeber gerade auch ungerechtfertigte Besteuerungen von Veräußerungsgewinnen bei Aufgabe des Wohnsitzes (z. B. wegen Arbeitsplatzwechsels) vermeiden (BT-Drucks. 14/23 S. 180).
Denn ein zum Umzug gezwungener Arbeitnehmer müsste anderenfalls, um eine steuerpflichtige Veräußerung zu vermeiden, die Wohnung bis zur Veräußerung leer stehen lassen. Durch die Zwischenvermietung anstatt des Leerstands der Wohnung kann u. U. auch die Attraktivität der zu veräußernden Wohnung für Kaufinteressenten gesteigert werden.
Quelle: BFH-Urteil vom 03.09.2019 - IX R 10/19
16.01.2020
Bund der Steuerzahler fordert: Ausgaben müssen steuerlich besser anerkannt werden / Politik sollte Bildungschancen verbessern
Das Bundesverfassungsgericht hält die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Erst- und Zweitausbildungskosten für verfassungsgemäß. „Die Politik sollte das Urteil zum Anlass nehmen, über die steuerliche Behandlung von Erststudienkosten neu nachzudenken“, fordert der Präsident des Bundes der Steuerzahler (BdSt), Reiner Holznagel. „Bildung ist ein wichtiges Gut in unserem Land – deshalb sollte der Gesetzgeber alle Möglichkeiten nutzen, dies zu unterstützen. Dazu zählt aus Sicht des Bundes der Steuerzahler auch, Kosten für Ausbildung und Studium gleichermaßen als Werbungskosten anzuerkennen.“
Deshalb unterstützten wir die Klage eines Studenten
Anlass für die Entscheidung ist die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Studien- und Ausbildungskosten. Während die Ausgaben für ein zweites Studium – zum Beispiel ein Masterstudium, ein duales Studium oder eine Lehre – vollständig als Werbungskosten geltend gemacht werden dürfen, bleibt Studierenden im Erststudium oder Auszubildenden ohne Ausbildungsdienstverhältnis nur der Sonderausgabenabzug.
Dieser läuft jedoch meist ins Leere, weil die Studierenden und Auszubildenden in der Regel noch nicht über ein eigenes Einkommen verfügen.
Aufgrund dieser Benachteiligung hatte der BdSt die Klage eines BWL-Studenten unterstützt, der die Kosten für sein Studium als Werbungskosten absetzen wollte (Az.: 2 BvL 24/14). Der Bundesfinanzhof war unserer Argumentation gefolgt und hatte die Rechtsfrage daher dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Anders als das oberste deutsche Steuergericht sahen die Karlsruher Verfassungsrichter nun aber keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Grund: Das Verfassungsgericht sieht in den Erstausbildungskosten eine Nähe zum privaten Bereich. Zudem diene das Erststudium auch der Persönlichkeitsbildung und sei noch von der Unterhaltspflicht der Eltern umfasst.
02.01.2019
Die Klägerin betreibt eine internationale Spedition. Sie hatte Bußgelder, die gegen ihre zwei Fahrer wegen Überschreitung von Lenkzeiten und der Nichteinhaltung von Ruhezeiten festgesetzt worden waren, für ihre Fahrer bezahlt, ohne dafür Lohnsteuer einzubehalten. Der Beklagte (das Finanzamt – FA -) war der Auffassung, es handelt sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn.
Der Bundesfinanzhof (BFH) stimmte der Entscheidung des Finanzgerichtes (FG) zu, dass die Zahlung der gegen die Arbeitnehmer der Klägerin verhängten Bußgelder durch die Klägerin bei deren Arbeitnehmern zu Arbeitslohn führt.
Damit hält der BFH an seine Entscheidung vom 07.07.2004, VI R 29/00 nicht mehr fest. In dieser Entscheidung betrieb ein Arbeitgeber einen Paketzustelldienst. Aufgrund der Verletzung des Halteverbots seiner Fahrer, übernahm der Arbeitgeber deren Bußgelder, welche nicht als Arbeitslohn erachten worden sind vom BFH.
Begriff des „Arbeitslohns“
Ausgehend von den Regelungen des § 19 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) und des § 2 Abs. 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) definiert der BFH den Begriff des Arbeitslohns in ständiger Rechtsprechung als jedweden geldwerten Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird, weil der Zurechnungsempfänger Arbeitnehmer des Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist.
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der BFH der Überzeugung, dass die Übernahme der Bußgelder für die Überschreitung von Lenkzeiten und die Unterschreitung von Ruhezeiten durch die Klägerin Lohnzahlungen darstellen. Die Zahlungen erfolgten als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft der Arbeitnehmer.
Fallgruppen, die nicht als Arbeitslohn betrachtet werden
Vorteile des Arbeitgebers (ArbG) an Arbeitnehmern (ArbN) sind nicht als Arbeitslohn anzusehen, wenn sie sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen (1) erweisen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des ArbG gewährt werden.
Das heißt, liegt die Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des ArbG höher als die Bereicherung des ArbN, liegt kein Arbeitslohn vor.
Hiervon sind z.B. umfasst Fortbildung des ArbN und Kosten eines Führerscheins für betrieblich notwendige Fahrzeuge. Das eigenbetriebliche Interesse des ArbG ist nämlich, dass der ArbN durch die Fortbildung besser im Betrieb arbeiten kann, weil ihm das notwendige Wissen vermittelt worden ist oder er mit dem notwendigen Führerschein, einen größeren LKW fahren kann, damit der Betrieb mehr Umsatz erzielt.
Andere interessante Fallgruppen sind Vorteile, die der Belegschaft als Gesamtheit (2) zugutekommen oder die dem AN aufgedrängt (3) werden.
Diese sind aber für die vorliegende Fallanalyse nicht von Bedeutung. Deswegen werden nur kurz Beispiele genannt: zu (2) die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes oder von gemeinsam zu nutzenden Räumlichkeiten, etwa der Kantine und Betriebsveranstaltungen; zu (3) Vorsorgeuntersuchungen.
Korrektur zur alten Auffassung des BFH
Früher sah der BFH das eigenbetriebliche Interesse des ArbG darin, dass er seinen ArbN die konkrete betriebliche Anweisung erteilte, auch dort zu parken, wo der Betrieb keine Ausnahmegenehmigung zum Parken hatte, § 46 StVO. Schließlich war es dem Postboten durch die Anweisung möglich, schneller seine Post an den Empfänger zu überreichen.
Nach neuer Rechtsprechung soll bei Bußgeldern, die gegen ArbN aus Anlass ihrer Arbeitstätigkeit verhängt und vom ArbG übernommen werden, immer Arbeitslohn vorliegen, da ein rechtswidriges Tun keine Grundlage betrieblicher Ziele sein und somit kein überwiegendes betriebliches Interesse vorliegen könne.
Danach ist insbesondere entscheidend, dass ungeachtet der Frage, ob der ArbG ein solches rechtswidriges Verhalten angewiesen hat und anweisen darf, jedenfalls auf einem solchen rechtswidrigen Tun der Betrieb auch nicht teilweise gründen kann und daher insoweit keine beachtlichen betriebsfunktionalen Gründe vorliegen können.
Zuletzt ist für den ArbN noch zu nennen, dass er selbst gezahlte Bußgelder aufgrund Abzugsverbots nicht als Werbungskosten geltend machen kann gemäß § 4 Abs. 5 S.1 Nr. 8 EStG i.V.m § 9 Abs. 5 EStG.
Quelle: BFH, Urteil vom 14. 11. 2013 – VI R 36/12
17.12.2019
Tragen Eltern Gerichts- und Anwaltskosten für eine sogenannte Kapazitätsklage mit dem Ziel, ihrem Kind einen Studienplatz zu verschaffen, führt dies nicht zu außergewöhnlichen Belastungen. So lautet eine aktuelle Entscheidung des Finanzgerichts Münster.
Sachverhalt
Die ZVS hatte den Sohn der Steuerpflichtigen nicht zum Medizinstudium zugelassen. Daraufhin erhob sie eine Kapazitätsklage, weil einige Universitäten ihre Ausbildungskapazitäten nicht vollständig ausgeschöpft hätten. Die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten machte sie in ihrer Steuererklärung als außergewöhnliche Belastungen geltend – letztlich aber ohne Erfolg.
Bei den Prozesskosten handelt es sich um typische Aufwendungen für eine Berufsausbildung. Hierunter fielen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aus 1984 auch erhöhte Kosten, die durch das Bewerbung- oder Auswahlverfahren entstehen. Diese Rechtsprechung, so das Finanzgericht, ist auch nach dem Wegfall des allgemeinen Ausbildungsfreibetrags anwendbar, da nunmehr die Freibeträge des § 32 Abs. 6 Einkommensteuergesetz den Ausbildungsbedarf eines Kindes umfassen.
Quelle: FG Münster, Urteil vom 13.8.2019, Az. 2 K 3783/18 E
17.12.2019
Nach neuer Sichtweise der Finanzverwaltung kann ein im Gesamthandsbereich einer Personengesellschaft beanspruchter Investitionsabzugsbetrag für Investitionen eines Gesellschafters im Sonderbetriebsvermögen verwendet werden. Da auch der umgekehrte Fall möglich ist, eröffnet das Gestaltungsmöglichkeiten.
Unternehmen können für die künftige (Investitionszeitraum von drei Jahren) Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40 % der voraussichtlichen Anschaffungs-/Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen. Der so erzielbare Steuerstundungseffekt soll Investitionen erleichtern. Voraussetzung ist u. a., dass das Wirtschaftsgut mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahrs in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs (fast) ausschließlich betrieblich genutzt wird.
Da nur kleine und mittlere Unternehmen gefördert werden sollen, dürfen bestimmte Größenmerkmale nicht überschritten werden. Die Größenmerkmale hängen von der Art der Gewinnermittlung ab:
* Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich: Betriebsvermögen ≤ 235.000 EUR,
* Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung: Gewinn ≤ 100.000 EUR (ohne Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrags).
Werden bis zum Ende des dreijährigen Investitionszeitraums keine (ausreichenden) Investitionen getätigt, die zu Hinzurechnungen geführt haben, sind insoweit noch vorhandene Investitionsabzugsbeträge in der Veranlagung (zinswirksam) rückgängig zu machen, in der der Abzug erfolgte.
Neben Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften können auch Personengesellschaften den Investitionsabzugsbetrag nutzen. Dieser kann sowohl vom gemeinschaftlichen Gewinn als auch vom Sonderbetriebsgewinn eines Mitunternehmers abgezogen werden. Nachdem das Bundesfinanzministerium kürzlich einen für Personengesellschaften erfreulichen Beschluss des Bundesfinanzhofs zur Bildung eines Investitionsabzugsbetrags umgesetzt hat, ist nun auch Folgendes zulässig:
* Im Bereich des gemeinschaftlichen Gewinns einer Personengesellschaft in Anspruch genommene Investitionsabzugsbeträge können für begünstigte Investitionen eines ihrer Gesellschafter im Sonderbetriebsvermögen verwendet werden.
* Entsprechendes gilt für im Bereich des Sonderbetriebsgewinns eines Gesellschafters beanspruchte Investitionsabzugsbeträge bei begünstigten Investitionen im Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft.
Durch die neue Verwaltungssichtweise können so steuerpflichtige Ergebnisse von einem zum anderen Gesellschafter verlagert werden. Dies kann insbesondere vor dem Hintergrund unterschiedlicher Steuersätze eine interessante Überlegung sein.
Da das Gesamthands- und das Sonderbetriebsvermögen als eine Einheit zu betrachten sind, sind folgende Gestaltungen indes nicht möglich:
* Die Anschaffung eines begünstigten Wirtschaftsguts liegt nicht vor, wenn ein Gesellschafter ein Wirtschaftsgut von der Personengesellschaft erwirbt oder
* die Personengesellschaft oder ein anderer Gesellschafter ein Wirtschaftsgut erwirbt, das zuvor zum Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters gehörte.
Quelle: BMF-Schreiben vom 26.8.2019, Az. IV C 6
17.12.2019
Am 15.11.2019 hat der Bundestag das „Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht“ verabschiedet. Jetzt muss noch der Bundesrat zustimmen. Enthalten sind einige Steuerentlastungen, die man im Blick haben sollte.
Ermäßigte Umsatzsteuer für Bahnfahrten
Bei der Umsatzsteuer werden derzeit u. a. die Umsätze im schienengebundenen Personennahverkehr mit 7 % ermäßigt besteuert. Die Begünstigung soll nun (ab 1.1.2020) auf den schienengebundenen Personenfernverkehr im Inland erweitert werden, ohne dass es auf die Beförderungsstrecke ankommt.
Erhöhung der Entfernungspauschale
Die Entfernungspauschale für Berufspendler soll ab 2021 um dann 5 Cent auf 35 Cent ab dem 21. Kilometer erhöht werden (für die ersten 20 Kilometer bleibt die Pauschale von 30 Cent je Entfernungskilometer bestehen). Ende 2026 soll diese Regelung auslaufen. Ebenfalls befristet auf sechs Jahre soll die Anhebung der Entfernungspauschale auch für Familienheimfahrten bei der doppelten Haushaltsführung gelten.
Einführung einer Mobilitätsprämie
Alternativ zu den erhöhten Entfernungspauschalen sollen Geringverdiener für die Veranlagungszeiträume 2021 bis 2026 auch eine sogenannte Mobilitätsprämie wählen können. Folgende Regelungen sind vorgesehen:
Bemessungsgrundlage der Mobilitätsprämie sind die erhöhten Entfernungspauschalen, allerdings begrenzt auf den Betrag, um den das zu versteuernde Einkommen den steuerfreien Grundfreibetrag (in 2020: 9.408 EUR) unterschreitet.
Bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gilt dies nur, soweit die erhöhten Entfernungspauschalen zusammen mit den übrigen Werbungskosten den Arbeitnehmer-Pauschbetrag in Höhe von 1.000 EUR übersteigen.
Die Mobilitätsprämie beträgt 14 % dieser Bemessungsgrundlage.
Beispiel
Arbeitnehmer (AN) A fährt an 150 Tagen zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Die einfache Entfernung beträgt 40 Kilometer. Seine übrigen Werbungskosten betragen 500 EUR. Sein zu versteuerndes Einkommen (zvE) beträgt 7.000 EUR.
Ermittlung Werbungskosten
Entfernungspauschale für die ersten 20 km = 900 EUR (150 Tage x 20 km x 0,30 EUR).
Erhöhte Entfernungspauschale ab dem 21. km = 1.050 EUR (150 Tage x 20 km x 0,35 EUR).
Gesamte Werbungskosten = 2.450 EUR (900 EUR + 1.050 EUR + 500 EUR).
Der AN-Pauschbetrag (1.000 EUR) wird somit um 1.450 EUR überschritten.
Davon entfallen auf die erhöhte Entfernungspauschale 1.050 EUR.
Ermittlung Mobilitätsprämie
Das zvE (7.000 EUR) unterschreitet den Grundfreibetrag (9.408 EUR) um 2.408 EUR.
Die erhöhte Entfernungspauschale (1.050 EUR) liegt innerhalb des Betrags, um den das zvE den Grundfreibetrag unterschreitet und hat insoweit zu keiner Entlastung geführt. Die Mobilitätsprämie beträgt somit 147 EUR (1.050 EUR x 14 %).
Beispiel
Wie das Beispiel zuvor, aber A hat keine sonstigen Werbungskosten und das zvE beträgt 9.000 EUR.
Ermittlung Werbungskosten
Die Werbungskosten (1.950 EUR) überschreiten den AN-Pauschbetrag um 950 EUR. Von der erhöhten Entfernungspauschale (1.050 EUR) sind folglich auch nur 950 EUR für die Mobilitätsprämie berücksichtigungsfähig.
Ermittlung Mobilitätsprämie
Das zvE (9.000 EUR) unterschreitet den Grundfreibetrag (9.408 EUR) um 408 EUR.
Die erhöhte Entfernungspauschale (950 EUR) liegt mit 408 EUR innerhalb des Betrags, um den das zvE den Grundfreibetrag unterschreitet und hat in dieser Höhe zu keiner steuerlichen Entlastung geführt. 542 EUR (950 EUR abz. 408 EUR) haben sich hingegen über den Werbungskostenabzug ausgewirkt. Die Mobilitätsprämie beträgt somit 57 EUR (408 EUR x 14 %).
Energetische Sanierung
Energetische Maßnahmen an einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten eigenen Gebäude (begünstigtes Objekt) sollen ab 2020 durch eine Steuerermäßigung gefördert werden. Voraussetzung: Das Objekt ist bei der Durchführung der Maßnahme älter als zehn Jahre (maßgebend ist der Herstellungsbeginn).
Begünstigte Maßnahmen sind:
* Wärmedämmung von Wänden, Dachflächen und Geschossdecken
* Erneuerung der Fenster, Außentüren oder der Heizungsanlage
* Erneuerung oder Einbau einer Lüftungsklage
* Einbau von digitalen Systemen zur energetischen Betriebs- und Verbrauchs-
optimierung
* Optimierung bestehender Heizungslagen, sofern diese älter als zwei Jahre sind.
Die Steuerermäßigung soll über drei Jahre verteilt werden. Insgesamt soll je Objekt ein Förderbetrag in Höhe von 20 % der Aufwendungen (höchstens jedoch 40.000 EUR) für diese begünstigten Einzelmaßnahmen bestehen. Damit könnten Aufwendungen bis 200.000 EUR berücksichtigt werden.
Ein Steuerabzug scheidet aus, soweit die Kosten als Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden sind. Wird bereits die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen beansprucht, ist eine Steuerermäßigung für diese Aufwendungen ebenfalls ausgeschlossen.
Quelle: Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht, BT-Drs. 19/15125 vom 13.11.2019
17.12.2019
Eine rückwirkend auf den Vertragsbeginn vereinbarte Verzinsung eines zunächst unverzinslich gewährten Darlehens ist bilanzsteuerrechtlich unbeachtlich, sofern diese Vereinbarung erst nach dem Bilanzstichtag getroffen wird. Zudem hat der Bundesfinanzhof in dieser Entscheidung gegen die Höhe des Abzinsungssatzes (5,5 %) keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert – zumindest für Jahre bis 2010.
Sachverhalt
Eine Steuerpflichtige erhielt in 2010 für ihren Gewerbebetrieb von einem Dritten ein langfristiges, unverzinsliches Darlehen. Während einer Betriebsprüfung legte sie eine Zusatzvereinbarung mit einer ab dem 1.1.2012 beginnenden Verzinsung von jährlich 2 % vor. Später wurde der Ursprungsvertrag aufgehoben und rückwirkend ab 2010 eine Verzinsung mit 1 % vereinbart. Das Finanzgericht Köln erkannte das Darlehen zwar dem Grunde nach an, ließ die nachträglichen Verzinsungsabreden aber bilanziell unberücksichtigt, sodass sich ein Abzinsungsgewinn ergab.
Der Bundesfinanzhof bestätigte insoweit die Entscheidung der Vorinstanz. Zeitlich nach dem jeweiligen Bilanzstichtag getroffene Zinsabreden können – selbst wenn sie zivilrechtlich rückwirkend erfolgen – erst für künftige Wirtschaftsjahre berücksichtigt werden.
Den gesetzlichen Abzinsungssatz von 5,5 % hielt der Bundesfinanzhof jedenfalls im Jahr 2010 noch für verfassungsgemäß. So lag der vergleichsweise heranzuziehende Zins am Fremdkapitalmarkt Ende 2010 noch knapp unter 4 %.
Quelle: BFH-Urteil vom 22.5.2019, Az. X R 19/17
17.12.2019
Mit dem „Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes“ will die Bundesregierung erreichen, dass Immobilieninvestoren die Grunderwerbsteuer nicht mehr so leicht umgehen können. Im Kern geht es darum, Steuergestaltungen mittels Share Deals im Grunderwerbsteuerrecht einzudämmen. Doch dieses Gesetz wird nun nicht mehr in 2019 verabschiedet werden.
Ursprünglich sollte das Gesetz bis Ende November 2019 in „trockenen Tüchern“ sein und die Änderungen zum 1.1.2020 in Kraft treten. In einer Pressemitteilung vom 24.10.2019 hat die SPD-Bundestagsfraktion aber nun mitgeteilt, dass die Neuregelungen nicht am 1.1.2020 in Kraft treten werden. Vielmehr soll das Gesetzgebungsverfahren im ersten Halbjahr 2020 zum Abschluss gebracht werden.
Quelle: SPD-Bundestagsfraktion, Pressemitteilung vom 24.10.2019
17.12.2019
Der Bundesrat hat der Reform der Grundsteuer und dem Dritten Bürokratieentlastungsgesetz zugestimmt. Die Gesetzespakete können somit alsbald in Kraft treten.
Reform der Grundsteuer: Ab 2025 wird die Grundsteuer nach neuen Regeln erhoben. Neu ist hier insbesondere, dass die Grundstücke nun nach einem wertabhängigen Modell bewertet werden. Nach der Grundgesetzänderung können die Bundesländer aber vom wertabhängigen „Bundes-Modell“ abweichen.
Derzeit ist noch unklar, welche Bundesländer von dieser Öffnungsklausel Gebrauch machen werden und ob bzw. welche Kommunen ihren Hebesatz anpassen. Somit ist noch keine verlässliche Aussage zu den finanziellen Auswirkungen im Einzelfall möglich.
Drittes Bürokratieentlastungsgesetz: Von den Maßnahmen sind steuerlich insbesondere folgende Punkte relevant:
* Für die betriebliche Gesundheitsförderung wurde der Freibetrag von 500 EUR auf 600 EUR je Arbeitnehmer im Kalenderjahr angehoben. Dies gilt ab 2020.
* Der Vorjahresumsatz für die umsatzsteuerliche Kleinunternehmergrenze wurde von 17.000 EUR auf 22.000 EUR angehoben. Die Neuregelung tritt am 1.1.2021 in Kraft.
* Für Neugründer wurde die Verpflichtung zur monatlichen Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung für die Besteuerungszeiträume 2021 bis 2026 ausgesetzt.
Quelle: 982. Sitzung des Bundesrates vom 8.11.2019
12.12.2019
Erteilen Ehegatten einen gemeinsamen Freistellungsauftrag, kann eine übergreifende Verrechnung von Verlusten über alle Konten und Depots der Ehegatten erfolgen. Falls lediglich die übergreifende Verlustverrechnung beantragt werden soll, kann auch ein Freistellungsauftrag über 0 EUR erteilt werden.
Hat ein Anleger bei einer Bank einen Verlust erzielt und bei einer anderen Bank positive Einkünfte erwirtschaftet, ist eine Verrechnung zwischen den Banken nicht möglich. In diesen Fällen gibt es folgende Option: Stellt der Steuerpflichtige bis zum 15.12. des jeweiligen Jahres bei dem Kreditinstitut, bei dem sich der Verlustverrechnungstopf befindet, einen Antrag auf Verlustbescheinigung, kann er bei der Veranlagung eine Verlustverrechnung vornehmen.
Der Verlust wird dann aus dem Verrechnungstopf der Bank herausgenommen und die Bank beginnt 2020 wieder bei Null.
12.12.2019
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 23. Oktober 2018 I R 54/16 entschieden, dass der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft ständiger Vertreter sein kann. Dies führt zur beschränkten Körperschaftsteuerpflicht des ausländischen Unternehmens, selbst wenn dieses im Inland keine Betriebsstätte unterhält.
Der vom BFH entschiedene Fall betrifft eine luxemburgische Aktiengesellschaft, deren Geschäftsführer sich regelmäßig in Deutschland aufhielt, um dort Goldgeschäfte für diese anzubahnen, abzuschließen und abzuwickeln. Das Finanzamt ging von der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht der Aktiengesellschaft aus, weil der Geschäftsführer ständiger Vertreter des Unternehmens im Sinne des § 13 AO gewesen sei. Das Finanzgericht (FG) sah die Sache allerdings anders und gab der Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid statt.
Der BFH hob das Urteil des FG auf. Nach § 13 der Abgabenordnung (AO) ist ständiger Vertreter eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Da die Regelung einen Vertreter und daneben ein Unternehmen voraussetzt, ist umstritten, ob der Geschäftsführer als Organ der Kapitalgesellschaft diese Voraussetzungen erfüllen kann. Denn nach deutschem Zivilrecht handelt das Unternehmen selbst, wenn seine Organe tätig werden.
Der BFH hat den Streit nunmehr entschieden. Nach dem Zweck des Gesetzes und seinem Wortlaut können im Steuerrecht grundsätzlich auch solche Personen ständige Vertreter sein, die im Zivilrecht als Organe der Kapitalgesellschaft anzusehen sind. Für die ausländische Kapitalgesellschaft, die weder Sitz noch Geschäftsleitung in Deutschland hat, folgt hieraus die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht gemäß § 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, ohne dass es noch auf das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte ankäme.
Pressemitteilung:https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.pyGericht=bfh&Art=pm&Datum=2019-4&anz=5&pos=
2&nr=40119&linked=pm
12.12.2019
Eigentlich müssen bestimmte elektronische Aufzeichnungssysteme (insbesondere elektronische Kassensysteme und Registrierkassen) ab dem 1.1.2020 über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) verfügen. Weil die Sicherheitseinrichtungen aber nicht (flächendeckend) am Markt verfügbar sind, beanstandet es das Bundesfinanzministerium nicht, wenn die Aufzeichnungssysteme bis zum 30.9.2020 noch nicht über eine TSE verfügen.
Bis zur Implementierung der TSE, längstens für den Zeitraum der Nichtbeanstandung, ist die digitale Schnittstelle der Finanzverwaltung für Kassensysteme (DSFinV-K) nicht anzuwenden.
Zudem wird von der Meldung der Kassen und Aufzeichnungsgeräte an die Finanzverwaltung (vgl. § 146a Abs. 4 der Abgabenordnung) bis zum Einsatz einer elektronischen Übermittlungsmöglichkeit abgesehen. Der Zeitpunkt des Einsatzes der Übermittlungsmöglichkeit wird im Bundessteuerblatt bekannt gegeben.
Quelle: BMF-Schreiben vom 6.11.2019, Az. IV A 4 -S 0319/19/10002
12.12.2019
Der Bundestag hat das „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (sogenanntes Jahressteuergesetz 2019) am 07.11.2019 beschlossen. Vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrats kann es somit in Kürze in Kraft treten. Nachfolgend werden einige wichtige Änderungen im Vergleich zum ursprünglichen Regierungsentwurf vorgestellt.
Elektromobilität: Zusätzlich zu den bereits im Regierungsentwurf enthaltenen Maßnahmen zur Dienstwagenbesteuerung wurde u. a. Folgendes ergänzt: Bei Anschaffung nach dem 31.12.2018 und vor dem 01.01.2031 ist die Bemessungsgrundlage nur zu einem Viertel anzusetzen, wenn das Kraftfahrzeug keine Kohlendioxidemission hat und der Bruttolistenpreis des Kraftfahrzeugs nicht mehr als 40.000 EUR beträgt.
Arbeitgeber können Sachbezüge an ihre Arbeitnehmer bis zu 44 EUR pro Monat steuerfrei gewähren. Die nicht zu den Einnahmen in Geld gehörenden Gutscheine und Geldkarten bleiben ab 2020 aber nur noch dann außer Ansatz, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Zudem dürfen die Karten keine Barzahlungs- oder Wandlungsfunktion in Geld haben.
Wertlose Aktien: Die Regelung, wonach die Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung sowie die Ausbuchung oder Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter keine Veräußerung mehr sein soll, wurde gestrichen. Damit können etwaige Verluste weiterhin mit Einnahmen aus Kapitalvermögen verrechnet werden.
Bei der Wohnungsbauprämie wurde die Förderhöchstgrenze auf 700 EUR bzw. auf 1.400 EUR erhöht. Gleichzeitig wurde der Prämiensatz auf 10 % angehoben. Dies ergibt bei voller Ausschöpfung eine Prämie von 70 EUR für Singles und 140 EUR für Zusammenveranlagte pro Jahr. In den Genuss der Wohnungsbauprämie kommen diejenigen, die die höheren Einkommensgrenzen von 35.000 EUR bzw. 70.000 EUR nicht überschreiten. Die neuen Werte gelten ab dem Sparjahr 2021.
Quelle: Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, BT-Drs. 19/14873 vom 6.11.2019; CDU/CSU-Bundestagsfraktion, PM vom 6.11.2019
12.11.2019
Die derzeitige Regierungskoalition hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, untere und mittlere Einkommen beim Solidaritätszuschlag ab dem Jahr 2021 zu entlasten. Dies würde zu jährlichen Steuermindereinnahmen von rund 10 Mrd. Euro führen. Im Übrigen soll der Solidaritätszuschlag über den Finanzplanungszeitraum (2023) hinaus fortgeführt werden. Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) nimmt dies zum Anlass, die Bundesregierung über die rechtlichen und finanzwirtschaftlichen Risiken zu informieren, die mit einer Verwirklichung dieses Vorhabens verbunden sind.
Der Solidaritätszuschlag ist eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer nach Artikel 106 Abs. 1 Nr. 6 Grundgesetz. Er wurde im Jahr 1995 eingeführt, um den damals in einer schwierigen Haushaltslage befindlichen Bund bei der Finanzierung des „Aufbaus Ost“ zu unterstützen. Seither wird er ununterbrochen – mithin seit rund 25 Jahren – erhoben. Ergänzungsabgaben sind dazu bestimmt, einen temporären besonderen Finanzbedarf zu decken. Das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag steht allein dem Bund zu. Im Zeitraum 1995 bis 2018 betrugen die kassenmäßigen Einnahmen hieraus insgesamt 311,7 Mrd. Euro.
In einem öffentlichen Fachgespräch im Juni 2018 wurden im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages zwei Fraktionsinitiativen diskutiert, die das Ziel verfolgten, den Solidaritätszuschlags abzuschaffen. Die Sachverständigen vertraten dort mehrheitlich die Auffassung, dass es dem Solidaritätszuschlag mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II zum 31. Dezember 2019 an Legitimation mangele. Er sei deshalb abzuschaffen.
Auch in der einschlägigen Literatur herrscht die Meinung vor, dass eine Ergänzungsabgabe kein Dauerfinanzierungselement sei. Sie sei deshalb aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Einführung entfielen. Dies sei z. B. der Fall, wenn der Bund über ausreichende Finanzmittel verfüge.
In der Gesamtschau ergibt sich für den BWV der Schluss, dass der von der Bundesregierung geplante teilweise Fortbestand des Solidaritätszuschlags hohen verfassungsrechtlichen Risiken unterliegt. Eine verfassungsgerichtliche Überprüfung des Solidaritätszuschlags ist naheliegend. Die Gefahr, dass der Bund wie im Fall der Kernbrennstoffbesteuerung zu einer milliardenschweren Steuerrückzahlung verurteilt wird, ist nicht von der Hand zu weisen.
Ein wesentlicher Grundsatz der Haushalts- und Finanzplanung ist das Vorsichtsprinzip. Danach müssen alle absehbaren Haushaltsbelastungen veranschlagt oder hierfür zumindest Planungsreserven vorgesehen werden. Der aktuelle Finanzplan bis 2022 sowie der Eckwertebeschluss der Bundesregierung für den neuen Finanzplan treffen keine ausreichende Vorsorge für die beschriebene Risikolage ab dem Haushaltsjahr 2020. Die verfassungsrechtlichen Probleme, die bei Umsetzung des im Koalitionsvertrag umrissenen Teilabbaukonzepts drohen könnten, werden bislang ausgeblendet.
Eine Umwidmung des Solidaritätszuschlags für andere Haushaltszwecke als die Finanzierung der Wiedervereinigung erscheint verfassungsrechtlich nicht vertretbar. Der Bund darf sich kein zeitlich unbegrenztes Zuschlagsrecht im Bereich der Steuern vom Einkommen schaffen. Dies ist im Grundgesetz nicht vorgesehen.
Mangels ausreichender Vorsorge erscheint der vollständige Verzicht auf den Solidaritätszuschlag ab dem Jahr 2020 allerdings schwierig umsetzbar. Im Hinblick auf finanzwirtschaftliche Zwänge, insbesondere der Notwendigkeit schuldenregelkonformer Haushalte, könnte aber ein gestreckter Abbau bis zum Ende des neuen Finanzplanungszeitraums (2023) realisiert werden. Die gegenüber den bislang enthaltenen Planungsreserven zusätzlich wegfallenden Einnahmen ließen sich durch Kompensationsmaßnahmen bei Ausgaben und Einnahmen ausgleichen. Der Bund könnte insbesondere
* die vielfältigen Leistungen an die Länder und Kommunen kritisch überprüfen sowie
* die umfänglichen Steuersubventionen und sonstigen subventionsähnlichen steuerlichen Regelungen zurückführen.
* Ggf. könnte zur Abdeckung von Mindereinnahmen auch der Einkommensteuertarif neu gestaltet werden
Dem ab dem Jahr 2020 geltenden neuen Finanzausgleich liegt eine finanzverfassungsrechtliche Normallage zugrunde. Ein besonderer Finanzbedarf des Bundes zur Abdeckung neuer spezifischer Ausgabenbedarfe ist nicht gegeben. Der Solidaritätszuschlag stellt 25 Jahre nach seiner Einführung einen Fremdkörper innerhalb des Steuersystems dar. Der BWV spricht sich dafür aus, ihn aus verfassungsrechtlichen Gründen zeitnah, das heißt spätestens bis zum Ende des neuen Finanzplanungszeitraums im Jahr 2023, vollständig abzuschaffen.
Besteht größeres Interesse zu diesem Thema ? Hier die Langfassung: https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/gutachten-berichte-bwv/berichte/langfassungen/2019-bwv-gutachten-abbau-des-solidaritaetszuschlages-pdf
12.11.2019
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat mit heute veröffentlichtem Beschluss zwei Verfassungsbeschwerden stattgegeben, die sich gegen die Erhebung von Zweitwohnungsteuern in den bayerischen Gemeinden Oberstdorf und Sonthofen wenden.
In beiden Gemeinden werden zur Berechnung der Zweitwohnungsteuer die Werte der Einheitsbewertung von Grundstücken basierend auf den Wertverhältnissen von 1964 herangezogen und diese entsprechend dem Verbraucherpreisindex hochgerechnet. Der Erste Senat hat bereits in seinem Grundsteuerurteil vom 10. April 2018 (BVerfGE 148, 147) die Vorschriften der Einheitsbewertung von Grundstücken auf Grundlage der Wertverhältnisse von 1964 wegen der inzwischen aufgetretenen Wertverzerrungen für verfassungswidrig erachtet. Eine Hochrechnung mit dem Verbraucherpreisindex ist nicht geeignet, diese Wertverzerrungen auszugleichen. Darüber hinaus verstößt die Art der Staffelung des Steuertarifs in einer der Gemeinden gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
Sachverhalt:
Die Gemeinde Markt Oberstdorf und die Stadt Sonthofen erheben jeweils aufgrund kommunaler Satzungen eine Zweitwohnungsteuer, die auf dem fiktiven jährlichen Mietaufwand basiert. Dieser wird bestimmt, indem die nach den Vorschriften der Einheitsbewertung von Grundstücken zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 ermittelte fiktive Jahresrohmiete entsprechend der Steigerung der Wohnungsmieten nach dem Verbraucherpreisindex hochgerechnet wird. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer von Zweitwohnungen in den genannten Gemeinden. Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügen sie im Wesentlichen eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, da die Berechnung der Zweitwohnungsteuer auf Grundlage der Einheitsbewertung von Grundstücken verfassungswidrig sei. Zudem weise die Staffelung des Steuertarifs in der Gemeinde Markt Oberstdorf eine zu geringe Differenzierung auf. Darüber hinaus bestehe für die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer seit der Änderung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes keine verfassungskonforme Ermächtigungsgrundlage mehr, da die dort geregelte Befreiung für Geringverdiener dazu führe, dass die Zweitwohnungsteuer ihren Charakter als örtliche Aufwandsteuer verliere und damit nicht mehr der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfalle.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
1. Die Berechnung der Zweitwohnungsteuer auf Grundlage einer nach den Vorschriften der Einheitsbewertung von Grundstücken zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 ermittelten fiktiven Jahresrohmiete, die entsprechend der Steigerung der Wohnungsmieten nach dem Verbraucherpreisindex hochgerechnet wird, sowie die konkrete Ausgestaltung des gestaffelten Steuertarifs in der Gemeinde Markt Oberstdorf verstoßen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG.
2. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, verwehrt dem Gesetzgeber aber nicht jede Differenzierung. Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Der Gesetzgeber hat für die Wahl der Bemessungsgrundlage und die Ausgestaltung der Regeln ihrer Ermittlung einen großen Spielraum, solange diese nur prinzipiell dazu geeignet sind, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen.
3. Dies ist bei der Festsetzung der Zweitwohnungsteuer in der Gemeinde Markt Oberstdorf und der Stadt Sonthofen nicht der Fall. Der Erste Senat hat in seinem Grundsteuerurteil vom 10. April 2018 (BVerfGE 148, 147) die Vorschriften der Einheitsbewertung von Grundstücken auf Grundlage der Wertverhältnisse von 1964 für gleichheitswidrig erachtet. Veränderte Ausstattungsstandards von Gebäuden, mögliche Veränderungen in der Lage oder strukturellen Anbindung von Grundstücken und mietrechtliche Bindungen werden bei einem derart lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkt nicht berücksichtigt, so dass es inzwischen zu Verzerrungen bei den Grundstücksbewertungen gekommen ist, die nicht mehr vor dem Gleichheitsrecht gerechtfertigt sind. Diese Wertverzerrungen können nicht durch eine Hochrechnung der auf dieser Grundlage bestimmten fiktiven Jahresrohmiete mit dem Verbraucherpreisindex ausgeglichen werden, da die Steigerungsrate für alle Wohnungen im Gemeindegebiet die gleiche ist, so dass eine Hochrechnung mit diesem Faktor die Wertverzerrungen gerade nicht ausgleichen kann.
4. Die Art der Staffelung des Steuertarifs in der Zweitwohnungsteuersatzung der Gemeinde Markt Oberstdorf verstößt zudem gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung in seiner Ausprägung als Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Jeder Bürger muss nach Maßgabe seiner finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mit Steuern belastet werden, wobei Steuerpflichtige mit gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern sind. Der jeweilige Mietaufwand als Bemessungsgröße der Zweitwohnungsteuer spiegelt die in der Einkommensverwendung typischerweise zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit der Wohnungsinhaber wider. Der weit überwiegend degressiv ausgestaltete Steuertarif der Gemeinde Markt Oberstdorf belastet solchermaßen weniger leistungsfähige Steuerschuldner prozentual höher als leistungsfähigere. Eine Ungleichbehandlung folgt zum einen aus den durch die typisierenden Stufen bewirkten Differenzen in der Steuerbelastung. Bei einem Vergleich der mittleren Steuersätze in den Steuerstufen ist eine Ungleichbehandlung weniger leistungsfähiger gegenüber leistungsfähigeren Steuerschuldnern feststellbar, weil erstere bezogen auf den jährlichen Mietaufwand überwiegend einen höheren Steuersatz zu zahlen haben. Diese Ungleichbehandlung wird zudem verstärkt durch den degressiven Steuertarif einerseits und die andererseits durch die Stufenbildung hervorgerufenen Effekte. Die hervorgerufenen Ungleichbehandlungen sind nicht gerechtfertigt, insbesondere nicht durch Zwecke der Verwaltungsvereinfachung.
5. Soweit sich die Beschwerdeführer auch gegen die Ermächtigungsgrundlage im Bayerischen Kommunalabgabengesetz zum Erlass einer Zweitwohnungsteuersatzung wenden, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet und wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Länder sind grundsätzlich befugt, Zweitwohnungsteuern als Form der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuer zu erheben und die Gesetzgebungskompetenz dazu in dem ihnen selbst eingeräumten Umfang auf die Gemeinden zu übertragen. Die im bayerischen Kommunalabgabengesetz normierte Befreiung von Geringverdienern von der Zweitwohnungsteuer ändert an dem Charakter der Zweitwohnungsteuer als Aufwandssteuer nichts, da nur eine geringe Anzahl von potentiell Steuerpflichtigen ausgenommen wird und die Befreiung daher nicht typprägend ist. Die damit verbundene Ungleichbehandlung von einkommensschwächeren gegenüber einkommensstärkeren Zweitwohnungsinhabern ist zudem gerechtfertigt und ist insbesondere verhältnismäßig, da sie von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt ist und der Abmilderung sozialer Härten dient.
Pressemitteilung: BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2019 - 1 BvR 807/12, 1 BvR 2917/13
12.11.2019
Nachdem im Jahr 2017 das Taxigewerbe besonders geprüft wurde, war dies in 2018 der Gastronomiebereich, mit einem Mehrergebnis von rund 15,9 Mio. Euro bislang.
Bis zum 30. November 2018 wurden 1.021 Betriebsprüfungen nach § 193 Abgabenordnung (AO) abgeschlossen. Davon wurden bereits 689 Betriebsprüfungen ausgewertet. In 27 Fällen wurden bereits Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet.
In 27 Fällen stand am Ende ein Mehrergebnis von rund 3,4 Mio. Euro. Daher wird der Gastronomiebereich weiterhin vermehrt mit weiteren Betriebsprüfungen rechnen müssen, so der der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz.
In Berlin gibt es rund 15.000 Gastronomiebetriebe. Hierzu zählen neben Gaststätten und Restaurants auch Imbissstuben, Cafés, Eissalons, Caterer oder Schankwirtschaften. Ziel der Prüfung war es, die Prüfquote in diesem Jahr zu verdoppeln und mindestens 1.000 Gastronomiebetriebe zu überprüfen. In den vergangenen Jahren wurden jeweils rund 3,5 Prozent der Gastronomiebetriebe von den Berliner Finanzämtern steuerlich überprüft.
Dabei steht seit dem 1. Januar 2018 der Finanzverwaltung das rechtliche Instrument der Kassen-Nachschau (§ 146b AO) zur Verfügung. Mit dem Instrument können Amtsträger der Finanzbehörde ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Betriebsprüfung während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten Geschäftsgrundstücke oder Geschäftsräume von Steuerpflichtigen betreten, um Sachverhalte festzustellen, die für die Besteuerung erheblich sein können (Kassen-Nachschau).
05.11.2019
Haben die Erblasserin und der Alleinerbe zwei Wohnungen gemeinsam genutzt und nutzt der Erbe beide Wohnungen nach dem Tod der Erblasserin unverändert weiter, kann die Erbschaftsteuerbefreiung nur für eine Wohnung gewährt werden. Dies hat das Finanzgericht Köln klargestellt.
Die vom Erblasser vorher selbst genutzte Wohnimmobilie kann steuerfrei vererbt werden, wenn das Familienheim vom Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner weitere 10 Jahre lang bewohnt wird. Erben Kinder oder Enkel (verstorbener Kinder), ist darüber hinaus zu beachten, dass die Steuerbefreiung auf eine Wohnfläche von 200 qm begrenzt ist. Wird die Grenze überschritten, unterliegt der übersteigende Teil der Erbschaftsteuer.
Sachverhalt
Ein Sohn (S) hatte von seiner Mutter (M) in 2015 u. a. einen hälftigen Miteigentumsanteil an einem Mehrfamilienhaus (490 qm Wohnfläche) geerbt, in dem M bis zu ihrem Tode zwei Wohnungen für sich und den S innehatte. Beide Wohnungen (Erdgeschoss: 115 qm; Obergeschoss: 125 qm) waren nur über das gemeinschaftliche Treppenhaus, welches auch von den übrigen Mietern genutzt wird, erreichbar.
Beide Wohnungen wurden von M und S gemeinsam genutzt. Nach dem Tod der M hielt S an der räumlichen Aufteilung und Nutzungsweise beider Wohnungen unverändert fest.
Das Finanzamt gewährte die Erbschaftsteuerbefreiung nur für die Wohnung im Obergeschoss, da das Gesetz die Befreiung nur für „eine“ Wohnung vorsehe. S hingegen begehrte die Steuerbefreiung für beide Wohnungen, jedoch begrenzt auf 200 qm. Nach seiner Ansicht stelle das Wort „eine” nur einen unbestimmten Artikel dar; maßgeblich sei allein die Beschränkung der Fläche.
Das Finanzgericht Köln schloss sich der Meinung des Finanzamts an. Der Wortlaut der Vorschrift spricht klar und ausdrücklich nur von der Steuerfreistellung für „eine Wohnung”, die der Erblasser zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Entgegen der Ansicht des S ändert daran auch die anschließende Begrenzung auf 200 qm nichts, da der Wortlaut insoweit ebenfalls eindeutig ist („soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt“).
Statuiert wird demzufolge eine gestufte Prüfung, bei der auf der ersten Ebene nur eine singuläre Wohnung steuerbefreit ist. Auf der zweiten Ebene ist dann zu prüfen, ob diese Wohnung 200 qm nicht übersteigt.
Urteil: FG Köln, Urteil vom 30.01.2019, Az. 7 K 1000/17
05.11.2019
Arbeitnehmer können die notwendigen Mehraufwendungen, die ihnen aufgrund einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, als Werbungskosten ansetzen.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Orts seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und am Ort dieser Tätigkeitsstätte wohnt. Das Vorliegen eines eigenen Hausstands setzt das Innehaben einer Wohnung sowie die finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus. Angesetzt werden können u. a. die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft am Beschäftigungsort, höchstens 1.000 € im Monat bei einer inländischen Wohnung.
Zu den Aufwendungen zählen insbesondere Miete und Nebenkosten, Absetzung für Abnutzung für Einrichtungsgegenstände, laufende Reinigung und Pflege, Zweitwohnungsteuer, Miete für Kfz-Stellplätze und Aufwendungen für die Gartennutzung.
Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass die Miete für eine ursprünglich für eine doppelte Haushaltsführung genutzte Wohnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz als vorweggenommene Werbungskosten abgezogen werden kann.
05.11.2019
Ein selbstständiger Rechtsanwalt war auch Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Für seine Geschäftsführungstätigkeit bezog er ein Gehalt und eine Tantieme. Da er als Rechtsanwalt auch Beratungsleistungen für die GmbH erbrachte, erhielt er zudem entsprechende Honorare.
Der Anwalt erklärte die Honorare als Einkünfte aus selbständiger Arbeit, während er die Geschäftsführerbezüge und die Tantieme seinen nichtselbständigen Einkünften zuordnete. Im Rahmen einer Außenprüfung wurde ein Teil des Geschäftsführergehalts, der Beraterhonorare und der Tantiemen als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) qualifiziert. Dies hatte zur Folge, dass das Finanzamt die Einkünfte des Rechtsanwalts aus Kapitalvermögen um die festgestellte vGA erhöhte. Der Anwalt beantragte daraufhin die Anwendung der Regelbesteuerung anstelle der Abgeltungsbesteuerung. Das Finanzamt lehnte dies ab.
Zu Recht, wie der Bundesfinanzhof entschied. Steuerpflichtige mit Kapitalerträgen aus einer unternehmerischen Beteiligung müssen den Antrag auf Regelbesteuerung spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung stellen, um so die anteilige Steuerfreistellung im Rahmen des sog. Teileinkünfteverfahrens zu erlangen. Dies gilt auch, wenn erst später durch Außenprüfung festgestellt wird, dass vGA zu Kapitalerträgen geführt haben und der Steuerpflichtige zuvor unzutreffend annahm, keine Kapitalerträge aus Beteiligung erzielt zu haben.
24.10.2019
Das Bundeskabinett hat am 16.10.2019 den Regierungsentwurf für die steuerlichen Aspekte des Klimaschutzpakets der Bundesregierung beschlossen.
Dabei wurde gegenüber dem Referentenentwurf des BMF bei der energetischen Gebäudesanierung die Maximalhöhe der abziehbaren Aufwendungen verdoppelt. Hier die wichtigsten Regelungen im Überblick:
Erhöhung der Entfernungspauschale
In einem neuen § 9 Abs. 1 Satz 4 EStG soll die Entfernungspauschale für Berufspendler ab 2021 auf 35 Cent ab dem 21. Kilometer erhöht werden. Damit soll die sich durch die CO2-Bepreisung ergebende Erhöhung der Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte teilweise ausgeglichen werden. Ein neuer § 9 Abs. 1 Satz 5 EStG stellt klar, dass dies auch für Familienheimfahrten im Rahmen einer beruflich veranlassten doppelten Haushalt gilt. Die Regelungen gelten entsprechend bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 4 EStG).
Gilt für Veranlagungszeitraum (VZ) 2021 bis 2026
Mobilitätsprämie für geringe Einkommen
In den neuen §§ 101 bis 109 EStG soll für Pendlerinnen und Pendler, die mit ihrem zu versteuernden Einkommen innerhalb des Grundfreibetrags liegen, die Möglichkeit geschaffen werden, alternativ zu den erhöhten Entfernungspauschalen von 35 Cent ab dem 21. Entfernungskilometer eine Mobilitätsprämie in Höhe von 14 Prozent dieser erhöhten Pauschale zu beantragen. So soll auch in den Fällen eine Entlastung erreicht werden, in denen ein höherer Werbungskostenabzug infolge der erhöhten Entfernungspauschalen zu keiner entsprechenden steuerlichen Entlastung führt. Bei Arbeitnehmern gilt dies nur, soweit durch die erhöhten Entfernungspauschalen zusammen mit den übrigen Werbungskosten, die im Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit stehen, der Werbungskostenpauschbetrag überschritten wird. Die Mobilitätsprämie beträgt 14 Prozent dieser Bemessungsgrundlage, was dem Eingangssteuersatz im Einkommensteuertarif entspricht.
Gilt für VZ 2021 bis 2026
Energetische Gebäudesanierung
Energetische Sanierungsmaßnahmen an selbstgenutztem Wohneigentum sollen ab 2020 für einen befristeten Zeitraum von 10 Jahren durch einen prozentualen Abzug der Aufwendungen von der Steuerschuld gefördert werden. Hierzu wird ein neuer § 35c EStG eingefügt. Förderfähig sind danach Einzelmaßnahmen, die auch von der KfW als förderfähig eingestuft sind, wie
* die Wärmedämmung von Wänden, Dachflächen oder Geschossdecken
* die Erneuerung der Fenster oder Außentüren,
* die Erneuerung bzw. der Einbau einer Lüftungsanlage,
* die Erneuerung einer Heizungsanlage,
* der Einbau von digitalen Systemen zur energetischen Betriebs- und Verbrauchsoptimierung und
* die Optimierung bestehender Heizungsanlagen.Gilt ab 1.1.2020Nicht nur wie bisher im Nahverkehr, sondern für sämtliche Zugreisen soll nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG zukünftig der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % gelten. Die Deutsche Bahn kündigte bereits an, dass die Preise sinken sollen. Die sonst zum Jahresende oft übliche Preiserhöhung soll es nicht geben. Im Gegenzug zu dieser Steuersenkung soll die Luftverkehrsteuer für Starts von deutschen Flughäfen zum 1.1.2020 steigen.Grundsteuer bei WindenergieanlagenGilt ab 1.1.2020
* Bisher können die Gemeinden bei der Grundsteuer zwei verschiedene Hebesätze festlegen, die einheitlich für die in der Gemeinde befindlichen Betriebe der Land- und Forstwirtschaft einerseits und für die Grundstücke andererseits sein müssen. In § 25 Abs. 4 bis 6 soll den Gemeinden ermöglicht werden, einen besonderen Hebesatz auf Sondergebiete für Windenergieanlagen festzulegen. Dieser muss höher sein als der jeweilige Hebesatz für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen beziehungsweise das Grundvermögen.
* Gilt ab 1.1.2020
* Fernreisen mit der Bahn
* Je Objekt beträgt die Steuerermäßigung 20 Prozent der Aufwendungen, maximal insgesamt 40.000 EUR. Im Referentenentwurf des BMF lag die Maximalhöhe noch bei 20.000 EUR. Der Abzug von der Steuerschuld erfolgt im Jahr des Abschlusses der Maßnahme und im folgenden Kalenderjahr in Höhe von höchstens 7 Prozent der Aufwendungen - höchstens jeweils 14.000 EUR - und im zweiten folgenden Kalenderjahr in Höhe von 6 Prozent der Aufwendungen - höchstens 12 000 EUR. Die konkreten Mindestanforderungen werden in einer gesonderten Rechtsverordnung festgelegt, um zu gewährleisten, dass die steuerlichen Anforderungen der noch zu konzipierenden Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) entsprechen.
* Zudem soll die Steuerbefreiung nach § 3d Kraftfahrzeugsteuergesetz bis zum 31.12.2025 verlängert werden. Es ist geplant, die auf 10 Jahre befristete Dauer der Steuerbefreiung bis längstens 31.12.2030 zu begrenzen.
In einem weiteren Schritt soll die von Bund und Herstellern getragene Kaufprämie ab 2021 für Pkw mit Elektro-, Hybrid- und Wasserstoff-/Brennstoffzellenantrieb verlängert und für Autos unter 40.000 EUR angehoben werden
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_
Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_IV/19_Legislaturperiode/Gesetze_Verordnungen/
G-Umsetzung-Klimaschutzprogramm-Steuerrecht/2-Regierungsentwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=2
24.10.2019
Trotz erheblicher Vorteile eines digitalen Rechnungswesens profitieren zurzeit noch viel zu wenige Steuerpflichtige (ca. 15 %- 20 %) von einer digitalen Buchführung. Die größte Hürde ist dabei das notwendige Umdenken und Anpassen bisheriger Prozesse. Hier müssen die gewohnten Verhaltensmuster durchbrochen werden.
Zu den Vorteilen einer digitalen Finanzbuchführung gehören unter anderem:
* Effizienzsteigerungen beim Buchhaltungsprozess durch künstliche Intelligenz/OCR- Erkennung, effizientere Abwicklung der Jahresabschlusserstellung
* zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten
* Die Übermittlung der Belege ist 24h – 7 Tage die Woche möglich. So kann die Verbuchung der Geschäftsvorfälle „just in time“ erfolgen und die laufenden Auswertungen (z. B. BWA, Controlling-Report, OPOS-Liste) sind immer aktuell. Forderungen und Verbindlichkeiten können hierdurch hochaktuell abgebildet und potentielle Mahnungen zeitnah erstellt werden.
Unser Alltag funktioniert in großen Teilen längst digital. Egal ob mit Excel-Tabellen, To-Do-Listen oder Projektmanagement-Software, kaum eine Aufgabe wird heute effektiver mit Papier erledigt, als mit digitalen Helfern und webbasierten Systemen. Eine papierlose Buchhaltung wird bald genauso selbstverständlich sein, wie eine Nachrichtenübermittlung über E-Mail, WhatsApp oder Facebook.
17.10.2019
Fristverlängerung für Registrierkassen
Ein gutes Zeichen für Unternehmen kommt bezüglich der Umstellung von Registrierkassen, denn die geforderte Fristverlängerung wird in Deutschland kommen. Ladenbesitzer haben dann neun Monate mehr Zeit zur Umrüstung ihrer Kassensysteme.
Neue Deadline für die zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung - 30. SEPTEMBER 2020
Unternehmen, die elektronische Kassensysteme oder Registrierkassen nutzen, müssen dafür sorgen, dass ihre Systeme den neuen Anforderungen entsprechend mit einer sogenannten „zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung“ (TSE) ausgerüstet sind. Die TSE ist grundsätzlich ab dem 1. Januar 2020 Pflicht.
Da aber derzeit praktisch noch keine TSE am Markt verfügbar sind und sich dies bis Jahresende kaum ändern wird, ist eine flächendeckende Ausstattung aller Kassen bis 1. Januar 2020 nicht möglich. Deshalb wurde von Seiten der obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern beschlossen, das Fehlen der TSE bis zum 30. September 2020 zu dulden bzw. „nicht zu beanstanden“.
Umstellung mit seinem Anbieter besprechen
Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Alle Unternehmen, die elektronische Systeme im Einsatz haben, sollten unverzüglich mit ihrem Anbieter in Kontakt treten, um die Anforderungen bis spätestens 30. September 2020 zu erfüllen:
• Einsatz eines fälschungssicheren Sicherheitsmoduls, das alles Eintippen protokolliert,
• mit einem sicheren Speichermedium, das alle Einzeldaten 10 Jahre speichert und
• mit einer vom Fiskus definierten einheitlichen digitalen Schnittstelle, damit Prüfer die Daten reibungslos auslesen können.
• Das verwendete Kassensystem (Hersteller, Typ) muss bis 31. Januar 2020 an das Finanzamt gemeldet werden. Der Vordruck für die Meldung steht allerdings noch nicht zur Verfügung.
Ausnahmen beachten
Ausnahmen gibt es wie folgt:
1. Kassensysteme die „bauartbedingt“ nicht aufgerüstet werden können und zwischen 26.11.2010 und 31.12.2019 angeschafft wurden, dürfen bis Ende 2022 weiter verwendet werden. Auskunft zur Aufrüstbarkeit erteilen hier die Kassenanbieter.
2. Es gibt nach wie vor keine Pflicht zum Einsatz einer elektronischen Kasse. Die sogenannte „offene Ladenkasse“ bleibt erlaubt. Eine gewisse Vorsicht ist geboten. Wer eine offene Ladenkasse weiterhin (oder wieder) betreibt, wird vermutlich vermehrt mit unangekündigten „Kassennachschauen“ rechnen müssen, bei der dann alle Bartransaktionen umfassend durchleuchtet werden.
17.10.2019
Für ein Grundstück darf es keine zwei Steuererklärungen geben, fordert der Bund der Steuerzahler (BdSt) mit Blick auf die Details zur Grundsteuerreform, die am morgigen Mittwoch im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags besprochen werden.
Im Einzelnen: Nach den Plänen des Bundesfinanzministeriums soll die Grundsteuer nach dem Wert des Grundstücks berechnet werden. Da dies jedoch sehr aufwendig ist, können die Bundesländer über eine Öffnungsklausel eigene Bewertungsmodelle festlegen – hierfür haben einige Länder bereits Sympathie gezeigt. Doch nun droht die Öffnungsklausel zum Bürokratiemonster zu werden, weil auch in diesen Ländern eine „Schattenrechnung“ nach dem Bundesmodell für den Länderfinanzausgleich erfolgen soll. „Im schlimmsten Fall müssen Hausbesitzer zwei Grundsteuererklärungen abgeben – eine nach dem Bundesmodell und eine nach dem eigenen Landesmodell“, warnt BdSt-Präsident Reiner Holznagel und kritisiert: „Es darf nicht sein, dass den Ländern, die die Öffnungsklausel nutzen wollen, Steine in den Weg gelegt werden. Dies wäre absolut indiskutabel!“ Deshalb muss eine Lösung gefunden werden, fordert der Verband, der dies bereits in seiner Stellungnahme gegenüber dem Finanzausschuss im September deutlich gemacht hat.
Inzwischen kursiert in der Politik der Vorschlag, mit einer sogenannten Protokollerklärung das Problem zu lösen. Der Bund der Steuerzahler betont aber: Damit wird ein wichtiges Thema nur auf die lange Bank geschoben. Bei der anstehenden Abstimmung im Bundestag an diesem Freitag muss klar sein, worüber die Abgeordneten abstimmen und was genau auf die Steuerzahler zukommt!
Die Öffnungsklausel und das einfache Flächenmodell
In der Diskussion um eine Grundsteuerreform hat sich der Bund der Steuerzahler nachdrücklich für eine einfache wie transparente Lösung ausgesprochen und deshalb das Flächenmodell präferiert. Diese Einfachmodelle sind über die im Gesetz vorgesehene Öffnungsklausel möglich. Danach könnten die Kommunen die Grundsteuer auf Grundlage sowohl der Gebäudegröße als auch der Grundstücksfläche ermitteln. Die Behörden können – vielfach bereits anhand der Aktenlage – leicht feststellen, ob es sich um ein Einfamilienhaus oder einen 30- bis 40 Parteien-Mietblock handelt. Damit wäre eine einfache und von jedem Bürger nachvollziehbare Bemessungsgrundlage möglich. Deshalb hatte sich der Verband für eine solche Öffnungsklausel eingesetzt, die jetzt nicht durch eine bürokratische "Schattenrechnung" ausgehebelt werden darf.
15.10.2019
Mit Urteil vom 26. März 2019 (Aktenzeichen 4 K 83/16) entschied das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG), dass bei einer Übertragung eines Mitunternehmeranteils unter Zurückbehaltung funktional wesentlichen Sonderbetriebsvermögens eine Aufdeckung der stillen Reserven – einschließlich derer im Firmenwert – zu erfolgen hat.
Klägerin war eine GmbH & Co. KG. An der GmbH waren V und S beteiligt; diese waren auch die beiden Kommanditisten der Personengesellschaft. V übertrug an S seinen GmbH- und Kommanditanteil, behielt jedoch seine Anteile am Betriebsgrundstück (funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen) zurück und überführte sie damit zeitgleich mit der Übertragung der Gesellschaftsanteile ins Privatvermögen.
Das FG entschied, dass hier ein Realisationstatbestand gemäß § 16 Abs. 1, Abs. 3 EStG vorliege. Dem stehe auch nicht die Rechtsprechung entgegen, wonach eine Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 3 EStG möglich sei, wenn ein Mitunternehmer aufgrund einer einheitlichen Planung zunächst Sonderbetriebsvermögen veräußere, bevor er den ihm verbliebenen Mitunternehmeranteil unentgeltlich übertrage. Auch sei eine Ausdehnung der Rechtsprechung zur parallelen Anwendung von § 6 Abs. 3 und § 6 Abs. 5 EStG nicht geboten. Die neueren Tendenzen in der Rechtsprechung (vgl. etwa Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 19. April 2018,15 K 1187/17 F) sprächen im Streitfall nicht für eine Buchwertübertragung.
Soweit eine Realisation der stillen Reserven erfolge, müssten auch die in einem Firmenwert enthaltenen stillen Reserven realisiert werden. Die Rechtsprechung, wonach ein Firmenwert grundsätzlich nicht privatisierbar sei (BFH – Urteil vom 14. Februar 1978 VIIIR 158/73), greife hier nicht ein. Der auf den übertragenden Gesellschafter entfallene Anteil am Firmenwert werde von diesem in sein Privatvermögen überführt, auf den Empfänger übertragen und von diesem sodann in sein Betriebsvermögen (in die Ergänzungsbilanz) eingelegt.
Damit müsse der Übertragende die stillen Reserven realisieren und könne der Empfänger aufgrund der Einlage den entsprechenden Wert in der Ergänzungsbilanz abschreiben. Der Senat hat die Revision im Hinblick auf beide Rechtsfragen (Buchwertübertragung/Realisation des Firmenwertes) zugelassen. Die Revision wurde nicht eingelegt, das Urteil ist rechtskräftig.
Finanzgericht Schleswig-Holstein, Newsletter III/2019
10.10.2019
In Berlin werden Gastronomen, Taxiunternehmen, Spielhallen und Airbnb-Vermieter verstärkt von den Steuerfahndern kontrolliert, weil sich die Möglichkeiten hierzu optimiert haben.
Durch die bessere Ausstattung bei den Behörden werden jedes Jahr dreistellige Millionensummen zusätzlich eingenommen. Wiederum findet Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) es auch wichtig, dass die Cum-Ex-Banker, die mit betrügerischen Steuertricks allein den deutschen Staat um 60 Milliarden Euro geprellt haben, endlich vor Gericht stehen.
„Sonst heißt es wieder, die Kleinen fängt man und die Großen lässt man laufen.“
Die Berliner Steuerfahnder haben es meistens mit weniger spektakulären Bemühungen zu tun, das Finanzamt hinters Licht zu führen. Deswegen weisen die Steuerfahnder den Betrügern auf, was sie zu unterlassen und zu zahlen haben, um sie nicht zwangsläufig zu bestrafen. Als Beispiel können die strengeren Vorschriften aus den Monat Januar zum Onlinehandel genannt werden. Davon sind insbesondere Unternehmen betroffen, die in Berlin über das Internet verkaufen und ihren Sitz vorzugsweise in China und Hongkong, Taiwan und Macau haben.
Vor zwei Jahren waren in Berlin lediglich 432 solcher Onlinehändler steuerlich registriert. Mittlerweile seien es 25.106. Allein die Ankündigung der neuen Haftungsregeln für die großen Marktplatzbetreiber, unter deren Dach die kleinen Verkäufer agieren, hat Wirkung gezeigt. Denn sie brachte eine Steuereinnahme von rund 100 Millionen Euro zusätzlich.
Schon länger erprobt ist die steuerliche Überprüfung von Kneipen und Restaurants, Imbissbuden und Cafés, Eisverkäufern und Caterern. Immerhin gibt es in Berlin rund 15.000 Gastronomiebetriebe. Davon wurden bisher jährlich 3,5 Prozent kontrolliert. Diese Prüfquote will Kollatz mindestens verdoppeln.
Die 749 Einkommensmillionäre , die Anfang 2019 bei den Berliner Finanzämtern aktenkundig waren, sind im Vergleich dazu kein großes Problem. Von ihnen wurden im ersten Halbjahr 32 durch den Außendienst geprüft, das waren pro Fall 11 500 Euro zusätzliche Steuereinnahmen. In den vergangenen zehn Jahren brachte jede Einzelprüfung durchschnittlich 100.000 Euro ein. Die bestehenden, EDV-gestützten Kontrollen durch Innendienst und Betriebsprüfer sind grundsätzlich effektiv genug, auch wenn gelegentlich mal ein dicker Fisch ins Netz geht.
Doch in der Regel geht es darum, dass sich die Finanzbeamten mit findigen Steuerberatern anlegen. Dann muss nachgezahlt werden. Das sollte aber nicht der Regelfall des Fahnders sein. Schwierig werde es erst dann, wenn aggressive Steuersparmodelle oder offen betrügerische Absichten ins Spiel kämen. Mit den Berliner Millionären kann der Senator, dem jeder finanzstarke Steuerzahler lieb ist, weil das zusätzliches Geld in die Landeskasse spült, also gut leben. „Es macht mir überhaupt keinen Kummer, wenn mehr Dax-Vorstände in unsere Stadt ziehen,“ so Kollatz.
Beitrag aus dem Online Portal Tagesspiegel:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/jagd-auf-steuerbetrueger-in-berlin-chinesische-onlinehaendler-im-visier/24988662.html
10.10.2019
Durch die steuerliche Reisekostenreform gilt erstmals für den Veranlagungszeitraum 2014 der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte (zuvor regelmäßige Arbeitsstätte). In mehreren Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof nun für verschiedene Berufsgruppen herausgestellt, in welchen Fällen eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt.
Je nachdem, ob es sich beim Tätigkeitsort um eine erste Tätigkeitsstätte oder um eine Auswärtstätigkeit handelt, hat das u. a. folgende steuerliche Konsequenzen:
Steuerliche Auswirkungen
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Erste Tätigkeitsstätte:
* Entfernungspauschale (0,30 EUR je Entfernungskilometer zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte)
* grundsätzlich keine Verpflegungspauschale
Auswärtstätigkeit:
* „Dienstreisepauschale“ (0,30 EUR je gefahrenen Kilometer)
* grundsätzlich Verpflegungspauschale je nach Abwesenheitszeiten
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Nach § 9 Abs. 4 S. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ist erste Tätigkeitsstätte die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 Aktiengesetz) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.
Die Zuordnung erfolgt vorrangig anhand der dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen durch den Arbeitgeber.
Typische Fälle einer dauerhaften Zuordnung sind in § 9 Abs. 4 S. 3 EStG aufgeführt:
* unbefristetes Tätigwerden,
* Tätigwerden für die Dauer des Dienstverhältnisses,
* Tätigkeit über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten.
Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft
* typischerweise arbeitstäglich oder
* je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.
Zuordnung durch den Arbeitgeber
In seiner aktuellen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof herausgestellt, dass zu den arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen und Verfügungen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen zählen.
Da die Zuordnung nicht ausdrücklich erfolgen muss, ist sie auch konkludent möglich. Neben der arbeitsrechtlichen Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung bedarf es keiner gesonderten Zuweisung zu einer ersten Tätigkeitsstätte für einkommensteuerrechtliche Zwecke.
Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aus der ex ante Sicht (also im Voraus) nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden sollte.
Im Gegensatz zur Meinung der Finanzverwaltung muss die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden.
Umfang der Tätigkeit
Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr an.
Ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören.
Die vorgenannten Ausführungen gelten beispielsweise für einen Polizeibeamten im Streifendienst: Die unbefristete Zuordnung zu seiner Dienststelle und die dortige Vornahme von Hilfs- und Nebentätigkeiten (z. B. Schreibarbeiten und Dienstantrittsbesprechungen) begründen eine erste Tätigkeitsstätte. Dass er schwerpunktmäßig außerhalb der Polizeidienststelle im Außendienst tätig ist, darauf kommt es nicht an.
Auch eine Pilotin war in der Revision unterlegen. Da sie in den auf dem Flughafengelände gelegenen Räumen der Airline in gewissem Umfang auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Flugvor- und Flugnachbereitung zu erbringen hatte, verfügte sie dort über eine erste Tätigkeitsstätte. Unerheblich war somit, dass sie überwiegend im internationalen Flugverkehr tätig war.
Befristete und unbefristete Arbeitsverhältnisse
Eine Zuordnung ist unbefristet, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte aus der ex ante Sicht nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt.
Mit zwei weiteren Urteilen (zu Leiharbeitern und Hafenarbeitern) hat sich der Bundesfinanzhof auch zu befristeten Arbeitsverhältnissen geäußert: Eine erste Tätigkeitsstätte liegt vor, wenn der Arbeitnehmer für die Dauer des befristeten Dienst- oder Arbeitsverhältnisses an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung tätig werden soll.
Erfolgt während der Befristung eine Zuordnung zu einer anderen Tätigkeitsstätte, stellt letztere keine erste Tätigkeitsstätte mehr dar, weshalb ab diesem Zeitpunkt wieder die Dienstreisegrundsätze (Reisekosten mit 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer) Anwendung finden. Dies hat der Bundesfinanzhof für den Fall eines Leiharbeitnehmers entschieden.
Zu den Fahrtkosten eines Gesamthafenarbeiters hat der Bundesfinanzhof nicht abschließend entschieden. Vielmehr muss das Finanzgericht nun im zweiten Rechtsgang prüfen, ob überhaupt ortsfeste Einrichtungen vorliegen.
Quellen: BFH, PM Nr. 43 vom 18.7.2019; zu Polizeibeamten: BFH-Urteil vom 4.4.2019, Az. VI R 27/17; zu Leiharbeitern: BFH-Urteil vom 10.4.2019, Az. VI R 6/17; zu Piloten: BFH-Urteil vom 11.4.2019, Az. VI R 40/16; zu Luftsicherheitskontrollkräften: BFH-Urteil vom 11.4.2019, Az. VI R 12/17; zu Hafenarbeitern: BFH-Urteil vom 11.4.2019, Az. VI R 36/16
10.10.2019
Der Antrag, Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht mit dem Abgeltungssteuersatz, sondern unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen, muss spätestens mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung gestellt werden. Diese Frist gilt nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs auch, wenn sich Kapitalerträge erst durch die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) bei einer Betriebsprüfung ergeben.
Grundsätzlich ist die Einkommensteuer auf Kapitalerträge mit der Abgeltungssteuer abgegolten. Allerdings dürfen in diesem Fall auch keine Werbungskosten im Zusammenhang mit den Erträgen abgezogen werden. Es gilt vielmehr ein Sparer-Pauschbetrag von 801 EUR (bzw. 1.602 EUR bei Zusammenveranlagung).
Als Alternative bietet sich das Teileinkünfteverfahren an. Dieses ist auf Antrag möglich, wenn der Steuerpflichtige unmittelbar oder mittelbar
* zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist oder
*zu mindestens 1 % beteiligt ist und durch seine berufliche Tätigkeit für die Kapitalgesellschaft maßgeblichen unternehmerischen Einfluss auf deren wirtschaftliche Tätigkeit nehmen kann.
Beim Teileinkünfteverfahren unterliegen die Beteiligungserträge dann zu 60 % der tariflichen Einkommensteuer. Etwaige Werbungskosten werden ebenfalls zu 60 % berücksichtigt.
Wird der Antrag auf Teileinkünfteverfahren erst nach Abgabe der Einkommensteuererklärung gestellt, ist das selbst dann nicht fristgerecht, wenn zuvor ein Antrag auf Günstigerprüfung gestellt wurde. Denn hierbei handelt es sich nicht um einen konkludenten Optionsantrag.
Die Frist gilt auch, wenn eine vGA aus einer Beteiligung erst durch eine Betriebsprüfung festgestellt wird und der Steuerpflichtige in der unzutreffenden Annahme, keine Kapitalerträge erzielt zu haben, keinen Antrag gestellt hat.
Zu beachten ist außerdem, dass ein Antrag auch vorsorglich gestellt werden kann. Dies kann vor allem sinnvoll sein, wenn das Risiko besteht, dass das Finanzamt nachträglich eine vGA feststellen könnte. Hier ist indes zu bedenken, dass der Antrag (solange er nicht widerrufen wird) auch für die folgenden vier Veranlagungszeiträume gilt.
Die Widerrufserklärung muss dem Finanzamt spätestens mit der Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum zugehen, für den die Option erstmals nicht mehr angewandt werden soll. Nach einem Widerruf ist ein erneuter Antrag des Steuerpflichtigen für diese Beteiligung an der Kapitalgesellschaft nicht mehr zulässig.
24.09.2019
Die Angriffe auf die philippinische Anwaltschaft haben seit dem Amtsantritt von Präsident Duterte im Jahr 2016 massiv zugenommen. Mindestens 41 Anwälte und Staatsanwälte wurden seit Juli 2016 getötet, darunter 24 praktizierende Anwälte. Zusammen mit mehr als 150 internationalen und nationalen Anwaltsorganisationen fordert der Deutsche Anwaltverein die philippinische Regierung auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Angriffe auf Ermordungen von Anwälten zu stoppen und die Täter strafrechtlich zu verfolgen. Die gemeinsame Erklärung wurde am Dienstag – eine Woche vor der Eröffnung der UN-Generalversammlung – vor dem UN-Menschenrechtsrat abgegeben und kann hier nachgelesen werden.
19.09.2019
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat Zweifel, ob die nach nationalem Recht bestehende Umsatzsteuerpflicht für Gutachten, die eine Krankenschwester zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit im Auftrag des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDK) erbringt, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Er hat daher mit Beschluss vom 10. April 2019 - XI R 11/17 den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um Klärung gebeten.
Im Streitfall erstellte die Klägerin, eine Krankenschwester mit medizinischer Grundausbildung und akademischer Ausbildung im Bereich der Pflegewissenschaft sowie einer Weiterbildung in Pflege-Qualitätsmanagement, für den MDK Gutachten zur Pflegebedürftigkeit von Patienten. Nach Auffassung des Finanzamts ist diese Tätigkeit weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht umsatzsteuerfrei.
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Richtlinie) sind eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden, steuerfrei.
Da die Leistungsgewährung der Pflegekasse zur Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit gehört und die Leistung der Klägerin der Vorbereitung dieser Leistungsgewährung dient, will der BFH mit dem Vorabentscheidungsersuchen zunächst klären lassen, ob die Gutachtertätigkeit ein eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundener Umsatz ist, auch wenn sie nicht gegenüber dem Hilfsbedürftigen, sondern an eine Person erbracht wird, die sie benötigt, um seine eigene Leistung an den Patienten oder Hilfsbedürftigen zu erbringen. Ist dies zu bejahen, wird weiter zu klären sein, welche Anforderungen an die unternehmerbezogene Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter zu stellen sind, die der BFH nach der Richtlinie als für die Steuerfreiheit erforderlich ansieht. Diese könnte aus der Stellung als Subunternehmer, aus einer pauschalen Übernahme der Kosten durch Kranken- und Pflegekassen oder aus Vertragsbeziehungen abzuleiten sein.
Bundesfinanzhof Beschluss (EuGH-Vorlage) : Beschluss (EuGH-Vorlage) des XI. Senats vom 10.4.2019 - XI R 11/17 -
10.09.2019
Besteht der bloße Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung, kann ein Vermögensarrest angeordnet werden (§ 111e Abs.1 S.1 StPO). Liegt sogar ein dringender Tatverdacht vor, soll erst recht ein Vermögensarrest angeordnet werden (§ 111e Abs.1 S.2 StPO).
Einen dringenden Tatverdacht hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht bestätigt, wenn bei der Auswertung des Kassensystems die enthaltenen „inaktiven Daten“ wieder sichtbar gemacht werden konnten, so dass im Ergebnis tatsächlich erzielte, jedoch versteckte Umsatzdaten sichtbar gemacht und in die Berechnung der Steuerverkürzungen einbezogen werden konnten.
Mit den Auswertungen des Mobiltelefons der Beschuldigten sowie der handschriftlichen Einnahmeaufzeichnungen der Beschuldigten erhärtete sich der Tatvorwurf der Steuerhinterziehung. Diese Beweise legten es nahe, dass Umsätze von etwa 45 % nicht erklärt worden waren.
Aus den genannten Gründen ordnete das Amtsgericht einen Vermögensarrest in Höhe von 400.000,00 € in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Beschuldigten an.
Die Staatsanwaltschaft bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht hat in ihrer an den Senat gerichteten Zuschrift vom 2. Januar 2019 u. a. ausgeführt:
„Die Arrestanordnung ist auch unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Zwar wäre es unzulässig, das insoweit erforderliche Sicherungsbedürfnis allein aus dem Verdacht abzuleiten, dass der Täter sich den rechtswidrigen Vermögensvorteil durch eine Straftat verschafft hat (vgl. Beschluss des Senats vom 11. Juli 2018 - 1 Ws 186/18 (126/18). Im konkreten Fall besteht indes die Besorgnis, dass die Beschuldigte ohne Fortbestand der Arrestanordnung im weiteren Fortgang des Verfahrens Vermögenswerte verschleiern oder verstecken wird und die Vollstreckung dadurch erschwert wird.
Zu berücksichtigen ist, dass die Beschuldigte durch die Verwendung des Kassensystems dazu beigetragen hat, dass systematisch und in großem Ausmaß tatsächlich im Restaurant erzielte Umsätze in der Buchführung verschleiert wurden. Dadurch wurden regelmäßige verdeckte Entnahmen erheblicher Bargelder ermöglicht, um diese an Kassenaufzeichnungen und Geschäftskonten vorbei zu leiten und dem Zugriff des Fiskus zu entziehen. Diese Vorgehensweise diente nicht nur der Verschleierung der tatsächlichen Einnahmen, d. h. der Tatbegehung, sondern auch dazu, das Taterlangte beiseite zu schaffen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Beschuldigte mit dem Betrieb eines chinesischen Büffet-Restaurants in einer überwiegend vom Bargeldverkehr beherrschten Branche tätig ist, so dass das Beiseiteschaffen von Bareinnahmen besonders leicht zu bewerkstelligen ist. Darüber hinaus ist in den Blick zu nehmen, dass die Beschuldigte chinesische Staatsangehörige ist und aufgrund ihres sozialen Umfeldes über entsprechende Auslandskontakte verfügt.
Da im zugrundeliegenden Fall der Wert des Taterlangten im Bereich eines hohen sechsstelligen Betrages liegt und der Tatverdacht sich mit Fortschreiten der Ermittlungen weiter erhärtet hat, ist auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gewahrt.“
Urteil: Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht 12.02.2019, 1 Ws 386/18 (1/19)
06.08.2019
Die mehrfache Erstattung einer nur einmal einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer kommt nicht in Betracht. Das hat das Finanzgericht (FG) Köln mit seinem verkündeten Urteil (2 K 2672/17) entschieden.
Das FG verhandelte erstmalig in der Sache in einem sogenannten "cum/ex-Verfahren". Das Verfahren bildet ein Musterverfahren für eine Vielzahl derzeit noch beim Bundeszentralamt für Steuern anhängiger vergleichbarer Streitfälle.
Dem Rechtsstreit lagen Aktiengeschäfte zugrunde, die außerbörslich im Rahmen eines Leerverkaufs getätigt worden waren. Die Aktiengeschäfte wurden vor dem Dividendenstichtag mit einem Anspruch auf die zu erwartende Dividende ("cum-Dividende") abgeschlossen und nach dem Dividendenstichtag vereinbarungsgemäß mit Aktien ohne Dividendenanspruch ("ex-Dividende") angedient.
Zu entscheiden war, ob dem Aktienkäufer (Leerkäufer) ein Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer zustand. Dies hat das FG verneint.
Der Aktienkäufer werde bei einem außerbörslichen Leerverkauf nicht bereits durch Abschluss des Kaufvertrags wirtschaftlicher Eigentümer der ihm später zu liefernden Aktien. Er habe daher keinen Anspruch auf Anrechnung der hinsichtlich der Dividende einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer. Die mehrfache Erstattung einer nur einmal einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer scheide im Übrigen bereits denknotwendig aus.
Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Pressemitteilung: FG Köln vom 19.07.2019 - 2 K 2672/17
06.08.2019
Kinder können eine von ihren Eltern bewohnte Immobilie steuerfrei erben, wenn sie die Selbstnutzung als Wohnung innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall aufnehmen, so der Bundesfinanzhof (BFH). Ein erst späterer Einzug führt nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zum steuerfreien Erwerb als Familienheim.
Der Kläger und sein Bruder beerbten zusammen ihren am 5. Januar 2014 verstorbenen Vater. Zum Nachlass gehörte ein Zweifamilienhaus mit einer Wohnfläche von 120 qm, das der Vater bis zu seinem Tod allein bewohnt hatte. Die Brüder schlossen am 20. Februar 2015 einen Vermächtniserfüllungsvertrag, nach dem der Kläger das Alleineigentum an dem Haus erhalten sollte. Die Eintragung in das Grundbuch erfolgte am 2. September 2015. Renovierungsangebote holte der Kläger ab April 2016 ein. Die Bauarbeiten begannen im Juni 2016.
Das Finanzamt setzte Erbschaftsteuer fest, ohne die Steuerbefreiung für Familienheime nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zu berücksichtigen. Diese Steuerfreiheit setzt voraus, dass der Erblasser in einem im Inland belegenen Grundstück bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder dass er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war. Die Wohnung muss beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken als Familienheim bestimmt sein, wobei die Wohnfläche 200 qm nicht übersteigen darf. Das Finanzgericht (FG) sah den Erwerb als steuerpflichtig an.
Der BFH bestätigte die Versagung der Steuerfreiheit. Der Kläger habe das Haus auch nach der Eintragung im Grundbuch nicht unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken bestimmt. Erst im April 2016, mehr als zwei Jahre nach dem Todesfall und mehr als sechs Monate nach der Eintragung im Grundbuch, habe der Kläger Angebote von Handwerkern eingeholt und damit überhaupt erst mit der Renovierung begonnen. Der Kläger habe nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er diese Verzögerung nicht zu vertreten habe. Schließlich wies der BFH darauf hin, dass der Kläger noch nicht einmal bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem FG mithin zwei Jahre und acht Monate nach dem Erbfall in das geerbte Haus eingezogen war.
Pressemitteilung: BFH vom 28.05.2019 - II R 37/16
06.08.2019
Einkünfte einer Personengesellschaft aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen werden aufgrund zusätzlicher gewerblicher Beteiligungseinkünfte bei der Einkommensteuer in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert, unterliegen aber nicht der Gewerbesteuer.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht als der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt.
Im Streitfall erzielte eine KG hauptsächlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen. Daneben wurden ihr in geringem Umfang (negative) gewerbliche Einkünfte aus Beteiligungen an anderen Personengesellschaften zugerechnet.
Einkommensteuerrechtlich gelten die Einkünfte einer Personengesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in zwei Fällen insgesamt als gewerblich. Diese sog. Abfärbewirkung greift ein, wenn zu den Einkünften einer Personengesellschaft auch Einkünfte aus originär gewerblicher Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG) oder aus der Beteiligung an einer anderen gewerblichen Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG) gehören.
Für Gesellschaften, die neben nicht gewerblichen Einkünften auch solche aus einer originär gewerblichen Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG) erzielen, hatte der Bundesfinanzhof (BFH) bereits entschieden, dass geringfügige gewerbliche Einkünfte nicht zur Abfärbung führen. Auf eine solche Geringfügigkeitsgrenze berief sich im Streitfall auch die KG in Bezug auf ihre gewerblichen Beteiligungseinkünfte. Sie machte geltend, dass eine Abfärbung der gewerblichen Beteiligungseinkünfte nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG angesichts deren Geringfügigkeit unverhältnismäßig sei.
Dem folgte der BFH nicht. Einkommensteuerrechtlich führen nach seinem Urteil gewerbliche Beteiligungseinkünfte unabhängig von ihrem Umfang immer zur Umqualifizierung nicht gewerblicher Einkünfte. Es handele sich insoweit um eine grundsätzlich zulässige Typisierung, mit der Einkünfte einer Einkunftsart insgesamt einer anderen Einkunftsart zugeordnet werden. Nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles könne diese Umqualifizierung für den Steuerpflichtigen auch zu steuerrechtlichen Vorteilen wie etwa bei einer Verlustberücksichtigung oder einer Rücklagenbildung führen.
Im Hinblick auf die Gewerbesteuer sei die Abfärbewirkung aufgrund gewerblicher Beteiligungseinkünfte (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG) --anders als die Abfärbewirkung bei originär gewerblicher Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG)-- aber nur dann verfassungsgemäß, wenn die infolge der Abfärbung gewerblichen Einkünfte nicht gewerbesteuerbar seien. Nur so werde eine verfassungswidrige Schlechterstellung von Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmern vermieden.
In seiner Begründung bezog sich der BFH auf den Schutz des Gewerbesteueraufkommens als Gesetzeszweck. Die Abfärbewirkung aufgrund originär gewerblicher Tätigkeit verhindere, dass infolge unzureichender Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Tätigkeiten einer Gesellschaft gewerbliche Einkünfte der Gewerbesteuer entzogen werden. Diese Gefahr bestehe bei gewerblichen Beteiligungseinkünften nicht, so dass es insoweit keiner Abfärbewirkung bedürfe. Zudem seien die gewerblichen Beteiligungseinkünfte, die bei der Obergesellschaft (im Streitfall: KG) einkommensteuerrechtlich zur Gewerblichkeit der weiteren Einkünfte führen, bei ihr im Hinblick auf die gewerbesteuerrechtliche Kürzung ohnehin nicht mit Gewerbesteuer belastet.
Pressemitteilung: BFH vom 06.06.2019 - IV R 30/16
30.07.2019
Die Beteiligten stritten um die Frage, ob die Finanzbehörde (nachfolgend: FB) zu Recht einen Antrag auf Akteneinsicht während einer laufenden Außenprüfung (häufig auch Betriebsprüfung genannt) abgelehnt hat.
Der Kläger war neben Herrn X und Herrn Y zu 1/3 an der Sozietät XZ – Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater (nachfolgend: GbR) beteiligt. Die GbR wurde zum 31. Dezember 2008 aufgelöst.
Bei der GbR fand ab dem Jahr 2014 eine Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2010 statt. Die Gesellschafter der GbR waren zerstritten; im Rahmen der Außenprüfung stritten sie vor allem um die Berechnung des Veräußerungsgewinns und die Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz. Anlässlich einer Besprechung zwischen der Betriebsprüfungsstelle und dem Kläger beantragte der Kläger am 14. Oktober 2015 Akteneinsicht. Diesen Antrag lehnte das FA am 22. Oktober 2015 unter Hinweis auf die lange Verfahrensdauer und das Steuergeheimnis (§ 30 AO) ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die FB mit Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2015 als unbegründet zurück. Mit seiner am 11. Januar 2016 erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren auf Akteneinsicht weiter.
Die Klage des Klägers hatte Erfolg.
Der Kläger dürfte einen Anspruch auf Akteneinsicht gem. § 1 Satz 1 des Saarländischen Informationsfreiheitsgesetzes (SIFG) i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2, Abs. 2 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) haben.
Im Streitfall dürfte zwar nach früherer, zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung geltender Rechtslage, nach der ein Akteneinsichtsrecht in der Abgabenordnung absichtsvoll nicht geregelt und die Akteneinsicht nur ausnahmsweise zu gewähren war, eine Ermessensreduzierung auf Null bezüglich der Gewährung von Akteneinsicht nicht vorgelegen haben.
Jedoch besteht seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 ab 25. Mai 2018 für alle Steuerpflichtigen grundsätzlich ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht bei der FB.
Ein Akteneinsichtsrecht ist nicht ausdrücklich in der DSGVO geregelt, aber es besteht nach Art. 15 Abs. 1 HS. 2, Abs. 2 DSGVO ein Auskunftsanspruch über sämtliche verarbeiteten personenbezogenen Daten. Dies gilt in zeitlicher Hinsicht auch, soweit personenbezogene Daten (noch immer) ab dem 25. Mai 2018 verarbeitet werden, und damit auch für Papierakten mit Informationen zu einer Zeit vor dem 25. Mai 2018 (vgl. Art. 99 Abs. 2 DSGVO).
Die DSGVO gilt in sachlicher Hinsicht gem. Art. 2 Abs. 1 für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, soweit die FB – wie vorliegend – Papierakten führen, da die nach Steuernummern oder sonstigen Aktenzeichen sortierten Papierakten ein Dateisystem i.S.d. Art. 4 Nr. 6 DSGVO sind.
Der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO ist auch nicht nach Art. 2 Abs. 2 DSGVO ausgeschlossen. Zwar gilt die Verordnung grundsätzlich nur für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Anwendungsbereich des Unionsrechts, was bei nicht harmonisierten Steuern wie der Einkommen- oder Körperschaftsteuer zweifelhaft ist. Jedoch soll die DSGVO nach Auffassung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder zugunsten der Betroffenen entgegen der Gesetzeslage für sämtliche Steuerarten anwendbar sein, soweit nicht bereits die Informationsfreiheitsgesetze der Länder, die eine entsprechende Anwendung der DSGVO anordnen, einen Informationszugang zu den Landesfinanzbehörden regeln. § 1 Satz 1 SIFG dürfte einen Informationszugang zu den Landesfinanzbehörden gewähren. Denn die Landesfinanzbehörden sind nicht gem. § 2 SIFG vom Informationszugang ausgenommen. Im Übrigen dürfte der Anspruch des Klägers auf Informationszugang aus der Selbstbindung der Verwaltung folgen.
Soweit die Finanzverwaltung beim Akteneinsichtsrecht weiterhin von einem Ermessensanspruch ausgeht, widerspricht dies sowohl vorrangigem Unionsrecht als auch nationalem Recht. Denn nach § 32d Abs. 1 AO besteht ein behördliches Ermessen nur, soweit es an Regelungen in der DSGVO fehlt. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.
Ausschlussgründe im Sinne der Abgabenordnung sind nicht einschlägig. Zwar besteht nach der hier allein in Frage kommenden Vorschrift des § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gegenüber einer Finanzbehörde gem. Art. 15 DSGVO nicht, soweit die Daten nach § 30 AO geheim gehalten werden müssen. So verhält es sich im Streitfall aber gerade nicht. Denn die für das Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte bedeutsamen Verhältnisse werden den an der Feststellung beteiligten Gesellschaftern gegenüber nicht vom Steuergeheimnis erfasst. Sämtliche Beteiligte sind deshalb berechtigt, solange sie Mitgesellschafter sind, in die Steuerakten über die einheitliche und gesonderte Feststellung Einsicht zu nehmen.
Beschluss: Finanzgericht Saarbrücken vom 03.04.2019 - 2 K 1002/16
24.07.2019
Bei einem Einzelgewerbetreibenden gehört eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie dazu bestimmt ist, die gewerbliche (branchengleiche) Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend zu fördern oder wenn sie dazu dient, den Absatz von Produkten oder Dienstleistungen des Steuerpflichtigen zu gewährleisten. Maßgebend für die Zuordnung einer Beteiligung zum notwendigen Betriebsvermögen ist deren Bedeutung für das Einzelunternehmen.
Dabei steht der Zuordnung einer Beteiligung zum notwendigen Betriebsvermögen nicht entgegen, wenn die dauerhaften und intensiven Geschäftsbeziehungen nicht unmittelbar zu der Beteiligungsgesellschaft bestehen, sondern zu einer Gesellschaft, die von der Beteiligungsgesellschaft beherrscht wird.
Im Streitfall ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft zum notwendigen Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens gehört.
Wirtschaftsgüter gehören zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie dem Betrieb dergestalt unmittelbar dienen, dass sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sind; dabei wird jedoch nicht vorausgesetzt, dass sie für den Betrieb notwendig im Sinne von "erforderlich" sind. Eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft wird unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke genutzt, wenn sie dazu bestimmt ist, die gewerbliche (branchengleiche) Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend zu fördern oder wenn sie dazu dient, den Absatz von Produkten des Steuerpflichtigen zu gewährleisten. Demgegenüber reicht die Unterhaltung von Geschäftsbeziehungen, wie sie üblicherweise auch mit anderen Unternehmen bestehen, für die Annahme notwendigen Betriebsvermögens ebenso wenig aus wie ein einmaliger Geschäftsvorfall.
Die Absatzförderung beschränkt sich dabei nicht auf "Produkte" im engeren Sinne (Waren); vielmehr ist die Zuordnung zum notwendigen Betriebsvermögen auch dann vorzunehmen, wenn die Beteiligungsgesellschaft den Absatz von Dienstleistungen des Steuerpflichtigen gewährleistet. Auch ist es nicht erforderlich, dass die Betätigungen des Einzelgewerbetreibenden und der Kapitalgesellschaft branchengleich sind.
Vielmehr genügt es für die Zuordnung zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn die Beteiligung den Absatz von Produkten oder Dienstleistungen des Steuerpflichtigen gewährleisten soll. Entscheidend für den Gesichtspunkt der Absatzförderung ist der Anteil der Beteiligungsgesellschaft am Umsatz des Einzelunternehmens, nicht aber an dessen Gewinn.
Im Streitfall hätte das Finanzgericht (FG Urteil vom 03.12.2015 – 6 K 891/13) nicht - wie geschehen - den Anteil des Einzelunternehmens des Steuerpflichtigen am Umsatz und Gewinn des Gesamtkonzerns in den Vordergrund seiner Würdigung rücken dürfen, sondern entscheidend auf den Anteil der Kapitalgesellschaften am Umsatz des Einzelunternehmens abstellen müssen. Denn Anteile an Kapitalgesellschaften gehören zum notwendigen Betriebsvermögen eines Einzelgewerbetreibenden, wenn die Beteiligung dazu dient, den Absatz von Produkten oder Dienstleistungen des Steuerpflichtigen zu gewährleisten. Erforderlich ist eine dauerhafte und intensive Geschäftsbeziehung; maßgeblich dafür ist der Anteil der Kapitalgesellschaft am Umsatz des Einzelunternehmens. Die Frage, ob ein Wirtschaftsgut zum Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens gehört, ist aus der Sicht des Einzelunternehmens - und nicht aus der Sicht des Wirtschaftsguts (im Streitfall: der Kapitalgesellschaft) - zu beurteilen.
Im Streitfall tätigte der Steuerpflichtige mit den Kapitalgesellschaften, an denen er beteiligt war, 99,9 % des Umsatzes seines Einzelunternehmens. Sein Einzelunternehmen war daher auf die Geschäftsbeziehung mit den drei Beteiligungsgesellschaften existenziell angewiesen. In einem solchen Fall kann von einer bloßen Kapitalanlage schon angesichts der überragenden Bedeutung der Beteiligung für das Einzelunternehmen nicht ausgegangen werden.
Da die GmbH - Beteiligung zum notwendigen Betriebsvermögen des gewerblichen Einzelunternehmens des Steuerpflichtigen gehörte, war die an den Steuerpflichtigen von dieser Gesellschaft ausgeschüttete Dividende den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen (§ 20 Abs. 8 Satz 1 EStG). Die Abgeltungswirkung des Kapitalertragsteuerabzugs trat daher nicht ein (§ 43 Abs. 5 Satz 2 EStG).
Urteil: BFH vom 10.04.2019 – X R 28/16
08.07.2019
Um die Thematik besser zu verstehen, verweise wir Sie auf den Beitrag vom 09.05.2019 - Reform der Grundsteuer: Hintergrund und Ausblick-
Der Finanzausschuss hat in seiner Sitzung am 26.06.2019 die Durchführung von zwei öffentlichen Anhörungen zu Reform der Grundsteuer beschlossen.
Hintergrund: Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben inzwischen drei Gesetzentwürfe zu der vom Bundesverfassungsgericht aufgegebenen Reform der Grundsteuer eingebracht.
Hierzu wird weiter ausgeführt:
In der ersten Anhörung am 11.09.2019 soll es um die Einführung einer Öffnungsklausel für die Bundesländer bei der Erhebung der Grundsteuer gehen. Mit dem Entwurf (BT-Drucks. 19/11084) soll das Grundgesetz geändert werden (Artikel 72, 105 und 125b). Der Bund soll mit der Grundgesetzänderung uneingeschränkt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Grundsteuer erhalten. Zugleich wird den Ländern über eine Ergänzung in Artikel 72 Absatz 3 des Grundgesetzes eine umfassende abweichende Regelungskompetenz eröffnet.
In der zweiten öffentlichen Anhörung, die ebenfalls am 11.09.2019 stattfinden wird, geht es um die Reform der Grundsteuer selbst. Nach dem Entwurf der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (BT-Drucks. 19/11085) soll für die Erhebung der Steuer in Zukunft nicht allein auf den Bodenwert zurückgegriffen werden, sondern es sollen auch Erträge wie Mieteinnahmen berücksichtigt werden. Für die Bundesländer ist eine Öffnungsklausel vorgesehen, damit sie die Grundsteuer nach anderen Bewertungsverfahren erheben können.
Zur Vereinfachung des Verfahrens wird für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum ein vorgegebener durchschnittlicher Sollertrag in Form einer Nettokaltmiete je Quadratmeter in Abhängigkeit der Lage des Grundstücks typisierend angenommen. Auch in Zukunft werden die Gemeinden die Höhe der Grundsteuer mit örtlichen Hebesätzen bestimmen können. Um strukturelle Erhöhungen der Steuer zu vermeiden, appellieren CDU/CSU- und SPD-Fraktion an die Kommunen, die Hebesätze entsprechend abzusenken.
Außerdem geht es in der zweiten öffentlichen Anhörung um den ebenfalls von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung (BT-Drucks. 19/11086). Städte und Gemeinden sollen die Möglichkeit der Festlegung eines erhöhten, einheitlichen Hebesatzes auf baureife Grundstücke erhalten. Mit dem erhöhten Satz könne über die Grundsteuer ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, baureife Grundstücke einer sachgerechten und sinnvollen Nutzung durch Bebauung zuzuführen, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Quelle: https://www.bundestag.de/hib#url=
L3ByZXNzZS9oaWIvNjQ5NTM0LTY0OTUzNA==&mod=mod454590
08.07.2019
Ärzte, die als Honorarärzte in einem Krankenhaus tätig sind, sind in dieser Tätigkeit regelmäßig nicht als Selbstständige anzusehen, sondern unterliegen als Beschäftigte des Krankenhauses der Sozialversicherungspflicht, so das Bundessozialgericht (BSG) in einer Entscheidung vom (BSG vom 04.06.2019 - B 12 R 11/18 R).
Der Begriff des Honorararztes ist gesetzlich nicht definiert. Die beteiligten Ärzte und Krankenhäuser verstehen die Tätigkeit als selbstständige, freie Mitarbeit. Honorarärzte werden häufig nebenberuflich oder für eine Vielzahl von Auftraggebern, zeitlich auf Tage oder wenige Wochen befristet auf Basis individuell vereinbarter Einsätze und Dienste tätig. Das macht sie vor allem für Krankenhäuser im ländlichen Raum attraktiv, die unter Fachkräftemangel leiden. Sie werden meisten besser vergütet als Angestellte Ärzte und unterliegen nicht den vollen steuer- und sozialabgabenpflichtigen Lohn. Weitere Gründe als Honorararzt tätig sein zu wollen sind, keine Schichtdienste, viele Überstunden und sehr hohe Arbeitsbelastungen des Krankenhauses nicht ausgesetzt zu sein.
Um zu beurteilen, ob ein Arzt freiberuflich oder als Angestellter des Krankenhauses tätig ist, ist für das BSG entscheidend, ob die Betroffenen weisungsgebunden beziehungsweise in eine Arbeitsorganisation eingegliedert sind.
Letzteres ist bei Ärzten in einem Krankenhaus regelmäßig gegeben, weil dort ein hoher Grad der Organisation herrscht, auf die die Betroffenen keinen eigenen, unternehmerischen Einfluss haben.
So sind Anästhesisten - wie die Ärztin im Leitfall - bei einer Operation in der Regel Teil eines Teams, das arbeitsteilig unter der Leitung eines Verantwortlichen zusammenarbeiten muss. Im Leitfall war die Ärztin wiederholt im Tag- und Bereitschaftsdienst und überwiegend im OP tätig. Hinzu kommt, dass Honorarärzte ganz überwiegend personelle und sachliche Ressourcen des Krankenhauses bei ihrer Tätigkeit nutzen. So war die Ärztin hier nicht anders als beim Krankenhaus angestellte Ärzte vollständig eingegliedert in den Betriebsablauf. Unternehmerische Entscheidungsspielräume sind bei einer Tätigkeit als Honorararzt im Krankenhaus regelmäßig nicht gegeben. Die Honorarhöhe ist nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien und vorliegend nicht ausschlaggebend.
Ein etwaiger Fachkräftemangel im Gesundheitswesen hat keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Versicherungspflicht. Sozialrechtliche Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht können nicht außer Kraft gesetzt werden, um eine Steigerung der Attraktivität des Berufs durch eine von Sozialversicherungsbeiträgen "entlastete" und deshalb höhere Entlohnung zu ermöglichen.
Diese sog. Scheinselbständigkeit als Honorararzt ist heute mit Vorsicht zu genießen, da die Deutsche Rentenversicherung künftig verstärkt auch in anderen hochqualifizierten und bezahlten Berufen nach Scheinselbständigen suchen wird.
Urteil: BSG vom 04.06.2019 - B 12 R 11/18 R