Markus Deutsch - Aktuelles

12.11.2019

Die derzeitige Regierungskoalition hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, untere und mittlere Einkommen beim Solidaritätszuschlag ab dem Jahr 2021 zu entlasten. Dies würde zu jährlichen Steuermindereinnahmen von rund 10 Mrd. Euro führen. Im Übrigen soll der Solidaritätszuschlag über den Finanzplanungszeitraum (2023) hinaus fortgeführt werden. Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) nimmt dies zum Anlass, die Bundesregierung über die rechtlichen und finanzwirtschaftlichen Risiken zu informieren, die mit einer Verwirklichung dieses Vorhabens verbunden sind.


Der Solidaritätszuschlag ist eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer nach Artikel 106 Abs. 1 Nr. 6 Grundgesetz. Er wurde im Jahr 1995 eingeführt, um den damals in einer schwierigen Haushaltslage befindlichen Bund bei der Finanzierung des „Aufbaus Ost“ zu unterstützen. Seither wird er ununterbrochen – mithin seit rund 25 Jahren – erhoben. Ergänzungsabgaben sind dazu bestimmt, einen temporären besonderen Finanzbedarf zu decken. Das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag steht allein dem Bund zu. Im Zeitraum 1995 bis 2018 betrugen die kassenmäßigen Einnahmen hieraus insgesamt 311,7 Mrd. Euro.


In einem öffentlichen Fachgespräch im Juni 2018 wurden im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages zwei Fraktionsinitiativen diskutiert, die das Ziel verfolgten, den Solidaritätszuschlags abzuschaffen. Die Sachverständigen vertraten dort mehrheitlich die Auffassung, dass es dem Solidaritätszuschlag mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II zum 31. Dezember 2019 an Legitimation mangele. Er sei deshalb abzuschaffen.


Auch in der einschlägigen Literatur herrscht die Meinung vor, dass eine Ergänzungsabgabe kein Dauerfinanzierungselement sei. Sie sei deshalb aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Einführung entfielen. Dies sei z. B. der Fall, wenn der Bund über ausreichende Finanzmittel verfüge.

 

In der Gesamtschau ergibt sich für den BWV der Schluss, dass der von der Bundesregierung geplante teilweise Fortbestand des Solidaritätszuschlags hohen verfassungsrechtlichen Risiken unterliegt. Eine verfassungsgerichtliche Überprüfung des Solidaritätszuschlags ist naheliegend. Die Gefahr, dass der Bund wie im Fall der Kernbrennstoffbesteuerung zu einer milliardenschweren Steuerrückzahlung verurteilt wird, ist nicht von der Hand zu weisen.


Ein wesentlicher Grundsatz der Haushalts- und Finanzplanung ist das Vorsichtsprinzip. Danach müssen alle absehbaren Haushaltsbelastungen veranschlagt oder hierfür zumindest Planungsreserven vorgesehen werden. Der aktuelle Finanzplan bis 2022 sowie der Eckwertebeschluss der Bundesregierung für den neuen Finanzplan treffen keine ausreichende Vorsorge für die beschriebene Risikolage ab dem Haushaltsjahr 2020. Die verfassungsrechtlichen Probleme, die bei Umsetzung des im Koalitionsvertrag umrissenen Teilabbaukonzepts drohen könnten, werden bislang ausgeblendet.


Eine Umwidmung des Solidaritätszuschlags für andere Haushaltszwecke als die Finanzierung der Wiedervereinigung erscheint verfassungsrechtlich nicht vertretbar. Der Bund darf sich kein zeitlich unbegrenztes Zuschlagsrecht im Bereich der Steuern vom Einkommen schaffen. Dies ist im Grundgesetz nicht vorgesehen.


Mangels ausreichender Vorsorge erscheint der vollständige Verzicht auf den Solidaritätszuschlag ab dem Jahr 2020 allerdings schwierig umsetzbar. Im Hinblick auf finanzwirtschaftliche Zwänge, insbesondere der Notwendigkeit schuldenregelkonformer Haushalte, könnte aber ein gestreckter Abbau bis zum Ende des neuen Finanzplanungszeitraums (2023) realisiert werden. Die gegenüber den bislang enthaltenen Planungsreserven zusätzlich wegfallenden Einnahmen ließen sich durch Kompensationsmaßnahmen bei Ausgaben und Einnahmen ausgleichen. Der Bund könnte insbesondere

 

* die vielfältigen Leistungen an die Länder und Kommunen kritisch überprüfen sowie

* die umfänglichen Steuersubventionen und sonstigen subventionsähnlichen steuerlichen Regelungen zurückführen.
* Ggf. könnte zur Abdeckung von Mindereinnahmen auch der Einkommensteuertarif neu gestaltet werden

 
Dem ab dem Jahr 2020 geltenden neuen Finanzausgleich liegt eine finanzverfassungsrechtliche Normallage zugrunde. Ein besonderer Finanzbedarf des Bundes zur Abdeckung neuer spezifischer Ausgabenbedarfe ist nicht gegeben. Der Solidaritätszuschlag stellt 25 Jahre nach seiner Einführung einen Fremdkörper innerhalb des Steuersystems dar. Der BWV spricht sich dafür aus, ihn aus verfassungsrechtlichen Gründen zeitnah, das heißt spätestens bis zum Ende des neuen Finanzplanungszeitraums im Jahr 2023, vollständig abzuschaffen.

Besteht größeres Interesse zu diesem Thema ? Hier die Langfassung: https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/gutachten-berichte-bwv/berichte/langfassungen/2019-bwv-gutachten-abbau-des-solidaritaetszuschlages-pdf

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