30.07.2019
Die Beteiligten stritten um die Frage, ob die Finanzbehörde (nachfolgend: FB) zu Recht einen Antrag auf Akteneinsicht während einer laufenden Außenprüfung (häufig auch Betriebsprüfung genannt) abgelehnt hat.
Der Kläger war neben Herrn X und Herrn Y zu 1/3 an der Sozietät XZ – Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater (nachfolgend: GbR) beteiligt. Die GbR wurde zum 31. Dezember 2008 aufgelöst.
Bei der GbR fand ab dem Jahr 2014 eine Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2010 statt. Die Gesellschafter der GbR waren zerstritten; im Rahmen der Außenprüfung stritten sie vor allem um die Berechnung des Veräußerungsgewinns und die Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz. Anlässlich einer Besprechung zwischen der Betriebsprüfungsstelle und dem Kläger beantragte der Kläger am 14. Oktober 2015 Akteneinsicht. Diesen Antrag lehnte das FA am 22. Oktober 2015 unter Hinweis auf die lange Verfahrensdauer und das Steuergeheimnis (§ 30 AO) ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die FB mit Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2015 als unbegründet zurück. Mit seiner am 11. Januar 2016 erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren auf Akteneinsicht weiter.
Die Klage des Klägers hatte Erfolg.
Der Kläger dürfte einen Anspruch auf Akteneinsicht gem. § 1 Satz 1 des Saarländischen Informationsfreiheitsgesetzes (SIFG) i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2, Abs. 2 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) haben.
Im Streitfall dürfte zwar nach früherer, zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung geltender Rechtslage, nach der ein Akteneinsichtsrecht in der Abgabenordnung absichtsvoll nicht geregelt und die Akteneinsicht nur ausnahmsweise zu gewähren war, eine Ermessensreduzierung auf Null bezüglich der Gewährung von Akteneinsicht nicht vorgelegen haben.
Jedoch besteht seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 ab 25. Mai 2018 für alle Steuerpflichtigen grundsätzlich ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht bei der FB.
Ein Akteneinsichtsrecht ist nicht ausdrücklich in der DSGVO geregelt, aber es besteht nach Art. 15 Abs. 1 HS. 2, Abs. 2 DSGVO ein Auskunftsanspruch über sämtliche verarbeiteten personenbezogenen Daten. Dies gilt in zeitlicher Hinsicht auch, soweit personenbezogene Daten (noch immer) ab dem 25. Mai 2018 verarbeitet werden, und damit auch für Papierakten mit Informationen zu einer Zeit vor dem 25. Mai 2018 (vgl. Art. 99 Abs. 2 DSGVO).
Die DSGVO gilt in sachlicher Hinsicht gem. Art. 2 Abs. 1 für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, soweit die FB – wie vorliegend – Papierakten führen, da die nach Steuernummern oder sonstigen Aktenzeichen sortierten Papierakten ein Dateisystem i.S.d. Art. 4 Nr. 6 DSGVO sind.
Der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO ist auch nicht nach Art. 2 Abs. 2 DSGVO ausgeschlossen. Zwar gilt die Verordnung grundsätzlich nur für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Anwendungsbereich des Unionsrechts, was bei nicht harmonisierten Steuern wie der Einkommen- oder Körperschaftsteuer zweifelhaft ist. Jedoch soll die DSGVO nach Auffassung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder zugunsten der Betroffenen entgegen der Gesetzeslage für sämtliche Steuerarten anwendbar sein, soweit nicht bereits die Informationsfreiheitsgesetze der Länder, die eine entsprechende Anwendung der DSGVO anordnen, einen Informationszugang zu den Landesfinanzbehörden regeln. § 1 Satz 1 SIFG dürfte einen Informationszugang zu den Landesfinanzbehörden gewähren. Denn die Landesfinanzbehörden sind nicht gem. § 2 SIFG vom Informationszugang ausgenommen. Im Übrigen dürfte der Anspruch des Klägers auf Informationszugang aus der Selbstbindung der Verwaltung folgen.
Soweit die Finanzverwaltung beim Akteneinsichtsrecht weiterhin von einem Ermessensanspruch ausgeht, widerspricht dies sowohl vorrangigem Unionsrecht als auch nationalem Recht. Denn nach § 32d Abs. 1 AO besteht ein behördliches Ermessen nur, soweit es an Regelungen in der DSGVO fehlt. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.
Ausschlussgründe im Sinne der Abgabenordnung sind nicht einschlägig. Zwar besteht nach der hier allein in Frage kommenden Vorschrift des § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gegenüber einer Finanzbehörde gem. Art. 15 DSGVO nicht, soweit die Daten nach § 30 AO geheim gehalten werden müssen. So verhält es sich im Streitfall aber gerade nicht. Denn die für das Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte bedeutsamen Verhältnisse werden den an der Feststellung beteiligten Gesellschaftern gegenüber nicht vom Steuergeheimnis erfasst. Sämtliche Beteiligte sind deshalb berechtigt, solange sie Mitgesellschafter sind, in die Steuerakten über die einheitliche und gesonderte Feststellung Einsicht zu nehmen.
Beschluss: Finanzgericht Saarbrücken vom 03.04.2019 - 2 K 1002/16