2015-08-17
Der Bundesfinanzhof hat am 22. Juli 2015 ein Urteil zur Zulässigkeit der Schätzungsmethode des Zeitreihenvergleichs veröffentlicht (BFH 25.03.2015 X R
20/13). Der BFH geht zudem im Urteil auf die Auswirkungen des Fehlens der aufbewahrungspflichtigen Unterlagen beim Einsatz eines programmierbaren
Kassensystems ein sowie auf die Aufbewahrungspflicht von Speisekarten. Der Zeitreihenvergleich wird von der Finanzverwaltung im Rahmen von
Außenprüfungen insbesondere bei Gastronomiebetrieben zunehmend häufig angewandt. Beim Zeitreihenvergleich handelt es sich um eine mathematischstatistische
Verprobungsmethode, bei der die jährlichen Erlöse und Wareneinkäufe des Betriebs in kleine Einheiten - regelmäßig in Zeiträume von einer Woche - zerlegt
werden. Für jede Woche wird sodann der Rohgewinnaufschlagsatz (das Verhältnis zwischen Erlösen und Einkäufen) ermittelt. Die Finanzverwaltung geht davon aus,
dass der höchste Rohgewinnaufschlagsatz, der sich für einen beliebigen Zehn-Wochen-Zeitraum ergibt, auf das gesamte Jahr anzuwenden ist. Dadurch werden
rechnerisch zumeist erhebliche Hinzuschätzungen zu den vom Steuerpflichtigen angegebenen Erlösen ausgewiesen.
Der BFH hat diese Schätzungsmethode nunmehr nur unter folgenden Einschränkungen zugelassen:
1. Das Verhältnis zwischen Erlösen und Wareneinkäufen im Betrieb muss über das ganze Jahr hinweg weitgehend konstant sein.
2. Bei einer formell ordnungsmäßigen Buchführung ist der Zeitreihenvergleich zum Nachweis materieller Mängel der Buchführung von vornherein ungeeignet
3. Ist die Buchführung zwar formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten nicht konkret nachgewiesen, sind andere Schätzungsmethoden
vorrangig.
4. Auch wenn solche anderen Schätzungsmethoden nicht zur Verfügung stehen, dürfen die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs nicht unbesehen übernommen
werden, sondern können allenfalls einen Anhaltspunkt für eine Hinzuschätzung bilden.
5. Nur wenn die materielle Unrichtigkeit der Buchführung bereits aufgrund anderer Erkenntnisse feststeht, können die Ergebnisse eines --technisch korrekt
durchgeführten - Zeitreihenvergleichs auch für die Höhe der Hinzuschätzung herangezogen werden.
In diesem Zusammenhang hat der BFH ferner entschieden, dass beim Einsatz eines programmierbaren Kassensystems bereits das Fehlen der aufbewahrungspflichtigen
Betriebsanleitung sowie der Protokolle nachträglicher Programmänderungen einen formellen Mangel darstellt, dessen Bedeutung dem Fehlen von
Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse oder dem Fehlen von Kassenberichten bei einer offenen Ladenkasse gleichsteht und der daher
grundsätzlich schon für sich genommen zu einer Hinzuschätzung berechtigt.
Immerhin: Speisekarten sind laut dem BFH-Urteil nicht generell aufbewahrungspflichtig. Etwas anderes gilt nur, wenn sie zum Verständnis
und zur Überprüfung der gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind.
Quelle: LSWB