16.03.2017
Eine umfangreiche Reform der Strafprozessordnung sieht der jetzt im Bundestag eingebrachte Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" vor. Wie es in der Begründung heißt, geht es darum, angesichts der hohen Belastung der Strafgerichte "eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann". Ziel ist die Entlastung der Gerichte und Staatsanwaltschaften bei Wahrung und teilweise Stärkung der Rechte von Beschuldigten. Der Gesetzentwurf schlägt dazu eine Vielzahl von Regelungen vor. Grundlage waren Empfehlungen einer vom Bundesjustizministerium 2014 eingesetzten Expertenkommission.
Im Ermittlungsverfahren sollen Zeugen verpflichtet werden, bei der Polizei zu erscheinen. Andernfalls müssen Staatsanwaltschaft und Gericht sie nicht mehr vernehmen. Dies soll ebenso zur Verfahrensbeschleunigung beitragen wie die alleinige Zuständigkeit des Ermittlungsrichters für die Bestellung von Pflichtverteidigern. Zur Entlastung der Staatsanwaltschaft soll der Tatbestand der Nötigung zum Privatklagedelikt werden, nur bei besonders schweren Fällen der Nötigung muss sie weiterhin tätig werden. Mehrere Gesetzesänderungen sollen helfen, Verzögerungen im Hauptverfahren durch Befangenheitsanträge zu vermeiden. So kann zunächst mit der Hauptverhandlung begonnen werden, wenn ein Richter erst kurz vor ihrem Beginn abgelehnt wird. Auch sollen die Möglichkeiten beschränkt werden, Verfahren durch neue Beweisanträge zu verzögern. Das Beweisantragsrecht an sich soll aber nicht eingeschränkt werden.
In mehr Fällen als bisher soll statt der Vernehmung eines ärztlichen Sachverständigen die Verlesung eines Attests genügen. Eine Reihe vorgeschlagener Maßnahmen dient auch der Vereinfachung und Beschleunigung von Revisions- und Strafvollstreckungsverfahren.
Zur besseren Dokumentation von Ermittlungsverfahren sollen Vernehmungen vermehrt audiovisuell aufgezeichnet werden. Solche Videos sollen nicht nur die Wahrheitsfindung optimieren, sondern öfter auch die persönliche Ladung von bereits Vernommenen vor Gericht verzichtbar machen. Wie es im Gesetzentwurf heißt, soll diese Regelung "der Erprobung zeitgemäßer Instrumente zur Ermittlung des wahren Sachverhalts" dienen. Erweitert werden soll die Verwendbarkeit von DNA-Analysen. Neben Volltreffern bei Reihenuntersuchungen sollen künftig auch "Beinahetreffer", die ein Verwandtschaftsverhältnis anzeigen, als Beweismittel zugelassen werden.
Mehrere vorgeschlagene Regelungen dienen der besseren Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten und dem transparenteren Ablauf eines Prozesses. So soll bei umfangreichen Verfahren der Richter vorab den Ablauf mit dem Verteidiger, dem Staatsanwalt und dem Nebenklägervertreter abstimmen. Den Interessen von Beschuldigten sollen unter anderem erweiterte Regelungen zur Bestellung von Pflichtverteidigern dienen. So kann bereits im Ermittlungsverfahren, insbesondere bei der Vernehmung von Belastungszeugen, ein Pflichtverteidiger zugezogen werden. Auch soll es möglich werden, einen Pflichtverteidiger nicht nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft zu bestellen, sondern auch von Amts wegen durch das Gericht.