Markus Deutsch - Aktuelles

03.10.2016

 

Nun ist es doch vollbracht, aus dem Deutschen Bundestag und Bundesrat konnte am 22. September 2016 „weißer Rauch" vermeldet werden. Der Vermittlungsausschuss brachte eine Beschlussempfehlung (BR-Drucksache 18/9690) zur Neuregelung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) auf den Weg, die voraussichtlich im Oktober 2016 dann endgültig Eingang ins Gesetz finden soll.

 

Ein erster Blick in die letzten Änderungen zeigt, dass die vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetzesänderung vom 24. Juni 2016 nicht noch einmal komplett aufgeschnürt wurde. Man beschränkte sich im Rahmen der - abermaligen - Kompromisssuche auf einzelne, wenn auch für viele Betroffene nicht unbedeutende Details:

 

Einer der bedeutendsten „Änderungen der Änderungen" stellt sicherlich der neu justierte Kapitalisierungsfaktor nach § 203 Bewertungsgesetz (BewG) von nunmehr einheitlich 13,75 im vereinfachten Ertragswertverfahren dar. Damit bewegt man sich abermals über der noch jüngst vorgesehenen Bandbreite von 10 bis 12,5. In Abs. 2 der Vorschrift findet sich allerdings eine Öffnungsklausel, nach der das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates den Kapitalisierungsfaktor an die Entwicklung der Zinsstrukturdaten anzupassen. Diese Flexibilisierung ist zu begrüßen, wirft aber gleichzeitig die Frage auf, ob lediglich der Verordnungsgeber verfassungsrechtlich dazu bestimmt sein kann, eine derart wichtige Frage außerhalb eines Gesetzgebungsverfahrens zu regeln.

 

Augenfällig sind auch die Modifizierungen an der Stundungsvorschrift des § 28 ErbStG. Ein Erwerb von Todes wegen von begünstigtem Vermögens ist zwar immer noch auf Antrag bis zu sieben Jahre zu stunden. Zinsfrei hingegen ist nur noch das erste Jahr nach Festsetzung der Steuer. Ab dem zweiten Jahr gelten die allgemeinen Zinsvorschriften der Abgabenordnung (AO), wobei ausdrücklich die Stundungsmöglichkeit nach § 222 AO bestehen bleibt.

 

Weitere Restriktionen gelten nach der o.g. Beschlussempfehlung für Begünstigungen bei Familienunternehmen, der Katalog der nicht begünstigten Wirtschaftsgüter wurde nochmals erweitert und die Cash GmbH soll nun durch einen Kniff endgültig der Vergangenheit angehören. Unangetastet blieben dagegen die Neuregelungen für einen erschwerten steuerbegünstigten Übergang von Großunternehmen sowie im Hinblick auf die Verschärfungen bei der Lohnsummenklausel.

 

Für den interessierten Beobachter verbleiben nach nunmehr fast zweijährigen legislativem Verhandlungsmarathon - mit seinerzeit angestrebten „minimalinvasiven" Eingriffen - vor allem Fragen:

Wenn der bereits gefundene Kompromiss vom Juni 2016 nicht den verfassungsrechtlichen Ansprüchen aus Karlsruhe genügte, dann soll dies mit dem vorliegenden Papier der Fall sein? Und was hat die wieder verschärfte und oft realitätsferne Bewertung nach § 203 BewG mit den Anforderungen an eine zielgenaue Verschonung zu tun? Es verbleibt stattdessen der Eindruck, dass einige Fiskalpolitiker auf den letzten Metern der Einigungssuche noch möglichst viel für ihr jeweiliges Länder-Steuersäckel herausholen wollten -und es damit eher nachrangig um eine verfassungsfeste Ausformung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz ging.

 

Fragen muss sich aber auch das Bundesverfassungsgericht selbst gefallen lassen. War es im Hinblick auf den jetzigen Kompromiss - dessen Verfassungsfestigkeit unterstellt - mithin wegen kleinerer Änderungen wirklich notwendig, die Verschonungsregeln zu verwerfen und den Gesetzgeber neu zu verpflichten (Entscheidung vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12)? Oder wäre nicht das ansonsten oft verwendete „gerade noch so verfassungsgemäß"- mit Rücksicht auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und die Rechtsicherheit für Unternehmer und Übernehmer - nicht angemessener gewesen?

Hauptbetroffene der Novelle werden nunmehr die Vielzahl von Klein- und Kleinstunternehmen sein, so ist nun einmal ein Großteil unserer Wirtschaft organisiert, die sich fortan beim unentgeltlichen Übergang mit dem Absurdum der Verschonungsregelungen beschäftigen „dürfen".

 

Und wenn die Karlsruher Richter mit ausführlicher Begründung zur Verfassungswidrigkeit einer Norm gelangen, ist diese auch konsequent (rückwirkend) als verfassungswidrig anzuerkennen, § 82 i.V.m. § 72 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG), Nichtigkeitserklärung. - Mit dem Änderungsauftrag an den Gesetzgeber, ohne aber ansonsten ein Auslaufen des Gesetzes anzuordnen, haben die Richter den Politikern stattdessen nicht nur unfreiwillig einen Freibrief zum gesetzgeberischen Laissez-Faire („die Regeln werden schon über den 30. Juni 2016 hinaus Bestand haben") gegeben. Sie haben aus Sicht der Praxis auch dem Grundsatz des effektiven Verfassungsrechtsschutzes leider keinen guten Dienst erwiesen.

 

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